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Mathijs Deen: "Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas"
"Menschen in Europa können sich nicht aus dem Weg gehen"

In seinem Buch "Über alte Wege" schärft der niederländische Autor Mathijs Deen unseren Blick für die alten Wege und großen transnationalen Straßen Europas. Er nähert sich dem Geist dieses Kontinents, indem er die Lebenswege von Glückssuchern, Pilgern, Soldaten, Emigranten und Vertriebenen verfolgt.

Mathijs Deen im Gespräch mit Angela Gutzeit |
Zu sehen ist der Autor Mathijs Deen und das Cover seines Buches "Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas."
Auf der Spur von Reise- und Fluchtwegen quer durch Europa (Autorenfoto: Merlijn Doomernik/ Buchcover: DuMont)
Mathijs Deen ist bei uns eher noch ein unbekannter Name. Das könnte sich nun ändern. In diesem Frühjahr liegen gleich zwei Bücher des preisgekrönten niederländischen Schriftstellers und Radiojournalisten in deutscher Übersetzung vor: Der Roman "Unter den Menschen" und - pünktlich zur Europawahl - das Sachbuch "Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas".
Wobei die Genrebezeichnung 'Sachbuch' nicht ganz zutreffend ist. Mathijs Deen führt die Leser in elf Kapiteln über alte Wege und transnationale Verbindungsstraßen, indem er Schicksale und Reisewege von Menschen, deren Spuren sich weitgehend in der Geschichte verloren haben, nachzeichnet, aber auch phantasievoll ausschmückt.
Unbekannte Schicksale
Eine Form, erläutert Deen im Dlf, die ihm mehr Freiheit zum Erzählen lasse. Aber auch "gerade dadurch, dass diese Menschen dem Leser unbekannt seien, so Deen, "wird der Blick stärker auf die Reise gelenkt." Und so schlägt der Autor den Bogen von der Besiedlung des Kontinents durch die ersten Europäer vor mehr als 800.000 Jahren bis zu einem marokkanischen Remigranten im Jahre 2016.
Dazwischen finden sich Geschichten über den Straßenräuber Bulla, der im Jahre 207 auf den Wegen zwischen Byzanz und Rom sein Unwesen trieb. Über Jakob Barocas, einem Nachkommen zwangskonvertierter Juden des 17. Jahrhunderts, der vor der spanischen Inquisition nach Frankreich flüchtete. Oder die bewegende Geschichte des niederländischen Rekruten Coenraad Nell, der im napoleonischen Krieg gegen Russland 1812 zu Fuß von Wassenaar bis Smolensk geschickt wurde.
Sackgasse Europa
Auf die Frage, was denn für ihn als Autor die Erkenntnis sei aus diesen teils erzwungenen, teils freiwilligen Wanderungsbewegungen und Reisegeschichten, meinte Mathijs Deen: "Typisch für Europa ist, glaube ich, dass wir auf einer Halbinsel wohnen – ein Endpunkt, eine Sackgasse. Menschen konnten sich hier nicht aus dem Wege gehen. Viele verschiedene Gruppen haben hier Heimat gefunden." Aber Reisen bedeutete für sie sehr bald, "dass sie am Hof des Nachbarn ankamen. Was nur gut endete, wenn es ein Verständnis oder ein höheres Ideal gab, dass sie mit diesen Nachbarn teilten." Eine zeitlose Erfahrung.
Mit der Ente auf der E8
Den Anstoß für das Buch "Über alte Wege", so der 1962 in Hengelo geborene Autor, gehe auf eine Kindheitserinnerung zurück. Damals sei er oft mit seinen Eltern in der Familien-Ente auf dem Weg zu den Großeltern auf der E8 unterwegs gewesen, auf einer Route, die von London bis nach Moskau führt. Als Kind sei er sich dieser transnationalen Verbindung nicht bewusst gewesen. Heute frage er sich, warum Europa nicht auch so einen Mythos habe wie die Route 66 in den USA. "Get your kicks on the E8!" Das höre sich vielleicht lächerlich an. "Aber warum?"
Europa, so meinte Mathijs Deen abschließend, blicke auf eine Geschichte der Zerstörungen zurück, verfüge jedoch auch über ein reiches Erbe, dass es zu bewahren gelte.
Mathijs Deen: "Über alte Wege. Eine Reise durch die Geschichte Europas."
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
DuMont Buchverlag, Köln. 416 Seiten, 24 Euro.