Tore schießen ist wie Sechser würfeln. Zumindest von der Wahrscheinlichkeit her. Denn im Schnitt gehen pro Spiel 18 Schüsse aufs Tor und jeder sechste Schuss geht rein – also einer von sechs. Genau so hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass beim Würfeln eine Sechs kommt – erklärt der Mathe-Professor Matthias Ludwig den Zehntklässlern am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Frankfurt.
Jeweils in Zweier-Teams würfeln die Schüler gegeneinander. Auf einer Tabelle soll jeder für sich eintragen, wie oft die Zahl gefallen ist, die er sich vorher überlegt hat. Die dahinter stehende Idee erklärt der Mathe-Didaktiker so:
"In dieser Klasse habe ich vor, das einfache Modell einzuführen, mit dem man ausrechnen kann, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass zwei gleich gute Mannschaften gegeneinander gewinnen oder unentschieden spielen. Das ist deswegen interessant, weil als Nächstes Deutschland gegen Frankreich spielt und die sind doch ziemlich gleich. Und man wird gleich sehen, wie man so ein Modell aufbauen kann. Da spielt eine Rolle die Anzahl der Torschüsse, die geschossenen Tore und wie das alles in einem Modell eingebaut werden kann"
Deutschland unterliegt Frankreich
Und diese Zahlen und Daten schreibt Mathe-Didaktiker Ludwig für die Klasse an die Tafel. Anhand der Siege und Niederlagen vergangener Spiele berechnet er, dass Deutschland im Viertelfinale mit einer Wahrscheinlichkeit von 62 Prozent von Frankreich besiegt wird. Rechnet man die FIFA-Punktzahl in das Modell ein, dann wird Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit das Viertelfinale gewinnen. Mathe-Unterricht ganz anschaulich mit Daten aus dem richtigen Leben. Das finden die Schüler gut.
"Ist mal ne schöne Abwechslung zu dem Matheunterricht wie wir ihn sonst immer haben."
Und auch Mathe-Lehrer Jürgen Diefenbach ist von der Modellrechnung am praktischen Beispiel begeistert.
"Super, es macht den Kindern Spaß, das ist Mathe live. Das was er gerade erklärt ist Stochastik und das kann man super mit den Schülern machen, das Problem ist nur, es ist zeitaufwendig und deshalb kann man so was nicht immer machen aber jetzt machts den Kindern wahrscheinlich Spaß."
Und genau das ist das Ziel von Matthias Ludwig: Er will die Schüler für das oft ungeliebte Fach Mathematik begeistern.
"Es geht darum, mit diesen sehr motivierenden Daten Mathematik zu betreiben und den Schülern zu zeigen, dass man auch mit realen Daten Mathematik betreiben kann."
"So, jetzt wird's ein bisschen komplizierter hier ..."
Die WM tausend Mal durchspielen
Um den wahrscheinlichen WM-Sieger zu ermitteln, müssen die Zehntklässler nicht stundenlang würfeln, denn hier kommt das Prognose-Modell ins Spiel, das Didaktik-Professor Matthias Ludwig mit Unterstützung der "Stiftung Rechnen" entwickelt hat. Es ist auf der Seite Fußballmathe.de für jedermann zugänglich und auch ohne Stochastik-Kenntnisse zu bedienen, denn das Rechnen übernimmt der Computer.
"Jetzt spiel ich einmal die WM durch. So, leider so wie es aussieht hat Frankreich uns besiegt. Im Elfmeterschießen sind sie dann gegen Brasilien ausgeschieden und Holland wird Weltmeister. Aber jetzt haben wir nur einmal gespielt, das ist genau der Effekt, dann kann auch Kolumbien Weltmeister werden, aber eben nur einmal. Und wir müssen ja das Gesetz der großen Zahlen berücksichtigen, deshalb haben wir das Modell so entwickelt, dass man die WM tausend Mal durchspielen kann."
Dann sieht die Sache allerdings auch nicht viel besser aus für Deutschland: Dann nämlich ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass Brasilien die WM gewinnt zu 25 Prozent. Allerdings: Bestimmte sogenannte menschliche Faktoren beachtet das Modell nicht und deshalb glaubt der 15-jährige Enrico auch nicht, dass das Modell mit dieser Prognose recht hat.
"Ehrlich gesagt nein, weil ob eine Mannschaft gewinnt hängt auch immer davon ab, wie eine Mannschaft in Form ist. Ich glaube das ist schwer, es auszurechnen."