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Matthew D. Rose: Die ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin

Nach der sogenannten Reform-Rede des sozialdemokratischen Kanzlers titelte die Berliner TAZ: Deutschlands neue Hoffnung: Alte, Kranke, Arbeitslose und spielte so darauf an, dass die sogenannten Reformen offenbar weitgehend in drastischen Sparmaßnahmen auf Kosten dieser ohnehin nicht verwöhnten Klientel bestehen sollen. Die Haushalte sind leer, die Alimentierung der aus dem Arbeitsprozess Herausgeworfenen kostet viel Geld, das in Zeiten, in denen große Unternehmen oft überhaupt keine Steuern mehr bezahlen, nicht vorhanden ist. Aber nicht immer ist eine städtische Pleite nur auf die Ausgaben für die Mühseligen und Beladenen zurückzuführen. In Berlin z.B. ist es einer Clique von ohnehin Gutbetuchten gelungen, sich auf Kosten der Steuerzahler noch weiter zu bereichern. In Finanzkreisen nennt man so etwas geschlossenen Immobilienfonds, wenn es - wie im vorliegenden Fall - spektakulär platzt, heißt es Berliner Bankskandal. Wie das genau funktioniert und wer beteiligt war, davon berichtet jetzt detailliert das Buch des Journalisten Matthew D. Rose 'Eine ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin’.

Albrecht Kieser |
    Ein geschlossener Immobilienfonds ist eine feine Sache. Wer genug Geld hat, zahlt 50.000 Euro, 100.000 oder mehr in den Fond ein, lässt das Geld dort 15 oder 20 Jahre liegen und erhält dafür jährlich die vertraglich zugesicherten 5, 10 oder 15 Prozent Zinsen. Klappt das Zinsgeschäft nicht so ganz, ist das zwar ärgerlich, aber auch kein Beinbruch. Denn der Trick bei den geschlossenen Immobilienfonds ist, dass die Anteilseigner ihr eingezahltes Geld als Verlustzuweisung von der Steuer absetzen können. Meist zu 100 Prozent, bei manchen Fonds sogar zu 150 oder 200 Prozent. Soll heißen: Wer 100.000 Euro in einen solchen Fond einbringt – unter dieser Größenordnung läuft meistens sowieso nichts –, kann zumindest diese 100.000 Euro von seiner Steuerschuld absetzen. Hübsch, wie gesagt, wenn man zu den Gutbetuchten zählt.

    Nun haben diese Fonds allerdings auch einen Pferdefuß: Es gibt unter den Anbietern jede Menge schwarze Schafe. Man könnte auch sagen: Betrüger. Sie zahlen die vereinbarten Zinsen nicht, sondern gehen mit dem eingesackten Geld pleite und setzen sich ab. Solche betrügerischen Geschäftemacher werden vom Staat geradezu begünstigt, weil geschlossene Immobilienfonds – im Unterschied zu den offenen – keiner ständigen staatlichen Aufsicht unterliegen. Dass der Staat solche Fonds dennoch mit Steuern in Millionenhöhe beschenkt, gehört zu den Normalsterblichen schwer verständlichen Eigenarten der im Kapitalismus geltenden "Steuergerechtigkeit".

    Keine Aufsicht, viele schwarze Schafe – das mag die Vorteile dieser Art von Geldanlage mitunter völlig aufheben. Ein Grund, warum seriöse Finanzmakler zu dem Urteil gelangen, wer sich auf so etwas einließe, dem sei wirklich nicht mehr zu helfen.

    Doch, doch, ihm ist zu helfen. Jedenfalls, wenn er sich an den geschlossenen Immobilienfonds beteiligen durfte, die die Berliner Bankgesellschaft in den 90er Jahren in Milliardenhöhe aufgelegt hat und die schließlich zur Pleite nicht nur dieser Bank, sondern zur Pleite von Berlin geführt haben. Denn die Bank, die diese Fonds zu hohen Garantierenditen unters noch höhere Volk gebracht hat, ist in öffentlicher Hand, und diese Hand hat sich bereiterklärt, ins Steuersäckel zu greifen, wenn die Bank die garantierten Zinsen nicht mehr überweisen kann. Es haftet also der Steuerzahler mit seinem an den Staat abgeführten, oft sauer verdienten Geld, das quasi ohne Umschweife an die Anleger überwiesen wird. Anschließend ist der Steuerzahler dann noch einmal der Gelackmeierte, weil keine Steuergroschen mehr fürs Schwimmbad, das Theater oder die Schule da sind und er vor geschlossener Tür steht und die Schulbücher seiner Kinder selber zahlen muss.

    Wie das alles im einzelnen abgelaufen ist, wer genau die krummen Geschäfte eingefädelt hat, wer profitiert hat und warum bis heute niemand den Augiasstall ausmistet – davon berichtet das Buch von Mathew D. Rose. Rose ist Journalist, arbeitet für den Spiegel, das Handelsblatt, für Fernsehmagazine wie Monitor und Kontraste. Der Mann kennt sich aus im Berliner Sumpf, er hat bereits 1997 ein Buch mit dem Titel "Berlin – Hauptstadt von Filz und Korruption” verfasst und ist ein von der Berliner Oligarchie gehasster Journalist.

    Zumindest spricht es nicht für Zuneigung, wenn die Fernsehdirektorin des SFB, des "Sender Freies Berlin", den Vorbericht zum ersten Filmbeitrag von Mathew D. Rose über den Berliner Bankenskandal eigenhändig aus dem Programm nimmt. Und den Filmbeitrag selbst, der für die Sendereihe Kontraste produziert war, obendrein verhindern will: Noch während der Abnahme des Films baute sich CDU-Mitglied Barbara Groth im Schneideraum des SFB auf, um grundlegende Änderungen zu erzwingen. Lag ihr Engagement darin begründet, dass ihr früherer Ehegatte Klaus Groth war, ein bekannter Berliner Baulöwe und millionenschwerer Profiteur unsauberer Machenschaften auf Kosten der Stadt, darüber hinaus Kreditnehmer bei der Berliner Bankgesellschaft mit mehr als einer Milliarde Euro? Nun, Frau Groth hat den Film nicht ändern noch verhindern können, und das Buch ist auch seit kurzem auf dem Markt. Aber es besteht die Gefahr, dass es, zumindest in Berlin, ebenso totgeschwiegen wird wie sein Vorgänger. Enthüllungen, die zeigen, dass eben nicht nur Baulöwen, sondern auch Mediengewaltige, Politiker, Staatsanwälte, Richter und zahlreiche Banker zu den Profiteuren derartig windiger Geschäfte gehören, haben gewisse Verbreitungsprobleme.

    Dabei lesen sich die Enthüllungen des neuen Buches von Mathew D. Rose spannend, ja schockierend, wird doch nach und nach das ganze Ausmaß an Raffgier deutlich, von der die Hauptakteure der Berliner "Ehrenwerten Gesellschaft" angetrieben werden. Ebenso schockierend allerdings, dass diese von keinerlei gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl angekränkelte Raffgier von den Nutznießern des Fondsgeschäfts aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung geteilt wird. Und, sobald sein krimineller Kern offen zutage tritt, dieser mit großer Energie wieder verdeckt und geleugnet wird. Es sind immerhin 13 Milliarden Euro, die die Berliner Bankgesellschaft in ihren geschlossenen Immobilienfonds eingesammelt und zum guten Teil als problematische Kredite an konkursverdächtige Bauunternehmer wieder ausgegeben hat. Aufgrund der vertraglichen Zusicherung, die Einlagen nach Fristablauf wieder zurückzukaufen und während der vereinbarten Laufzeit von meist 25 Jahren eine jährliche Rendite von sieben Prozent auszuschütten, sind bis zum Jahr 2015 etwa 25 Milliarden Euro an die Anleger fällig. Da die Bank aber pleite ist und die Immobilien in ihrer großen Mehrzahl schlichter Schrott – wie sich ein Insider ausdrückte: überbewertet, untervermietet, sanierungsbedürftig –, steht diesen 25 Milliarden Euro keinerlei realer Gegenwert gegenüber. Die unerfüllbaren Zinsversprechen wären damit eigentlich das Risikoproblem der Anleger. Doch soll in diesem Falle das Geld vom Berliner Haushalt aufgebracht werden. Für 21,6 Milliarden Euro will der Senat bürgen. Dazu hat er sich – einmalig in der Geschichte dieser Fondsvermarktung – zuerst mit der Mehrheit der rot-grünen, dann der rot-roten Koalition bereit erklärt; die CDU war in beiden Fällen dafür.

    Dass die amtlichen Prüfinstitutionen, hier besonders das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, auf ganzer Linie versagten, verwundert schon kaum noch. Trotz der immer wackliger werdenden Bilanz der Berliner Bankgesellschaft griff niemand ein. Ein Wirtschaftsprüfer, der dem Institut verheerende Fehler nachwies, wurde kaltgestellt, andere kritische Prüfungsberichte wurden schlicht nicht zur Kenntnis genommen, Mitarbeiter der Bank, die sich gegen ungesetzliche Praktiken des Bankvorstands verwahrten, wurden fristlos gekündigt – für Mathew D. Rose neben dem Umfang des Betrugsgeschäfts Gründe, um den Berliner Bankenskandal gleichberechtigt neben den US-amerikanischen Enron-Skandal zu stellen. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass Enron zusammengebrochen ist und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. In Berlin kassiert die "Ehrenwerte Gesellschaft" munter weiter, deckt in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gemeinsam die Ursachen zu und verfügt zudem über eine Staatsanwaltschaft, die die Finger von ungehörigen Ermittlungen gegen die ehrenwerten Mitglieder diese ehrenwerten Gesellschaft lässt.

    Das Buch von Rose ist jedem zu empfehlen, der sich mit larmoyanter Politikerschelte nicht zufrieden geben will, sondern ganz genau wissen möchte, wie Geld und Macht Hand in Hand den Standort Deutschland für sich attraktiv erhalten.

    'Eine ehrenwerte Gesellschaft. Die Bankgesellschaft Berlin’ von Matthew D. Rose. Das Buch ist bei Transit erschienen, hat 232 Seiten und kostet 16.80 Euro.