Allein die Bilder von "Monstress" sind überwältigend: Die gesamten Hintergründe sind reich verziert - oft mit Ornamenten, die dem Jugendstil entliehen sind. Selbst die Bäume im Wald wachsen als wären sie Jugendstilmuster. Und die Uniformen und Kleider sind so prachtvoll als wären sie für einen Kostümfilm entworfen worden. Nur ganz selten ist ein Comic durchweg so aufwendig gestaltet, wie sein Cover. In "Monstress" geht es um die junge Maika Halbwolf, deren geliebte Mutter starb, als sie noch ein Kind war. Zu allem Unglück hat Maika nur noch einen Arm. Und ein einäugiges, vielarmiges Monster bewohnt ihren Körper.
"Du hältst mich nicht auf. Du hast keine Macht über mich. Ich bin ein Gott" - "Darauf geschissen. Wenn Du so gottgleich bist, warum zur Hölle lebst Du dann in mir?"
Suche führt zu eigenen Verletzungen
Maika hat nur ein Ziel: Herausfinden, warum die Mutter gestorben ist. Allein das bringt viele Verwicklungen. Menschen mit Macht wollen die Suche verhindern - und alles, was Maika anfängt, scheint von Anderen für deren eigene Zwecke genutzt zu werden. Dann begreift Maika, dass nicht der Tod der Mutter wichtig ist, sondern deren Leben. Das führt Maika immer mehr zu ihren eigenen Verletzungen.
"Der Füller, ich könnte jemandem damit in die Augen oder den Hals stechen."
Maika erinnert sich, wie sie als kleines Mädchen auf dem Schreibtisch ihrer Mutter sitzt und die von ihr wissen will, womit sie einen Menschen töten würde. Maikas Blick fällt auf den Briefbeschwerer: "Damit könnte ich ein Gesicht zerschmettern. Einen Schädel spalten, das Hirn einschlagen."
Das Personal fast komplett weiblich besetzt
Es war die eigene Mutter, die die dunklen Seiten in Maika geweckt hat - um sie stark zu machen - und weil die Mutter wollte, das Maika eine Herrscherin wird. Diese Fantasy-Welt ist voll von persönlicher Niedertracht, Krieg und erbarmungswürdigen Flüchtlingslagern. Der Kontrast zwischen diesem Schrecken und den wunderschön strahlenden Bildern von Sana Takeda macht einen Reiz dieses Comics aus.
Ein anderer: Marjorie Liu hat das Personal fast komplett weiblich besetzt. Selbst Tiger in Uniform und ein alter Haifisch sind weiblich, ebenso das menschliche Fuchskind und die Katze, die zu Maikas Gefährtinnen werden. Das ist überraschend erfrischend, auch weil in Fantasy-Comics bis heute vor allem leicht bekleidete, dralle Schönheiten von muskelbepackten Männern gerettet werden. "Monstress" verzichtet auf solche Stereotype und überlässt den Frauen die Initiative - wem auch sonst.
Spannender Genremix
"Ich dachte, wir wären allein hier" - "Ist wahre Einsamkeit überhaupt möglich?"
So vertraut unterhalten sich Maika und ihr Monster, als sie in einer geheimen Unterwelt auf eine Horde von Bestien mit Kettensägen treffen. Maikas Monster richtet nicht nur furchtbares Unheil an, wenn es in seinem Hunger schon mal Gefährten von Maika verspeist. Es kämpft auch gut und rettet Maika mitunter, wenn sie selbst gerade schwächelt. Die Unterhaltung zwischen den beiden ist jedenfalls immer wieder voller Komik.
Tatsächlich ist die ganze "Monstress"-Serie ein spannender Genremix aus Fantasy-Abenteuer, Splatter-Orgie, Comedy und Superheldinnencomic. Dabei ist die Person Maika Halbwolf so verwirrt und gebrochen, wie das heutzutage für Superhelden üblich ist. Es gibt jedenfalls Nichts, wonach eine Heldin oder eine Nation streben kann. Denn alles, was Aufstieg bringt, führt auch zu Niedergang - zumindest wenn die Macht der Aufstrebenden nicht kontrolliert wird. So behauptet es ein Lehrsatz der Katzen-Population.
"Was einst passierte, wird wieder passieren - nur in einer anderen Form. Um die Zukunft vorherzusehen, muss man lediglich die Geschichte studieren."
Ob die Katzen mit ihrer eigenen Macht weiser umgehen, darf nach der Lektüre von "Monstress" Band drei bezweifelt werden. So spannend, vielschichtig und wunderschön wie in dieser Comic-Serie war Fantasy noch nie.
Marjorie Liu, Sana Takeda: "Monstress 3 - Die Zuflucht"
Cross Cult Verlag Ludwigsburg, 2018. 192 Seiten, 15 Euro.
Cross Cult Verlag Ludwigsburg, 2018. 192 Seiten, 15 Euro.