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Mays Brexit-Deal abgelehnt
Kater-Stimmung bei der EU nach dem britischen "No"

Nach der krachenden Niederlage von Premierministerin Theresa Mays Brexit-Deal im britischen Unterhaus herrschen in Brüssel und Straßburg Enttäuschung, Unsicherheit und Ratlosigkeit. Wissen, woran man ist - das fordern nun viele Europapolitiker - und warten auf eine Reaktion aus London.

Von Paul Vorreiter |
    Fahne der EU vor der Europäischen Kommission in Brüssel und eine kleine Fahne Großbritanniens
    Fahne der EU vor der Europäischen Kommission in Brüssel und eine kleine Fahne Großbritanniens (dpa)
    Dass die Niederlage so groß sein würde, das hat auch manchen erfahrenen Europapolitiker in Straßburg überrascht. Nach der Entscheidung in London ist die Unsicherheit größer geworden, ob der Brexit nun doch ungeregelt kommen wird, allen Versuchen, das zu verhindern, zum Trotz. Briefwechsel zwischen Brüssel zwischen London haben offenbar nichts genützt, auch ein Appell von gut 100 EU-Parlamentariern, den Brexit ganz sein zu lassen.
    "Wir können jetzt gar nichts machen, wir müssen jetzt warten, ob Frau May das Misstrauensvotum überlebt. Und wenn sie das überlebt, welche Vorschläge sie am Montag machen will. Ich glaube nicht, dass sie bei dieser krachenden Niederlage auf dieses Abkommen zurückkommen kann. Doch in London ist dieser Tage alles möglich", sagt Elmar Brok, CDU-Außenexperte im Europaparlament.
    Enttäuschung auch über May
    Vor der Entscheidung hatte manch einer spekuliert, würde die Ablehnung nicht so stark ausfallen, könnte Brüssel May nach der gescheiterten Abstimmung noch mit geringfügigen Konzessionen zur Hilfe kommen, ohne aber das Austrittsabkommen wieder aufzuschnüren. Doch jetzt? Enttäuschung macht sich breit. Auch über die britische Premierministerin.
    "Sie hat absolut unmöglich verhandelt. Sie hat ihre Kontrahentinnen nicht miteinbezogen. Sie ist mit völlig unrealistischen Forderungen in die Verhandlungen reingegangen. Und das ist das Ergebnis der Verhandlungsstrategie. Wir haben zwei Jahre daran gesessen diesen Deal auszuhandeln und jetzt wird der so klar abgelehnt. Also dieser Deal, wie ihn Theresa May ausgehandelt hat, ist tot", sagt Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke.
    Unsicherheit in Brüssel
    Die Europäische Union solle ihrer Meinung nur dann einer Fristverlängerung für weitere Verhandlungen zustimmen, wenn sie an einen klaren Fahrplan geknüpft ist. "Sollte die EU dem nachkommen, dem möglichen Begehren auf eine Verlängerung - ich würde sagen, es ist besser als der harte Brexit, weil es Optionen besserer Lösungen bietet. Aber die EU sollte darauf bestehen, dass man dann klärt, dass man eine neue Stabilität braucht, man muss wissen woran man dran ist", sagt Udo Bullmann, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament.
    Wissen woran er dran ist, das will auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er erklärte: "Das Vereinigte Königreich müsse nun seine Absichten so bald wie möglich klar machen. Die Zeit sei beinahe abgelaufen." Ungeduldig zeigt sich EU-Ratspräsident Donald Tusk. Auf Twitter fragt er: "Wenn ein Abkommen unmöglich sei, niemand aber einen Austritt ohne Vereinbarung wolle, wer werde dann letztlich den Mut haben zu sagen, was die einzig positive Lösung sei?" Die EU werde sich "auf alle" Szenarien vorbereiten. Ziel sei es, "den Schaden durch den Brexit zu begrenzen".
    Rechte der EU-Bürger schützen
    Das will auch Chef der liberalen ALDE-Fraktion, Guy Verhofstadt: "Für uns ist wichtig, dass das europäische Parlament - wenn nötig in direkten Kontakt mit dem Unterhaus, dafür sorgen muss, dass wir die Rechte der EU-Bürger schützen. Denn die dürfen nicht die Opfer sein dieses parteipolitischen Spiels."
    Helmut Scholz, Linken-Abgeordneter mahnt ebenso: Zuzugs- und Aufenthaltsrechte, Arbeitserlaubnisse, aber auch Rentenansprüche, der Zugang zu Gesundheitsdiensten oder die Anerkennung von Berufserfahrungen seien Grundrechte, die bei einem ungeregelten Brexit nicht auf der Strecke bleiben dürften.
    In diesen Stunden dürften viele EU-Parlamentarier das Ergebnis noch im Schlaf verarbeiten. Am Vormittag ab halb 9 steht der Brexit wieder auf der Tagesordnung. Dann erklären sich Rat und Kommission vor dem Parlament dazu.