"Man muss mit den Songs anfangen. Es hat noch nie ein schlechtes Album mit zehn guten Songs gegeben. Es ist nicht wichtig, ob jemand Klavier spielt oder das größte Budget der Welt hat. Es zählt auch nicht, ob man einen guten Auftritt abliefert, wie oder wo ein Album aufgenommen wurde. Wenn es aber zehn gute Songs auf das Album geschafft haben, dann ist es ein gutes Album."
Dunkler Vollbart, lange Haare - Brillenträger Matthew E. White ist so ein typisch gemütlicher Mensch. Das passt auch zu seiner Heimatstadt Richmond, im Bundesstaat Virginia. Es ist ein beschauliches Städtchen. Die Menschen leben in ihrer kleinen, Welt. Hier hat White vor drei Jahren sein Debütalbum "Big Inner" eingespielt.
"Das Tolle an Richmond sind die vielen Künstler, Kreativen und die kulturelle Energie im Verhältnis zur Größe der Stadt. Es gibt dort pro Quadratmeter viel mehr Kultur als an den meisten anderen Orten. Und weil die Stadt so klein ist, kann man viel größere Sachen machen."
Dichte an analogen Instrumenten
Eine dieser "großen Sachen" ist das Spacebomb Records Label von White. Entstanden aus der Idee heraus, Musikerinnen und Musiker aus seiner Umgebung in den Aufnahmeprozess zu integrieren. Diese Freunde besaßen so gute musikalische Fähigkeiten, dass bereits sechs Veröffentlichungen zu verzeichnen sind. Darunter auch die Songwriterin Natalie Prass, die für ihr Debüt gerade sehr gelobt wird. White hat auf ihrem Album mitgespielt. Auffallend bei dem gesamten Repertoire ist die Dichte an analogen Instrumenten in den Arrangements. White selber bettet bei seinen Stücken den Gesang darauf wie ein Schiff, das sicher über den Ozean der Gefühle schwimmt.
"Der Gesang passt zu meiner Persönlichkeit so gut, weil er entspannt und ruhig klingt. Er ist nicht unbedingt dynamisch und es gibt keine Hochs und Tiefs. Das sieht man auch in meinen Texten, die davon handeln, woher ich komme. Da gibt es also eine angenehme Verbindung, wie ich bin, worüber ich schreibe und wie ich es singe."
Geschichten über harte Themen
Mit seiner weichen Stimme erzählt White Geschichten über harte Themen: Es geht unter anderem um sexuelle Misshandlung in der Kirche, den Selbstmord einer Bekannten und den Tod des Schauspielers Philip Seymour Hoffman. Klassische Liebeslieder finden genauso ihren Platz. Dabei benutzt er bewusst einfache Sätze, die sich einprägen.
"Ich liebe Phrasen. Wenn man sich die Texte genauer anschaut, dann findet man einige dieser Phrasen. Sie sind allgemeingültig, tragen aber auch eine Art Poesie in sich."
Titel wie "Feeling Good Is Good Enough", "Holy Moly" oder "Take Care My Baby" sind einprägsam. Sie verleihen dem Album trotz inhaltlicher Schwere eine lässige Leichtigkeit. Das Stück "Rock'n'Roll is cold" ist ein weiteres gutes Beispiel dafür.
"Als Bewegung hat Rock'n'Roll ausgedient. Er ist vorbei. Er ist 65 Jahre alt und altert nicht unbedingt mit Würde. Ihm werden Codes auferlegt, die immer jedes Genre herausfordern. Es gibt Leute oder Bücher und Universitäten, die in seinem Namen sprechen und über ihn lehren und reden. Wann immer man ein Genre mit Codes zumauern und strukturieren muss, nimmt man dem Ganzen die Magie. Das sieht man im Grunde genommen bei jedem existierenden Genre."
Melange von Einflüssen
Das Genre, in dem sich Matthew E. White, mit seiner Musik am wohlsten fühlt, ist der Singer-Songwriter-Soul, angereichert mit Hintergrundsängern und Streichern. Der teilweise orchestrale Sound erinnert manchmal an große Popalben oder Gospel aus den 70ern. Mit der Melange aus all diesen Einflüssen gelingt dem Amerikaner ein würdiger Nachfolger seines Debüts. "Fresh Blood" schüttelt alte Erinnerungen ab und lässt trotzdem mit seinem Sound Vergangenes aufleben. Für Matthew E. White ganz normal.
"Das ist nicht einzigartig für mich. Jeder schreibt doch Alben, die auf dem basieren, was man gehört hat. Jeder schreibt aus einer Tradition heraus. Wenn es da Fragen zu geben sollte, dann bitte andere als: 'Du bist von der Vergangenheit inspiriert. Erzähl' mal!' Das ist doch bei jedem so."