Es geschah gestern Abend im Stadtteil Prenzlauer Berg: Zwei junge Männer mit Kippa[*] wurden auf der Straße von arabisch sprechenden Männern angegriffen und mit einem Gürtel geschlagen. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, zeigt sich schockiert:
"Es handelte sich nicht um ein muslimisch geprägtes Viertel, sondern um ein Szeneviertel, ein gut bürgerliches Viertel, Prenzlauer Berg, wo das Ganze geschehen ist. Und zwar wo ein Mensch, nur weil er eine Kippa trug, nicht nur mit Worten beleidigt, sondern auch körperlich angegriffen wurde."
Der erneute antisemitische Vorfall zeige, wie wichtig die gemeinsamen Anstrengungen von Kultusministerkonferenz und Zentralrat der Juden seien, dem Thema Judentum und Antisemitismus im Unterricht mehr Gewicht zu geben.
Neue Webseite soll Material für Lehrer bieten
Aufklärung statt Klischees und Vorurteile – das ist der Ansatz. Bereits vor zwei Jahren hatten die beiden Institutionen eine entsprechende gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Heute nun ging eine Webseite online, die Lehrern bei ihrer Unterrichtsgestaltung hilft. Josef Schuster:
"Zum einen geht es darum: Judentum darf nicht reduziert werden ausschließlich auf 1933 bis 1945. Jüdisches Leben gab es Jahrhunderte zuvor, gibt es zum Glück heute auch wieder. Aber es geht genauso darum, Lehrerinnen und Lehrer Handreichungen zu geben, wie sie im schulischen Umfeld mit Antisemitismus umgehen."
Jüdische Geschichte und Gegenwart, jüdische Religion, Antisemitismus, Israel – wer auf die einzelnen Kapitel klickt, findet ausgewähltes Unterrichtsmaterial. Außerdem enthält die Webseite Ideen für außerschulische Projekte. Helmut Holter, Kultusminister der Linken in Thüringen und derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz:
"Damit machen wir ein Angebot für Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen die Lehrer fitter machen, ihnen den Rücken stärken, dass sie einerseits das Wissen haben, andererseits Haltung zeigen können und sich sehr offensiv mit Überzeugungen von Jugendlichen auseinandersetzen können."
Länder sollen Webseite bekannt machen
Bislang wird religiöses Mobbing an Schulen nicht gesondert erfasst – das heißt, niemand kann sagen, ob es sich bei Angriffen auf jüdische Schüler um Einzelfälle oder um einen generellen Trend handelt. Helmut Holter:
"Ich bin dafür, dass wir insgesamt diese Vorfälle, religiöses Mobbing und antisemitische Äußerungen und Vorfälle, erfassen. Es geht aber nicht um die rein statische Erfassung, es geht um die Ursachenforschung und die konsequente Auseinandersetzung, Bekämpfung dieser Vorfälle. Wir müssen Ursachenforschung betreiben und Maßnahmen einleiten."
Der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster appellierte an die Schulbehörden der Länder, die heute freigeschaltete Webseite mit den Unterrichtsmaterialien bekannt zu machen. Ein weiterer Wunsch: die Themen Antisemitismus und Judentum zum verpflichtenden Teil der Lehrerausbildung zu machen.
Zur heute freigeschalteten "Kommentierten Materialsammlung zur Vermittlung des Judentums" geht es hier.
[*] Anmerkung der Redaktion: Wir haben die ursprüngliche Aussage korrigiert, weil sich nachträglich herausgestellt hat, dass die Angegriffenen keine Juden waren.