Vor 120 Jahren trugen Frauen im Tennis knöchellange weiße Kleider. Als einer der ersten Künstler hielt Max Liebermann das vornehme Gesellschaftsspiel auf Leinwänden fest. Mit breiten, energischen Pinselstrichen. Die Spielerin im Mittelpunkt, das Netz, die Zuschauer zerfließen dahinter. Die Kunsthistorikerin Dorothee Hansen hat die Ausstellung mit Liebermanns Sportmotiven entwickelt. Dabei musste sie ihre Recherche über die klassische Kunstliteratur hinaus erweitern.
"Die frühe Zeitschrift ,Sport im Bild’ beginnt Ende des 19. Jahrhundert. Da merkt man am Anfang, es gibt noch keine Sportfotografie. Sieger werden stehend in Pose dargestellt, nicht in Bewegung, das konnte man noch gar nicht fotografieren. Das geht erst nach der Jahrhundertwende los: dass man mit kurzen Belichtungszeiten ein Pferd im Sprung zum Beispiel darstellen kann im Foto. Liebermann als Künstler kann früher das Pferd in Bewegung im Sprung darstellen als der Fotograf es kann."
"Bedingungslose Hingabe an die Sache"
Dorothee Hansen ist stellvertretende Direktorin der Kunsthalle Bremen. Vor der Ausstellung in der Liebermann-Villa wurden die Sportmotive in der Hansestadt zusammengeführt und gezeigt. Dafür hat Dorothee Hansen auch an eher ungewöhnlichen Orten geforscht: an der Sporthochschule Köln, im Archiv des Deutschen Tennis-Bundes oder im Deutschen Pferde-Museum in Verden. Hansen kam mit Trainern und Sportwissenschaftlern in Kontakt. Und sie merkte einmal mehr, welche Gemeinsamkeiten Sport und Kunst haben.
"Diese bedingungslose Hingabe an die Sache, die vereint die beiden total. Beide brauchen ein Publikum. Denn der Künstler ist nichts ohne ein Publikum. Und das ganze Sportereignis lebt natürlich auch von der Begeisterung der Zuschauer, von dem ganzen, was darum herum passiert. Auch die Tatsache, dass Kunst und Sport so eine Art Universalsprachen sind, die man überall ausführen könnte. Also man kann ein Bild von Liebermann auf der ganzen Welt zeigen und es wird verstanden werden."
Oft vergessene Verbindung zwischen Kunst und Sport
Mit der Popularisierung des Sports häuften sich die Berührungen mit der so genannten Hochkultur, vor allem seit der Jahrtausendwende. Stadttheater inszenierten die Geschichte großer Fußballer. Die Münchner Philharmoniker spielten eine Hymne für den FC Bayern. Die Fotografin Regina Schmeken stellte Bilder der deutschen Nationalspieler im Berliner Gropius-Bau aus. Und auch Wettkämpfe, deren Schnelligkeit und Ästhetik, fließen in die moderne Kunst ein. Zum Beispiel in Ausstellungen im Deutschen Sport & Olympiamuseum in Köln. Dessen Direktor ist Andreas Höfer. Er erinnert an eine frühe, oft vergessene Verbindung zwischen Sport und Kunst:
"Und Sie wissen, dass es von 1914 bis 1948 im Kontext der Olympischen Spiele auch olympische Kunstwettbewerbe gegeben hat. Mit Medaillen, Gold, Silber, Bronze für Künstler in verschiedenen Kategorien. Letztlich hat man davon Abstand genommen. Eine Ursache dafür war: Wie soll man bewerten? Wer entscheidet nach welchen Kriterien, ob dieses Kunstwerk Gold oder Bronze verdient? Das ist schon ein interessanter Unterschied zwischen Kunst und Kultur."
Elitäre Hochkultur durchlässiger machen
Dorothee Hansen geht es nicht um Bewertung. Sie möchte die vermeintlich elitäre Hochkultur durchlässiger machen. Vor der Liebermann-Ausstellung schrieb sie in Bremen etliche Sportvereine an. Im Begleitprogramm brachte sie Kunsthistoriker mit Trainern und Sportfunktionären zusammen. Mit ihren Museumskollegen nahm sie als "Team Liebermann" an Firmenläufen teil. Und so besuchten viele Sportgruppen die Kunsthalle, darunter der Tennisverein, in dem Dorothee Hansen selbst aktiv ist.
"Vom Klubpräsidenten über den Trainer bis zum Platzwart. Und einer großen Menge Spielern. Da sind auch Leute dabei gewesen, die zum allerersten Mal ins Museum gegangen sind. Und das finde ich natürlich gut."
"Max Liebermann und der Sport". Die Ausstellung ist noch bis zum 26. Juni in der Liebermann-Villa am Berliner Wannsee zu sehen.