Bei der Forderung nach Strafen für Fake-News-Verbreiter fehlt Küppersbusch die Präzision: "Wer verbreitet sie denn? Sind das einzelne Irre oder muss man auch mal mit Facebook reden?" Dem Unternehmen sei "Tür und Tor geöffnet" worden. Die Politik habe zu viel Rücksicht auf ihr Geschäftsmodell genommen - dabei habe das Netzwerk auch eine publizistische Verantwortung. "Zeitungsverleger, die sagen: Es ist mir egal, was in meiner Zeitung steht - das geht nach deutschem Recht auch nicht. Wir haben da eine andere Rechtskultur und auch Rechtstradition als Facebook sie mitbringt." Dem Unternehmen gehe es vor allem ums Geld: "Es ist ein Geschäftsmodell. Je bescheuerter die Meldung, desto eher kann man Geld damit verdienen," so Küppersbusch.
Eine Löschung von falschen Meldungen dauere bei Facebook mitunter Tage. "Ich finde die Position von Facebook überkomfortabel, dass sie sich aus der Prunkkutsche huldvoll herabbeugen können und sagen können: Na gut, dann löschen wir halt."
Vorschlag Oppermanns: "Das ist ein bisschen naiv"
Die bisherigen Maßnahmen von Justizminister Heiko Maas, Unternehmen wie Facebook Selbstkontrolle nahezulegen, hält Küppersbusch für wenig effektiv. "Juristischer Kuschelsex reicht nicht." Maas habe wohl erkannt, dass er keinen wirklichen juristischen Hebel habe oder möglicherweise auch Angst davor, dass mögliche Einschränkungen bei Facebook-Nutzer auf ihn zurückfielen.
Den Vorschlag von Thomas Oppermann (SPD), Medien, Verbände und Politik sollten beim Kampf gegen Fake News zusammenarbeiten, hält Küppersbusch für fromm. "Ob jetzt gerade derjenige, der einen kritischen Kommentar schreibt, sagt: Mensch, da rufe ich mal beim Oppermann an und frage, ob ihm das gefällt - das ist ein bisschen naiv, oder?"
Bequemer Journalismus
Küppersbusch macht auch den Journalismus für das Entstehen der Fake-News-Problematik mitverantwortlich. Die Branche habe in den vergangenen Jahren Politik mit Parteipolitik verwechselt. "Die Frage: Was ist denn die Sache der Öffentlichkeit - die res publica - die haben wir uns bei den Parteien und Gremien abgeholt und nicht bei den Menschen draußen." Es sei halt gemütlicher und sicherer, parteipolitische Agenden "abzuklappern", als herauszufinden, was die Bevölkerung wolle. Es gebe eine "klare Rollen-Unentschlossenheit": "Sind Journalisten die Auftraggeber der Bevölkerung, die berichten sollen, was die Menschen wollen oder sind sie Dolmetscher, die der Bevölkerung die Politik nahebringen sollen?" Diese Unklarheit habe dazu geführt, dass eine Kluft entstanden sei, die "Rattenfänger" sich zu eigen machen könnten. "Das ist ein dunkelrotes Alarmlicht für mich."
Ann-Kathrin Büüsker: Falschinformationen im Netz zu verbreiten, ist ein Kinderspiel. Insbesondere dann, wenn ich damit den Nerv einer bestimmten Zielgruppe treffen will. So machte zum Beispiel im Januar die Geschichte die Runde, am Berliner Lageso sei ein Flüchtling gestorben, weil er beim Warten nicht richtig versorgt war - ging durch alle Medien, war aber erfunden. Oder der Fall des jungen Mädchens Lisa, die angeblich von Flüchtlingen vergewaltigt worden war. Teile der russischen Gemeinde demonstrierten daraufhin sogar vor dem Kanzleramt - auch keine wahre Geschichte. Fake News würde man heute sagen. Nachdem auch im Zuge der US-Wahl klar geworden ist, wie sehr sich die öffentliche Meinung damit beeinflussen lässt, diskutieren Medien und Politik nun rege, was man dagegen tun kann. So auch wir heute Morgen hier im Deutschlandfunk, und zwar mit dem Journalisten und Autoren Friedrich Küppersbusch. Guten Morgen!
Friedrich Küppersbusch: Hallo! Guten Morgen, Frau Büüsker.
Büüsker: Herr Küppersbusch, die Wellen in dieser Debatte, die schlagen ja inzwischen durchaus hoch. Aus der Union kommen bereits Forderungen, die Verbreitung von Fake News unter Strafe zu stellen. Ist das noch ernstzunehmen, oder auch schon so eine Art Fake?
Küppersbusch: Sie fragen, wer sich jetzt die CDU ausgedacht hat. Das würden wir alle gerne mal wissen. - Nee, da fehlt mir die Präzision, denn wer verbreitet die? Sind es einzelne Irre, die sich diese neuen digitalen Mittel der sozusagen Nachrichtennotwehr zu eigen machen, oder muss man dann doch mal mit Facebook und mit den ganzen großen Veranstaltern reden, denen man bisher Tür und Tor aufgemacht hat und gesagt hat, ja, wir haben hier zwar ein Medienrecht und eine gewisse Meinungsfreiheit, aber auch eine gewisse Verantwortung dessen, der publiziert, aber wenn ihr meint, das beschädigt euer Geschäftsmodell, dann macht mal wie ihr wollt.
"Je bescheuerter die Meldung ist, je eher kann jemand Geld verdienen"
Büüsker: Das heißt, Sie sehen hier die Plattformen durchaus in einer gewissen Pflicht?
Küppersbusch: Ja klar. Zeitungsverleger, die sagen, ist mir eigentlich Wumpe, was in meiner Zeitung steht, verklagt mich doch, das geht nach deutschem Recht nicht und da haben wir eine andere Rechtskultur und eine andere Rechtstradition, als diese Unternehmen sie mitbringen, die sagen, aber wenn ich damit Geld verdiene, ist das doch eine feine Sache. Das ist ja auch ein unterschätzter Anteil an dieser Welle von Fake News. Da wird dann schnell geheimnist, ob es jetzt dieser Geheimdienst oder jener verbrecherische Diktator ist, der seine Trolle losschickt in Trollfabriken, um Meldungen zu erfinden. Das gibt es ganz sicherlich auch, haben wir ja auch im US-Wahlkampf aus beiden Richtungen erwähnt. Aber es ist auch einfach ein Geschäftsmodell. Je bescheuerter die Meldung ist, die ich mir ausdenke - Sie haben das eben angesprochen -, das ist zwar nicht wahr, aber es wäre doch schön, wenn es wahr wäre, desto eher kann jemand Geld verdienen damit, indem er viele Leute auf seine Seite lockt, wo sie dann Werbung sehen, und damit funktioniert das Ding.
Büüsker: Aber wie genau soll das funktionieren, dass beispielsweise Facebook da einen Riegel vorschiebt? Kommen wir da nicht ganz schnell in den Bereich von Zensur?
Küppersbusch: Frau Künast konnte ja zum Beispiel nachweisen, dass seit Tagen bei Facebook ein Zitat von ihr, ein angebliches Zitat aus einer angeblichen "Süddeutschen Zeitung" weitergereicht wurde, das nicht existierte, und Facebook hat Tage gebraucht, darauf zu reagieren. Was soll umgekehrt ich denn noch mehr tun, als zu sagen, ich bin derjenige, dem das Zitat zugeschrieben wird, ich habe das nicht gesagt, Sie können mir auch nicht beweisen, dass ich es gesagt habe, nun löschen Sie es bitte. Da finde ich die Position von Facebook überkomfortabel, dass sie dann sozusagen aus der Prunkkutsche sich huldvoll herabbeugen können und dem schmutzigen Politikerchen sagen können, na gut, wollen wir mal nicht so sein, löschen wir es halt.
"Die Politik muss sich da mutiger machen"
Büüsker: Also brauchen wir hier andere Gesetze?
Küppersbusch: Ich glaube, dass dieser, ich hätte jetzt beinahe gesagt, juristischer Kuschelsex, den wir da bisher haben, dass das nicht reicht. Heiko Maas, der Innenminister, hat ja versucht, da so ein bisschen Selbstkontrolle denen nahezulegen, offenbar in der Erkenntnis, dass er juristisch keinen Hebel hat, oder dass er Schiss davor hat, dass Facebook sagt, so, liebe Millionen User in Deutschland, ihr könnt jetzt nicht mehr Nachrichten verschicken, weil der böse Heiko Maas uns so geärgert hat. Die Politik muss sich da mutiger machen, statt jetzt meinetwegen nur zu sagen, wir bestrafen dann die Leute, die da rumfaken. Klar, das ist auch nicht besonders nett.
Büüsker: Thomas Oppermann hat jetzt vorgeschlagen, im Bundestagswahlkampf solle die Politik mit Medien und Journalistenverbänden zusammenarbeiten, um Fake News aufzudecken. Wie beurteilen Sie diesen Vorschlag?
Küppersbusch: Fromm! Gerne, klar, natürlich! Aber ob jetzt ausgerechnet derjenige, der einen kritischen Kommentar oder eine kleine Gemeinheit schreibt, sagt, Mensch, da rufe ich vorher mal den Oppermann an, ob ihm das auch gefällt, das ist ein bisschen naiv, oder?
"Ist unser Auftraggeber die Bevölkerung, oder ist es eher ein Dolmetscher-Job?"
Büüsker: Aber machen wir uns als Medien denn dann nicht auch ein bisschen mit den Politikern gemein, wenn wir in dieser Sache zusammenarbeiten?
Küppersbusch: Ich finde, das verrät genau die Denke, wie wir in diese Sackgasse gekommen sind. Ich sage Ihnen ein Beispiel: Wir haben in jedem Herbst jetzt seit über zehn Jahren die Bundestagsabstimmung, Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes, und dann melden wir, mit über 70 Prozent fraktionenübergreifend und so weiter, tolle Sache, ist beschlossen. Eine Woche darauf kommt die Umfrage von Forsa, RTL und "Stern". Da steht drin, 70 Prozent der Bundesbürger sind dagegen. Und diese Dissonanz, dass wir uns ständig fragen müssen, sind wir als Journalisten diejenigen, die herausfinden, was die Menschen draußen interessiert und bewegt, und besorgen wir es den Mächtigen, berichten wir sozusagen von unten nach oben, ist unser Auftraggeber die Bevölkerung, oder ist es umgekehrt eher ein Dolmetscher-Job, die Politik will hier lang oder da lang und das verstehen die Leute nicht und deswegen werden wir es ihnen schon beibringen. Diese Unklarheit in der Journalistenbranche selber hat doch erst die Tür aufgemacht dafür, dass Leute losgehen, genau wie Sie es in Ihrer Anmoderation gesagt haben, und sagen, die Meldung stimmt zwar nicht, aber wäre doch schön, wenn, und sich die Meldung selber ausdenken.
Büüsker: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie da auch ein Versäumnis der Medien sehen?
Küppersbusch: Ja, eine klare Rollen-Unentschlossenheit, eher eine Gemütlichkeit darin, dass wir sagen, Politik ist Parteipolitik, dass wir Agenden abklappern, dass wir sagen, wenn die Partei X oder Y oder Z da im Hader drüber sind, berichten wir darüber, denn das ist letztlich sicherer und ein bisschen kommoder, als wenn wir selbst raus nach Oberhausen oder Hoyerswerda müssen, um rauszukriegen, was bewegt die Menschen da wirklich.
"Bequemlichkeit und eine Verwechslung von Parteipolitik und Politik"
Büüsker: Das hieße beim nächsten Unionsstreit, wo er das sagt und sie das sagt, lieber Finger von weg und stattdessen was berichten?
Küppersbusch: Schon mal die Frage stellen, ist das echt wichtig, was ihr euch da ausgedacht habt. Ich meine, die lesen doch auch den ganzen Tag Umfragen. Die gucken sich doch ihre Werte zum Beispiel in Sozialen Medien auch an und sagen, oh, das Thema lag mir total am Herzen, hat aber keine Sau interessiert, also lass ich es weg. Oder hier ist ein Thema, das alle aufregt, es ist total irrelevant, aber da muss ich dann dringend auch noch was zu sagen. Es ist ja vielmehr eine Themen-Handelsbörse geworden, als dass wir immer noch rückgekoppelt sagen können, ja ich weiß, das interessiert Millionen da draußen. Ich weiß, dass das auch eine wohlfeile Forderung von mir ist. Ich hätte auch keinen Bock, bei jedem Bericht, den ich mache, mal eben Pegida zu fragen, hey Leute, findet ihr das auch interessant. Aber dass ganze Bewegungen losmarschieren, die sagen, wir haben in allem eine abweichende Meinung, der Mainstream ist gegen Putin, also sind wir dafür, der Mainstream findet die Hartz-Politik prima, also sind wir dagegen, dass so eine riesige Kluft entstanden ist, in der dann Rattenfänger das sich zu eigen machen können und loslaufen können, das ist ein ganz dunkelrotes Alarmlicht für mich.
Büüsker: Und wie erklären Sie sich das Entstehen dieser Kluft?
Küppersbusch: Aus Bequemlichkeit.
Büüsker: Reine Bequemlichkeit?
Küppersbusch: Tatsächlich eine Verwechslung, wenn Sie das erlauben, zwischen Parteipolitik und Politik. Wir hatten oft die Meinung, wir haben was Politisches gemacht, wenn wir tatsächlich was Parteipolitisches gemacht haben, und wir haben uns die Frage, was ist denn die Sache der Öffentlichkeit, die "Res publica", die Information darüber haben wir uns bei Parteien und in Gremien abgeholt und weniger bei den Menschen draußen. Man darf nicht vergessen, dass zum Beispiel so etwas wie Pegida entstanden ist aus Montagsumzügen, ein Zitat natürlich der Wiedervereinigung, aber tatsächlich Montagsumzügen gegen die Hartz-Politik. Da hat man gesagt, na ja, klar, es gibt ein paar Abgehängte, es gibt das Prekariat, hat auch ein paar Stücke und Berichte darüber gemacht, hat aber nicht im Auge gehabt, dass das leider auch unsere zahlende Kundschaft als Journalisten sind.
Büüsker: Friedrich Küppersbusch, Autor und Journalist, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch!
Küppersbusch: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Populismus muss man entlarven durch Fakten und Gegenrede." Björn Staschen ist Leiter des "Next News Lab" des NDR. Im Interview spricht er über die inhaltliche Verantwortung von Facebook und über die Bedeutung von Zivilcourage im Netz.
Was können Journalisten hierzulande besser machen, um die Leser nicht an Falschmeldungen und postfaktische Online-Lektüre zu verlieren. Und was müssen IT-Konzerte unternehmen? "Ich glaube, dass Twitter und Facebook, wenn sie mit Live-Streaming Geld verdienen, auch mehr Geld investieren müssen um zu gucken, was sie da für ein Angebot machen." NDR-Journalist Björn Staschen prognostiziert, dass auch die Rundfunkordnung vor einem nachhaltigen Wandel steht: "Fest steht, dass es ungerecht ist, dass die einen vom Aufsichtsgremium kontrolliert werden, während die anderen tun und lassen können, was sie wollen."
Was können Journalisten hierzulande besser machen, um die Leser nicht an Falschmeldungen und postfaktische Online-Lektüre zu verlieren. Und was müssen IT-Konzerte unternehmen? "Ich glaube, dass Twitter und Facebook, wenn sie mit Live-Streaming Geld verdienen, auch mehr Geld investieren müssen um zu gucken, was sie da für ein Angebot machen." NDR-Journalist Björn Staschen prognostiziert, dass auch die Rundfunkordnung vor einem nachhaltigen Wandel steht: "Fest steht, dass es ungerecht ist, dass die einen vom Aufsichtsgremium kontrolliert werden, während die anderen tun und lassen können, was sie wollen."