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Maut
Wie die CSU um Maut und Ansehen kämpft

Mit der Pkw-Maut hat sich die CSU ein schwieriges Projekt vorgenommen. Nicht nur auf EU-Ebene gibt es starke Widerstände, auch in der Regierungskoalition und sogar in der eigenen Partei werden Zweifel laut. Es droht eine Blamage.

Von Katharina Hamberger |
    Eine fiktive Maut-Plakette mit der Aufschrift "Alexander Dobrindt - 5-Tages Gillamoos-Vignette" liegt in Abensberg (Bayern) beim politischen Gillamoos-Frühschoppen auf einem Tisch.
    Eine fiktive Maut-Plakette mit der Aufschrift "Alexander Dobrindt - 5-Tages Gillamoos-Vignette" liegt beim politischen Gillamoos-Frühschoppen auf einem Tisch. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Die bayerische Landesvertretung in Berlin, ein ehemaliges Bankgebäude in Mitte. Das Atrium ist weiß-blau dekoriert. Auf den Biertischen stehen die typischen kleinen Holzständer, an denen Brezen hängen. Dazu gibt es Radi, Käse, Obatzten, Schinken, Senf, Butter. Allerlei Dinge, über die sich die bayerische Seele freut. Gekommen sind Abgeordnete aller Parteien, deren Mitarbeiter, Journalisten. Auch die bayrische Regierung ist vertreten.
    "In der Tat, jetzt kommts zum Bieranstich. Heute Abend ist die Einladung für Sie frei. Und deshalb gibt's jetzt auch das Prinzenbier, das Prinzessinnenbier für Sie extra. Wir wünschen Ihnen einen schönen Abend, eine gute Zeit mit bayerischer Gemütlichkeit mit viel Freude."
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder im Lodenjanker eröffnet das Oktoberfest in der Landesvertretung.
    "O'zapft is!"
    Einer fehlt allerdings. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lässt sich nicht blicken. Kurz vorm Anstich frotzelt Finanzminister Söder noch, der CSU-Chef sei zwar nicht da, dafür aber alle seine Nachfolger – auch das Prinzenpaar, wie er und die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner oft bezeichnet werden. Sie steht im blauen Dirndl neben ihm auf der Bühne.
    Warum Seehofer selbst nicht da ist? Dazu will sich offiziell niemand äußern. Womöglich waren es ein paar schlechte Schlagzeilen zu viel in den vergangenen Wochen. Zuletzt stürzte Christine Haderthauer als Staatskanzleichefin und Ministerin für Bundesangelegenheiten über die sogenannte Modellautoaffäre. Sie und ihr Mann hatten jahrelang Modellautos von verurteilten Schwerverbrechern in psychiatrischen Anstalten bauen lassen und sie dann teuer versteigert. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Betrugs. Über eine andere Sache wollte Seehofer vermutlich noch viel weniger diskutieren: die PKW-Maut. Dieses Thema bringt den CSU-Chef in Berlin derzeit ins Schleudern, was ihm wiederum auch als Regierungschef in München zu schaffen macht. Ab morgen trifft sich die CSU-Landtagsfraktion zur Klausurtagung im oberfränkischen Kloster Banz – auch dort dürfte es um die bayerische Problem-Kumulation gehen: PKW-Maut-Debakel plus Europawahl-Ergebnis plus Modellauto-Affäre.
    Die PKW-Maut wird zum Elch-Test für den bayerischen Ministerpräsidenten. Am Ende wird es spannend, ob das Konzept so konstruiert ist, dass er damit noch die Kurve kriegt. Dass die Fahrt für den CSU-Vorsitzenden und seine Partei nun so rasant verläuft, hat sich Seehofer selbst zuzuschreiben. Die PKW-Maut für Ausländer ist seit Jahren ein Thema, mit dem die CSU zu punkten versucht. Aber nie hatte die Idee so sehr gezündet wie im Wahlkampf 2013. Und die CSU fühlte sich dermaßen sicher damit, dass Seehofer vor der Bundestagswahl ankündigte:
    "Diese Maut für Ausländer muss kommen, und sie wird kommen – das ist eine Frage der Gerechtigkeit."
    Seehofer kokettierte sogar damit, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Maut nicht drin stehe. Am Ende setzte er sich damit durch:
    "Wir haben die PKW-Maut, wo ich mit großer Freude die Interpretationen erlebe, aber der Text ist ziemlich eindeutig: Die PKW-Maut steht im Vertrag!"
    Die Geschichte einer erfolgreichen Erpressung

    Parteichef Horst Seehofer trinkt beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau an einer Maß.
    Parteichef Horst Seehofer trinkt beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau an einer Maß. (dpa / Peter Kneffel)
    Den Weg dorthin könnte man wohl als Geschichte einer erfolgreichen Erpressung beschreiben. CDU-Chefin Angela Merkel ließ sich darauf ein – und machte eine radikale Kehrtwende: Noch vor einem Jahr, im September 2013, erklärte sie:
    "Mit mir wird es keine PKW-Maut geben."
    Exakt ein Jahr später sagt sie:
    "Die Maut wird kommen. Um das zu sagen. Über die Details reden wir natürlich noch. Aber um das ganz klar zu sagen, die steht im Koalitionsvertrag, und sie wird kommen."
    Neu ist das Vorgehen der CSU nicht. Es gehörte schon immer zur Strategie der Christsozialen, Themen auf einen Punkt zu reduzieren und damit eine politische Auseinandersetzung anzuheizen. So war es etwa Anfang des Jahres bei der Zuwanderungsdebatte, als es bei der CSU hieß: "Wer betrügt, der fliegt". Medien und Politik diskutierten wochenlang darüber. Ein weiteres Beispiel: das Betreuungsgeld. Die Debatte darüber fokussierte die CSU auf ein einziges Wort, nämlich die Wahlfreiheit. Schließlich setzte sie das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder nicht in eine staatlich subventionierte Kinderbetreuung geben, durch. Und nun die PKW-Maut: Hier trägt die CSU ebenfalls ein einzelnes Argument vor sich her wie eine Monstranz:
    "Und weil wir davon überzeugt sind, sagen wir auch – und das geht wirklich an die Menschen in diesem Lande – es ist ein absolutes Gerechtigkeitsprojekt."
    Die Maut als Gerechtigkeitsprojekt – wie es hier Dorothee Bär formuliert, CSU-Politikerin und parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium. Diesen Satz gibt es in unzähligen Variationen aus christsozialem Mund. Dass die CSU sich mit der PKW-Maut durchsetzen kann, ist für die Partei und vor allem für Parteichef Horst Seehofer wichtiger als noch in der vergangenen Legislaturperiode. Damals war die CSU auf Augenhöhe mit der FDP, jetzt aber ist sie der kleinste Partner in der Großen Koalition – CDU und SPD könnten auch zu zweit die Mehrheit stemmen. Trotzdem trugen die Christsozialen zunächst maßgeblich zum bundesweiten Unionsergebnis bei – selbst die CDU-Chefin Angela Merkel gab zu, ohne die CSU-Stimmen aus Bayern stünde sie heute nicht so gut da. Nur knapp hat die Union im vergangenen September die absolute Mehrheit verfehlt. In Bayern selbst wurde eine Woche vor der Bundestagswahl gewählt – und da kam die CSU auf fast 50 Prozent der Wählerstimmen und regiert seitdem wieder mit absoluter Mehrheit. Das gab der CSU bislang Selbstvertrauen:
    "Die CSU ist schon immer sehr selbstbewusst gewesen und hat einen Anspruch über Bayern hinausgehend Politik zu machen. Und deswegen ist die CSU eine Stimme in der großen Koalition, die genauso ernst zu nehmen ist, wie eine Stimme der SPD und der CDU."
    Sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Michael Grosse-Brömer noch im März dieses Jahres. Es schien die CSU deshalb auch nicht zu stören, weil sich das Wahlergebnis bei der Ministerienverteilung positiv niederschlug: Drei Ressorts für 7,4 Prozent der Wählerstimmen – hochgerechnet auf den Bund.
    Voller Selbstvertrauen in der Regierungskoalition
    Eine Niederlage war es trotzdem. Zwar hatte die CSU auch in der schwarz-gelben Koalition drei Ministerien – doch das wichtige Innenministerium musste sie jetzt abgeben. Stattdessen übernahm Gerd Müller das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es hat längst nicht mehr die Bedeutung, die es früher einmal hatte. Minister Müller versucht zumindest, nicht unsichtbar zu bleiben. Zunächst am Kabinettstisch sitzen bleiben durfte Hans-Peter Friedrich. Doch der ehemalige Innenminister war nun zuständig für das Landwirtschaftsministerium, allerdings nur noch in abgespeckter Form: Um den Verbraucherschutz, der bislang zum Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung gehörte, kümmert sich fortan der SPD-Mann Heiko Maas im Justizministerium. Seehofer verkaufte die Ressortaufteilung trotzdem als wichtigen Punkt für die Christsozialen:
    "Das ist für uns in Bayern ganz, ganz wichtig, wenn sie die Tausenden von Waldbauern sehen und wie die mich gebeten haben, dafür Sorge zu tragen, dass das nicht in andere Hände kommt, weil sie sich bei den Bayern gut aufgehoben fühlen."
    Der neue Landwirtschaftsminister konnte gerade mal die Agrarmesse "Grüne Woche" in Berlin absolvieren, da stolperte er schon über die Edathy-Affäre:
    "Grüß Gott meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich der Frau Bundeskanzlerin heute angeboten habe, meinen Rücktritt vom Amt des Bundeslandewirtschaftsministers. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass ich im Oktober politisch und rechtlich richtig gehandelt habe, als ich den SPD-Vorsitzenden Gabriel informiert habe."
    Ein Rückschlag für die CSU in Berlin. Der in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Christian Schmidt musste daraufhin einspringen. Er war lange Jahre im Verteidigungsministerium als Staatssekretär, musste nach der Wahl ins Entwicklungsministerium wechseln und ist nun Landwirtschaftsminister – bislang bleibt er weitgehend unsichtbar. Mal abgesehen von seinem Auftritt kürzlich, als es um den von Russland verhängten Importstopp europäischer Agrarprodukte ging:
    "One Apple a day keeps Putin away."
    Seehofer: "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht"

    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spricht in Abensberg (Bayern) beim politischen Gillamoos-Frühschoppen. Das Gillamoos ist eines der größten und ältesten Volksfeste Niederbayerns und bietet traditionell einen politische Schlagabtausch der Parteien.
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beim politischen Gillamoos-Frühschoppen. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Das dritte Ressort hingegen ist besonders wichtig für die CSU: das Verkehrsministerium. Denn ohne einen CSU-Minister in diesem Ressort würde es mit der Maut noch schwieriger werden, als es ohnehin schon ist. Allerdings musste Peter Ramsauer Platz machen für den früheren Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt. Ihn als Verkehrsminister zu platzieren, verbuchte die CSU als wichtigen strategischen Sieg. Doch mittlerweile stehen die Zeiger anders. Bei der Europawahl im Mai dieses Jahres kam die CSU lediglich auf 40,5 Prozent in Bayern, hochgerechnet auf den Bund sind das nur 5,3 Prozent. Für CSU-Verhältnisse ein denkbar schlechtes Abschneiden:
    "Das Ergebnis war natürlich enttäuschend für uns. Und wir wollen natürlich deshalb genau analysieren, uns auch Zeit nehmen und anhand von Daten und Fakten die Dinge nicht nur genau überlegen, sondern auch daraus dann die entsprechenden Schlüsse zu ziehen."
    Sagte Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende der CSU im Bundestag direkt nach der Wahl. Man wollte Lehren daraus ziehen. Noch ist die CSU aber im Aufarbeitungsprozess. Hinzu kommt eben der Streit um die Maut. Und es ist nicht die SPD, die hier der CSU Probleme macht. Es ist ausgerechnet die große Schwester CDU. Erst fing das Aufbegehren in den Ländern an. Besonders heftige Kritik kam aus Nordrhein-Westfalen, dem größten Landesverband der CDU. Dessen Vorsitzender Armin Laschet erklärte immer wieder, die PKW-Maut sei eine Gefahr für die Grenzgebiete. Danach kam eine Stellungnahme aus dem Finanzministerium an die Öffentlichkeit. Demzufolge befürchtet das Ministerium, dass die Maut nicht die berechneten Einnahmen einbringen werde – und vielleicht sogar zum Verlustgeschäft werden könnte. Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU kommentierte diese Stellungnahme öffentlich nicht. Aber er galt auch nie als großer Fan der Maut. Es ist nun Dobrindts Aufgabe, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Unter anderem deshalb ist er im Moment der wichtigste Spieler für Seehofer. Schon vor dem Streit wusste Seehofer, dass es für Dobrindt nur einen Weg geben darf: Er muss für die CSU die Maut durchsetzen. So stellte er Dobrindt der Öffentlichkeit damals auch als Verkehrsminister vor – mit einem Satz, den man als Drohung verstehen kann:
    "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht."
    Alexander Dobrindt selbst scheint sich im Klaren darüber zu sein, was er mit dem Wechsel an die Spitze des Verkehrsministerium angenommen und auf sich genommen hat. Obwohl gemunkelt wird, er sei sogar der Vater der Idee, die PKW-Maut für ausländische Autofahrer im Wahlkampf hochzuziehen, wirkt es nicht immer so, als wäre das auch sein Lieblingsprojekt:
    "Das war die Aufgabe des Verkehrsministers, den Koalitionsvertrag zu erfüllen und diesen Vorschlag zu unterbreiten. Es steckt eine Pflicht dahinter, dass man einen Vorschlag vorlegt, der genau diese Vorgaben erfüllt. Das hab ich damit getan und freue mich auf die Diskussionen, die jetzt da sich diesem Vorschlag anschließen werden."
    Dobrindt: "Ich überzeuge jetzt gerade alle mit Argumenten"
    Und diese Diskussionen folgten. Unter anderem sagten Kritiker, die PKW-Maut könnte den grenznahen Regionen schaden, mal abgesehen davon, dass die Vorgabe, dass deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden dürfen, schwierig mit EU-Recht zu vereinbaren sein könnte. Aber der Verkehrsminister lässt die anderen diskutieren und Seehofer brüllen. Er gibt sich derzeit entspannt und betont bei jeder Gelegenheit, dass die Maut kommen wird – und dass er sich natürlich mit den Bedenken auseinandergesetzt hat.
    Im dunklen Anzug ist Dobrindt zum Oktoberfest in die bayerische Landesvertretung gekommen. Nach dem Anstich plaudert er noch mit Journalisten. Erklärt wahrscheinlich zum x-ten Mal, warum er von seinem Mautkonzept so überzeugt ist. Danach fährt er zurück ins Büro. Bei genauem Hinhören merkt man, dass ihn vor allem das Gebaren aus der CDU nicht ganz kalt lässt.
    "Meinen Sie jetzt meine Schwesterpartei SPD oder die Schwester CDU. Man muss ja manchmal nachfragen, wo die Freunde stehen."
    Aber er weiß auch, dass es nun nicht mehr seine Rolle ist, wie früher als Generalsekretär Bösartigkeiten auszuteilen:
    "Ich überzeuge jetzt gerade alle mit Argumenten. Das stell' ich jetzt auch jeden Tag fest, dass das gut funktioniert."
    Vor allem weiß Dobrindt: Es wäre nicht klug, jetzt großen Ärger in der Koalition und im Kabinett zu riskieren. Denn er braucht Verbündete. Bislang hat er nur ein Konzept. Das bedeutet nicht, dass sein Gesetzentwurf schon so gut wie durchs Kabinett wäre – und durch den Bundestag erst recht nicht. Wichtig ist für Seehofer und Dobrindt bei der Umsetzung des Maut-Projektes deshalb aber auch die Landesgruppe der CSU im Bundestag.
    "Wir sind 56 Mitglieder der CSU-Landesgruppe. 45 sind direkt in ihren Wahlkreisen gewählt."
    Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und die anderen CSU-Abgeordneten sind dafür zuständig, dass die bayerischen Politikwünsche in Berlin nicht zu kurz kommen oder gar übersehen werden. Auch CSU-Chef Seehofer hat Erwartungen an die Landesgruppe im Bundestag:
    "Das ist eine starke Mannschaft, die uns die Chance gibt, dass wir auch in Berlin mit einer starken bayerischen Stimme und CSU-Stimme agieren können."
    Noch steht die Landesgruppe hinter ihrem Parteichef. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer formuliert selbstbewusst:
    "Ja, dieses Gelabere um die Bedeutung der CSU in Berlin und die Reduzierung der Bedeutung halte ich für absolut weit hergeholt. Wir sitzen am Kabinettstisch. Wir sind ein starker Partner in der Koalition. Wir haben mit unseren Bundesministerien große Projekte vor."
    Viele CSUler zweifeln am Mautkonzept

    Ein Schild mit der Aufschrift "Maut" steht an einer Autobahn, im Hintergrund fahren Autos vorbei.
    Die Maut sorgt nicht nur in Deutschland für Ärger. Die Niederländer machen Stimmung gegen die Pläne. (dpa/picture alliance/Bernd Wüstneck)
    Das scheint aber nur die Oberfläche zu sein. Innerhalb der Landesgruppe scheint es zu rumoren. Es wollen längst nicht mehr alle CSU-Abgeordneten Gewehr bei Fuß stehen. Der Spiegel will erfahren haben, dass es in einer Sitzung der Abgeordneten kräftigen Widerspruch gab. So soll der frühere Innen- und Landwirtschaftsminister Friedrich die wirtschaftliche Benachteiligung der Grenzregionen angesprochen haben. Manch einer in der CSU-Landesgruppe fragt sich, ob es derzeit nicht wichtigere Themen gibt als die Maut. Die Leute würden sagen, "Habt Ihr sie noch alle", wird Georg Nüßlein, Abgeordneter aus dem Wahlkreis Neu-Ulm, zitiert. Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU, soll die Ausweitung der Maut auf alle Straßen kritisiert haben. Seiner Meinung nach solle die PKW-Maut auf Autobahnen beschränkt werden. Und auch wer mit einzelnen Abgeordneten spricht, merkt: Zum einen wächst die Angst einer Blamage. Zum anderen scheinen die Abgeordneten langsam zu ermüden ob der immer gleichen Argumentation nach außen. Vom Generalsekretär der CSU Scheuer hört man immer wieder, das leidige Sommertheater möge doch bitte aufhören. Man müsse sich nun auf die parlamentarische Arbeit konzentrieren.
    Und doch – allen offiziellen Beteuerungen zum Trotz: Die geschlossenen Reihen beginnen zu wackeln. Vor allem eben in Berlin. Hier kommt die Kritik noch viel schneller und heftiger an, als in München. Hier sitzen die Koalitionspartner, denen die CSU die PKW-Maut aufgedrängt hat, im selben Plenum. Ein Problem für die CSU ist auch: Sie wird in Berlin kaum noch mit anderen Themen wahrgenommen. Das ist schwierig, vor allem jetzt, da sich mit der AfD rechts von der Union eine neue Partei etabliert.
    Horst Seehofer ist, was Stimmungen betrifft, sensibel. In der Bevölkerung erkennt er sie schnell – und dreht sich rascher als so mancher schauen kann. Die Bayern-SPD verspottete ihn im Landtagswahlkampf als "Drehhofer". Er dürfte auch merken und hören, was in seiner Landesgruppe vor sich geht. Nur kann er sich in diesem Fall fast nicht mehr drehen – denn mit einer radikalen Kehrtwende in Sachen Maut würde er sich auf allen Ebenen unglaubwürdig machen: beim Koalitionspartner, in der Bevölkerung und auch in seiner eigenen Partei. Und langsam wird es spannend für Seehofer:
    "Ich hab ja noch so ein kleines Projekt zu erledigen, und das wird dann möglichst schnell der Fall sein, dass dies erledigt ist. Also, ab Oktober bin ich wieder voll sprechbereit für alle anderen Sachen."
    Angst vor dem Scheitern
    Das soll heißen: Noch irgendwann im Oktober will Verkehrsminister Alexander Dobrindt einen Gesetzentwurf vorlegen. Der muss dann sitzen, wenn das Gesetz, dazu noch in diesem Jahr, wie es im Koalitionsvertrag steht, verabschiedet werden soll. Bislang sah es so aus, als würde die Maut höchstens auf EU-Ebene scheitern.
    Immerhin: Sollte die EU die deutsche Idee der PKW-Maut kassieren, dann wäre das für die CSU weitaus weniger schlimm, als wenn das Projekt am Widerstand in der Koalition scheitert. Denn in diesem Fall könnten Seehofer und Dobrindt die Schuld den EU-Bürokraten in die Schuhe schieben. Scheitert aber schon der Gesetzentwurf und damit die PKW-Maut auf Bundesebene am Widerstand der eigenen Parteifreunde und der Koalitionspartner, wäre es ein Debakel für Dobrindt und noch mehr für Seehofer. Es hat also einen Grund, warum der CSU-Chef so heftig mit den Flügeln schlägt, als müsse er jetzt schon beweisen, dass er keine Lame Duck ist, keine lahme Ente also. Denn wer will schon einen angeschlagenen bayerischen Regierungschef und Parteichef, der kaum noch politisches Gewicht hat. Die Nachfolger, die vergangene Woche noch friedlich in der bayerischen Landesvertretung bei der Oktoberfestmaß zusammensaßen, stünden wohl schnell bereit. Ilse Aigner steht dann vielleicht nicht mehr nur stumm neben Markus Söder auf der Bühne, denn ihr werden Ambitionen nachgesagt, Seehofer in einem seiner Ämter oder sogar als Ministerpräsidentin und Parteivorsitzende nachzufolgen. Auch Söder, der bayerische Finanz- und Heimatminister läuft sich seit Längerem warm. Und immer wenn irgendwo ein Fass anzustechen ist, dann nutzt er die Gelegenheit, wie jetzt in Berlin oder beim Maibockanstich 2014 in München:
    "Alle Minister sind in Demut dankbar, für die CSU, für Bayern und für'n Horst arbeiten zu dürfen. Der Horst hat ja mal gesagt, er hört 2018 auf, dann hat er gesagt, er traut sich noch mehr zu, und jetzt ist eine geheime SMS veröffentlicht worden, da steht drin: Ich bleibe solange im Amt, bis der Berliner Flughafen eröffnet hat. Das stört die Ilse und mich nicht, meine Damen und Herren. Unsere Sorge ist nicht, wann er aufhört, unsere Sorge ist, ob er überhaupt irgendwann aufhören sollte."