"Seit etwa ein Uhr heute Nacht rattern die Pressluftbohrer, bohren einen Graben quer durch die Ebertstraße hier am Brandenburger Tor."
Ein West-Berliner Rundfunk-Reporter berichtete in den Morgenstunden des 13. August 1961, wie DDR-Volkspolizisten, Soldaten der Nationalen Volksarmee und Betriebskampfgruppen die Übergänge zwischen Ost- und West-Berlin sperrten - eine Maßnahme, um den anschwellenden Flüchtlingsstrom zu unterbinden. Allein im Juli hatten ca. 30.000, und bis zum 13. August weitere 50.000 sogenannte Republikflüchtlinge die DDR verlassen. Auf Dauer ein unerträglicher Aderlass für das SED-Regime. Hinzu kamen Zehntausende von Pendlern. Für Egon Bahr, damaliger Pressesprecher des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt, war es:
"Ein fast nicht mehr vorstellbarer Zustand. Das Normale im Unnormalen. 40.000 Menschen kamen jeden Tag aus dem Ostsektor zur Arbeit nach West-Berlin."
Die Menschen, darunter viele Facharbeiter und Akademiker, verließen in Scharen die DDR, weil sie nicht länger in einem repressiven System leben wollten beziehungsweise sich in West-Berlin und der Bundesrepublik ein besseres Leben erhofften. Die SED-Führung sah hingegen finstere Mächte des Westens am Werk, um die "Arbeiter- und Bauernmacht zu schwächen", so Willi Stoph, Vorsitzender des DDR-Ministerrats:
"Der Ministerrat erachtet es für notwendig, auch weiterhin geeignete Maßnahmen gegen Menschenhandel, Abwerbung und Sabotage zu treffen."
"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten"
Pläne zu einem Mauerbau rund um West-Berlin lagen in der DDR bereits vor. Nach einigem Zögern stimmte die Sowjetunion als Kontrollmacht schließlich zu. Unter großer Geheimhaltung liefen die Vorbereitungen, während sich Partei- und Staatschef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 auf ein Pressekonferenz ahnungslos gab: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."
Doch am 13. August war es so weit: Die DDR schloss die bis dahin durchlässige Grenze nach West-Berlin, wie die ARD-Radiosender am nächsten Morgen berichteten:
"Schwerbewaffnete Einheiten der Volksarmee und der Volkspolizei der Sowjetzone haben in der vergangenen Nacht West-Berlin gegen die Zone und den Ostsektor abgeriegelt."
Reaktionen von Brandt und Adenauer
Auf einer Länge von 160 Kilometern wurde West-Berlin vom Ostteil der Stadt und der angrenzenden DDR mit Stacheldraht, Panzersperren und Betonschwellen rigoros abgeschnitten. Die SED-Führung verteidigte den Mauerbau als Frieden erhaltende Maßnahme, die dem Treiben der westdeutschen "Revanchisten und Militaristen" einen Riegel vorschiebe. Für Willy Brandt, den Regierenden Bürgermeister Berlins, lag es dagegen auf der Hand, dass es sich bei den "Abriegelungsmaßnahmen der Zonenmachthaber um eine eklatante Bankrotterklärung handelt." Auch Bundeskanzler Konrad Adenauer reagierte:
"Durch die Willkür des Pankower Regimes ist eine ernste Situation heraufbeschworen worden. Im Verein mit unseren Alliierten werden die erforderlichen Maßnahmen getroffen."
Doch die Alliierten reagierten zurückhaltend. Ein harscher Protest insbesondere der Amerikaner blieb aus. Sie scheuten mitten in Europa eine offene Konfrontation mit der Sowjetunion. Die SED-Führung unter Walter Ulbricht konnte eine gesellschaftliche Krise abwenden und deklarierte den Mauerbau zum "antifaschistischen Schutzwall", den auch das DDR-Volkslied: "Jung sind die Linden" besang:
"Es war in den Tagen des August, die Rosen erblühten im Garten. Da haben wir unseren Schutzwall gebaut / wir konnten nicht länger warten."
Und Walter Ulbricht fragte: "Was kann menschlicher sein als all das, was hier geschieht und für den Menschen getan wird. So dient der 13. August wahrer Menschlichkeit."
"Wahre Menschlichkeit?" Die DDR perfektionierte die Grenzanlagen immer weiter, um ihre Bürgerinnen und Bürger daran zu hindern, ihr Land zu verlassen. Nur wenige durften legal ausreisen. Wer über die Mauer fliehen wollte, musste damit rechnen, erschossen zu werden. Dazu Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer:
"Es gibt eine Diskussion darüber, wie viele Mauertote es tatsächlich gegeben hat. Für uns von der Stiftung Berliner Mauer ist es eigentlich sehr klar, dass mindestens 140 Menschen ums Leben gekommen sind."
28 Jahre lang verteidigte die SED-Führung das undurchlässige Grenzregime - bis zum 9. November 1989.