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Mathematik mal verständlich

Fachchinesisch, zu wenig Erklärungen oder einfach nicht nachvollziehbar - nicht immer können Studierende mit Lehrbüchern, die Professoren geschrieben haben, etwas anfangen. Wir verfassen unser eigenes Buch, haben sich da zwei Mathematikstudenten aus Hannover gedacht und das Ganze auch in die Tat umgesetzt. In diesen Tagen ist ihr eigenes Lehrbuch erschienen, das sich vor allem an Mathe-Erstsemester richtet: "Tutorium Analysis I und Lineare Algebra I". Von Studierenden für Studierende.

Von Susanne Schrammar |
    "Du hast da alles in mathematischer Formelsprache und das wird halt runtergerattert und du musst halt sehen, dass du es verstehst und da blickt man halt hier drauf und legt das schon zur Seite, weil man einfach erschlagen ist von dem ganzen Formelwirrwarr."

    Erstsemester Dominik Bilitewski hat eigentlich Spaß an seinem Mathematikstudium und knobelt mit Vorliebe so lange an einer Aufgabe herum, bis er auf die Lösung kommt. Doch manche Lehrbücher, die von Professoren verfasst wurden, sagt der 20-Jährige, seien einfach ziemlich schwer verständlich. So wie Dominik geht es vielen Studienbeginnern. An der Hannoverschen Leibniz-Universität liegt die Durchfallquote im Mathematikstudium nach dem ersten Semester bei satten 70 Prozent. Manche Verfasser treffen einfach nicht den richtigen Ton für jemanden, der frisch von der Schule an die Uni kommt, glaubt Florian Modler. Der 22-Jährige studiert im fünften Semester Mathematik.

    "Ja, das Problem ist einerseits, denke ich, dass die Professoren halt schon viel zu weit weg sind, weil sie halt in ganz anderen Dimensionen forschen. Das, was sie forschen, hat ja nichts mehr mit dem ersten Semester zu tun. Das ist ja dann wirklich trivial für die. Das ist der eine Grund und der andere Grund ist vielleicht auch - also, es ist jetzt nicht so, dass die Fachbücher schlecht sind, eher ganz im Gegenteil, natürlich gibt es sehr gute Fachbücher zur Analysis I und linearen Algebra I, aber das versteht man eigentlich erst im Nachhinein."

    Gemeinsam mit seinem Kommilitonen Martin Kreh hat der Mathestudent deshalb ein eigenes Lehrbuch für Erstsemester geschrieben und herausgegeben. "Tutorium Analysis I und Lineare Algebra I - Mathematik von Studenten für Studenten erklärt und kommentiert", gerade erschienen im Spektrum Verlag. Beide Verfasser arbeiten als Tutoren in ihrem Fachbereich und haben deshalb hautnah mitbekommen, wie groß die Schwierigkeiten vieler Erstsemester sind, wenn es um das Verstehen von Fachbüchern geht. Martin Kreh.

    "Wir hatten allgemein schon mal die Idee, dass wir das, was wir gelernt haben, noch mal zu reflektieren und das einfach noch mal aufzuschreiben. Einerseits für uns, um das besser zu lernen, um vielleicht auch Erstsemestern zu helfen, weil ich halt Korrektor war und Florian war Tutor im dritten Semester und da haben wir halt schon gemerkt, dass man als Student vielleicht noch ein bisschen besser erklären kann als die Dozenten und hatten dann halt die Idee, da ein Buch draus zu machen und weil Florian schon früher Kontakt hatte zum Spektrum Verlag, haben die ihn angesprochen, ob wir vielleicht ein Buch schreiben würden und so ist es dann entstanden."

    Auf 365 Seiten erklären die beiden hannoverschen Mathematikstudenten den Stoff des ersten Semesters und weisen auf mögliche Fehlerquellen hin. Und zwar nicht nur in allgemein verständlichen Worten, sondern oft so, als würden Sie einem Freund etwas verdeutlichen: In der Du-Form, mit umgangssprachlichen Ausdrücken und vor allem bieten die beiden 22-Jährigen dem Teil genügend Raum, den viele Professoren in ihren Mathematik-Werken für Anfänger vernachlässigen: die Beweisschritte und die dazugehörigen Erklärungen. Florian Modler.

    "Bei uns ist jedes Kapitel noch mal zweigeteilt, das heißt, der erste Teil beinhaltet wichtige Definitionen, Sätze und Beweise - das, was man für Prüfungen können muss auf jeden Fall. Und der zweite Teil ist dann der erklärende Teil, wo wir halt die Definitionen mit Beispielen und Abbildungen erklären, wo wir Beweisschritte noch mal genauer erläutern und all so was."

    Und das klingt dann zum Beispiel so im Buch von Studis für Studis: "Eine Monsterfunktion, bei der wir viermal die Kettenregel anwenden müssen, ist die folgende Funktion ..." oder "Puh, fertig! Übertreiben wollen wir es ja nicht." Neben Mathematikstudierenden im Vorstudium richtet sich das Buch auch an Studierende im Ingenieurwesen und an Wirtschaftswissenschaftler. Dass fachlich alles richtig ist, davon haben sich die Professoren von Florian Modler und Martin Kreh höchstpersönlich überzeugt:

    "Zuerst natürlich mal Erstaunen, dass Studenten überhaupt so was schreiben - das kam eigentlich von allen Seiten, aber ansonsten war die Reaktion durchweg positiv. Haben sich eigentlich alle für uns gefreut, dass wir das machen können."

    Ob Erstsemester mit dem Buch der beiden auch wirklich etwas anfangen können? Mathematik-Studienanfänger Dominik Bilitewski hat für Campus und Karriere die Probe aufs Exempel gemacht. Sein Urteil fällt positiv aus.

    "Auf jeden Fall ist es einmal, die Art und Weise, wie es geschrieben ist: Das sind teilweise jugendliche Formulierungen, da ist auch manchmal noch ein Smiley drin oder eine kleine Anmerkung vom Autor. Dann Versprachlichungen, dann kommt eine bildliche Anschauung mit Diagrammen und so weiter, damit man sich das auch vorstellen kann. Und auch Beispiele, die durchgerechnet werden dazu. Man liest das einfach und muss nicht alle vier, fünf Zeilen warten und überlegen, was meint der denn eigentlich? Man versteht es einfach."

    Und für den Fall, dass man mal doch irgendwas nicht versteht, haben die beiden Mathestudierenden noch ein Internetforum zum Buch eingerichtet: unter www.mathestudium-tutor.de können Leser Anmerkungen machen und Fragen stellen.