Schritt für Schritt, wie in einem Rezept, so kombiniert Ada Lovelace 1843 in Tabellenform Maschinenbefehle zu einem komplexen Programm - und schreibt damit Computergeschichte. Es ist der erste Algorithmus der Welt, der eine mechanische Rechenmaschine instruiert, ein Ergebnis zu liefern, das nicht von einem Menschen im Vorfeld schon errechnet worden wäre. Das Porträt der jungen Mathematikerin wird später die Foyers zahlreicher Informatikfakultäten zieren - als Pionierin des Programmierens und Visionärin des Computerzeitalters.
"Der Grund dafür ist, dass sie als erster Mensch auf der ganzen Welt erkannt hat, was ein Computer eines Tages alles wird leisten können."
Babbages "Zahlenzauberin"
So Graham Horton, Informatikprofessor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Augusta Ada Byron King wurde am 10. Dezember 1815 in London als Tochter des berühmten romantischen Dichters Lord Byron und einer Aristokratin geboren. Bereits einen Monat nach ihrer Geburt war die Ehe der Eltern zerrüttet. Wegen seiner skandalumwitterten Affären verließ die Baroness den Poeten, Byron stürzte sich in Reiseabenteuer und sah Ada nie wieder. Besorgt, ihre Tochter könnte den exzentrischen Charakter des Vaters geerbt haben, verordnete die Mutter als Gegenmittel strenge naturwissenschaftliche Kost durch Hauslehrer. 1833 nahm Ada Kontakt zu Charles Babbage auf, der an den Konstruktionszeichnungen einer "Analytical Engine" tüftelte.
"Wir wissen, dass Ada Lovelace diese Zeichnungen mit 17 Jahren etwa kennengelernt hat, weil sie Babbage besucht hatte, und dass sie nur aufgrund von diesen Zeichnungen erkannte, dass es eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten geben würde, würde man diese Maschine bauen."
Groß wie eine Lokomotive, zusammengesetzt aus über 50.000 Teilen und von einer Dampfmaschine angetrieben, so sollte der Rechenapparat den Plänen zufolge aussehen.
"Die Analytical Engine war ein Computer im modernen Sinne, weil man ihr ein Programm geben konnte in Form von Lochkarten."
Der Mathematik-Professor und Erfinder Babbage und die 25 Jahre jüngere Ada, seine "Zahlenzauberin", wie er sie nannte, wurden schnell enge Verbündete. Mit 19 heiratete Ada William King, Earl of Lovelace, und brachte drei Kinder zur Welt. Doch in der Mutterrolle ging sie nicht auf. 1842 übersetzte sie eine französische Abhandlung über Babbages Maschinenkonzept ins Englische und wurde von ihm ermutigt, eigene Gedanken einfließen zu lassen.
"Der analytische Automat hat keine Gemeinsamkeit mit schlichten Rechenmaschinen. Er ist einmalig, und die Möglichkeiten, die er andeutet, sind höchst interessant."
Schrieb sie in einer ihrer Notizen. Ada Lovelace erkannte, dass sich die Maschine nicht nur für numerische Berechnungen eignete, wie Babbage seine Konstruktion einzig verstand, sondern für unzählige Fragestellungen. Sie begriff, dass die Welt voller mathematischer Muster steckt, die sich ebenfalls damit berechnen lassen würden. Die gewaltige Flexibilität eines modernen Computers eröffnete sich ihr.
"Die Analytical Engine könnte auf andere Dinge als Zahlen angewandt werden, wenn man Objekte finden könnte, deren Wechselwirkungen durch die abstrakte Wissenschaft der Operationen dargestellt werden können und die sich für die Bearbeitung durch die Anweisungen und Mechanismen des Gerätes eignen."
Tod mit nur 36 Jahren
Lovelace sah, dass die Maschine auch Bilder verarbeiten und Buchstaben zu Texten kombinieren könnte. Und wo Babbage nur an Zahlen dachte, erblickte die passionierte Harfenspielerin auch die Musik.
"Würde man beispielsweise die grundlegenden Beziehungen von Tönen gemäß der Regeln der Harmonie und der Komposition auf diese Weise beschreiben lassen, könnte die Maschine komplizierte, wissenschaftliche Musikstücke beliebiger Komplexität oder Länge komponieren."
Ada Lovelace starb am 27. November 1852 mit nur 36 Jahren an Krebs. Auf ihren Wunsch hin wurde sie in der Familiengruft der Byrons neben ihrem im selben Alter verstorbenen Vater bestattet. Die Analytical Engine wurde mangels Geldgeber nie gebaut und Adas Notizen gerieten in Vergessenheit. Sie wurden erst 100 Jahre später wiederentdeckt von Alan Turing, dem Informatikpionier des modernen Computerzeitalters.
Die Umsetzung ihrer Vision in der Musik sollte noch länger dauern. Sie gelang erst 2010 an der Universität in Málaga, Komponist war der Superrechner IAMUS.