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Matthias Dell
Impressums-Bingo

Zeitungen aus der Heimat "liest man im Urlaub viel mehr und intensiver, alles ist plötzlich interessant". Unser Kolumnist Matthias Dell nutzt auch gerne das Impressum zum Spielen mit den Kindern.

Von Matthias Dell |
    Bildnummer: 53744063 Datum: 20.11.2009 Copyright: imago/imagebroker Touristen lesen Zeitung im Toten Meer bei Suwaymah, Jordanien
    Im Urlaub hat man Ruhe zum Zeitung lesen. (imago stock&people)
    Urlaub ist die Zeit, in der das normale Leben Pause macht. Man ist den Anforderungen fern, die einen sonst auf Trab halten, und hat Zeit für Dinge, die im Alltag zu kurz kommen. Lesen zum Beispiel. Bücher, dicke Bücher, aber auch Zeitungen. Denn zu den schönen Effekten des Urlaubs gehört, dass von den heimatlichen Zeitungen ein eigenartiger Reiz ausgeht.
    Zarter Kontakt zum Zuhause
    Einerseits sind die Zeitungen zwar Botschafter des Alltags, dem man doch gerade entflohen ist. Andererseits ermöglichen sie aber einen zarten Kontakt zum Zuhause: Wenn man schon abgeschnitten ist von den Gesprächen und Informationen, die einen sonst umgeben, und wenn man die mediale Situation in dem Land, in dem man zu Gast ist, nicht versteht, dann gibt einem die deutsche Zeitung in der Ferne das wohlige Gefühl, nicht ganz aus der Welt zu sein.
    Zumindest war das in vordigitalen Zeiten so. Mein Kollege Michael Angele, Autor des Buchs "Der letzte Zeitungsleser", hat über diese merkwürdige Attraktion geschrieben: über Thomas Bernhard, der 350 Kilometer gefahren sein soll auf der Suche nach einer NZZ. Ich selbst kann mich an Wege im Ausland erinnern, die ich extra wegen heimatlicher Zeitungen gemacht habe; an Glücksgefühle, welche zu entdecken; an Kompromisse, die ich zu Hause nie eingegangen wäre, nur um etwas Gedrucktes, halbwegs Aktuelles in der Hand zu halten.
    Ziemlich sicher ist diese Kulturpraxis den Kindern des Digitalen nicht mehr vermittelbar. Aber sie funktioniert für die Zeitungsabo-Generation durchaus noch. Weil Urlaub heute eben auch heißen kann, eine Zeitlang Ruhe vor den digitalen Bekannten aus den Twitter-Bubbles und Facebook-Timelines zu haben und nicht den ganzen Tag auf Bildschirme zu gucken.
    Das Impressum-Spiel
    Außerdem hat die Zeitung viele Vorteile: Man kann sie lesen, und zwar mehrere Leute zur gleichen Zeit. Vor allem aber, und das gehört auch zu der merkwürdigen Attraktion, liest man im Urlaub viel mehr und intensiver, alles ist plötzlich interessant. Selbst das Impressum.
    Was es da allein für verschiedene Bezeichnungen gibt. "Die Zeit" hat etwa eine siebenköpfige Chefredaktion, die unterstützt wird von neun weiteren Leuten oberhalb der eigentlichen Redaktion - drei Chefs vom Dienst, eine Textchefin, ein geschäftsführender Redakteur, ein Internationaler Korrespondent, ein Leitender Redakteur und zwei Redakteure für besondere Aufgaben. Obwohl ich in dieser Branche arbeite, könnte ich Ihnen nicht genau sagen, was die im Einzelnen machen.
    Man kann sich mit dem Impressum aber auch lustige Spiele ausdenken. Zum Beispiel: "Wann kommt der erste Frauenname"-Bingo. Fangen wir an mit der Süddeutschen, stur von oben runtergelesen.
    Kind 1: "Kurt Kister, Wolfgang Krach, Dr. Heribert Prantl, Stefan Plöchinger, Stefan Kornelius, Detlef Esslinger, Jan Heidtmann, Alexander Gorkow, Christiane Schlötzer."
    Kind 2: "Bingo!"
    Christiane Schlötzer an neunter Stelle. Nun die FAZ:
    Kind 1: "Dr. Jasper von Altenbockum, Klaus-Dieter Frankenberger, Dr. Nikolas Busse, Dr. Richard Wagner, Dr. Reinhard Müller, Dr. Daniel Deckers, Dr. Alfons Kaiser, Thomas Holl, Heike Göbel."
    Kind 2: "Bingo!"
    Heike Göbel, wieder Platz 9. Dabei sind die Herausgeber noch gar nicht mitgezählt. Und wie schlägt sich der Berliner Tagesspiegel?
    Kind 1: "Dieter von Holtzbrinck, Giovanni di Lorenzo, Sebastian Turner, Stephan-Andreas Casdorff, Lorenz Maroldt, Gerd Appenzeller, Dr. Christoph von Marschall, Ingrid Müller."
    Kind 2: "Bingo!"
    Achte Position für Ingrid Müller. Sie sehen - ein großer Spaß für die ganze Familie. So kann man sich im Urlaub mit deutschen Zeitungen eine Menge Kurzweil verschaffen. Bleiben zwei Fragen. Erstens: Ob man das Spiel in fünf Jahren immer noch spielen kann. Und zweitens: Ob im heiteren Namenszählen irgendjemand etwas Ungezogenes oder Umerzogenes zu entdecken meint. Claus Kleber?
    "Nein, das meine ich nicht. Und auf dem Akkord können wir uns wunderbar verabschieden."