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May-Nachfolge
Außenminister Jeremy Hunt will Tory-Chef werden

Ein "ernsthafter Parteichef" will Jeremy Hunt werden. Der britische Außenminister bewirbt sich als Tory-Chef und damit auch als nächster Premierminister. Indem er seine Ernsthaftigkeit betont, möchte er sich vom rüpelig wirkenden Konkurrenten Boris Johnson abgrenzen.

Von Friedbert Meurer |
Der britische Außenminister Jeremy Hunt
Außenminister Jeremy Hunt wird als Premierministerkandidat von zwei Flügeln der Partei unterstützt (EPA / Andy Rain)
"Auf unseren nächsten Parteivorsitzenden wartet eine höllische Aufgabe", stellt Verteidigungsministerin Penny Mordaunt klar. Dann schlägt sie Jeremy Hunt, ihren Kabinettskollegen, vor. Jeremy Hunt kommt nach vorne zum Rednerpult, schlank, 52 Jahre alt, und strahlt in die Kameras.
Bemerkenswert ist, dass nicht nur Penny Mordaunt, eine überzeugte Brexit-Befürworterin, ihn offiziell unterstützt, sondern auch Sozialministerin Amber Rudd. Sie ist die führende Remainerin im Kabinett. Jeremy Hunt wird also von zwei Flügeln der Partei getragen, lautet die Botschaft: von gemäßigten Brexiteers und von denen, die eigentlich lieber in der EU bleiben wollen.
"Jeder Premierminister, der verspricht, dass wir zu einem bestimmten Datum die EU verlassen, muss Neuwahlen beantragen, um die Zusammensetzung des Parlaments zu ändern. Und diese Wahlen würden wir verlieren." Das ist eine Spitze gegen Boris Johnson, der verspricht, dass Großbritannien auf jeden Fall zur nächsten Frist, nämlich am 31. Oktober, die EU verlassen soll - mit oder ohne Vertrag. Hunt hält das für zu radikal und gefährlich.
Erfahrungen im Gesundheits- und Außenministerium
Jeremy Hunt ist letztes Jahr britischer Außenminister geworden, als Nachfolger ausgerechnet von Boris Johnson. Hunt ist den meisten Britinnen und Briten aber eher noch als Gesundheitsminister vertraut. In den sechs Jahren in diesem Job legte er sich vor allem mit den Ärzten an.
Hunt wurde damals als Gesundheitsminister im Nachrichtenkanal "Sky News" interviewt. Die Ärzte bestreikten gerade spektakulär selbst die Notaufnahmen in den Krankenhäusern. "Wenn heute jemand stirbt, müssen die dafür die Verantwortung übernehmen, die für den Streik sind."
Es wurde damals mit harten Bandgagen gekämpft. Hunt bewies Stehvermögen und meint jetzt, das qualifiziere ihn doch auch dafür, endlich den Brexit umzusetzen. Andere verweisen dagegen darauf, dass Jeremy Hunt nicht gerade prinzipienfest sei. Die Moderatorin in der BBC listete am Dienstag z.B. auf:
"Jeremy Hunt war für den Verbleib in der EU, nach dem Referendum dann nicht mehr. Er lehnte es ab, die EU ohne Vertrag zu verlassen. Jetzt ist er dafür. Er ist ein Windbeutel, heißt es doch."
Der gemäßigte Kandidat
Hunt ist aber nicht der einzige, der seine Ansichten geändert hat. Die gesamte konservative Partei ist insgesamt in Sachen Brexit radikaler geworden. Der Außenminister könnte also ein Kompromisskandidat sein. Im Gegensatz zu Boris Johnson gilt er als berechenbare Größe.
Er ist zwar kein feuriger Redner wie Boris Johnson, aber jemand, der weniger in Fettnäpfchen tritt. Einmal als Außenminister tat er es doch, als ihm ausgerechnet in Peking der peinliche Lapsus unterlief zu sagen, seine Frau sei Japanerin – dabei ist sie Chinesin.
Es blieb bei diesem einen Ausrutscher und Jeremy Hunt liegt im Moment auf Platz 2 in der Tippliste bei den Konservativen. Hunt hat aber nur dann eine Chance, wenn Boris strauchelt. Der gefährlichste Gegner für Boris Johnson ist eben nicht Jeremy Hunt, heißt es in London oft, sondern Boris Johnson selbst.