Nach dem Rücktritt von Premierministerin May wählen die Konservativen nicht nur eine neue Parteispitze. Mays Nachfolge wird zugleich der Premierministerposten zuteil. Der vorgesehene Auswahlprozess ist kompliziert: Ein Komitee der Torys nominierte zu Beginn zehn potenzielle Kandidaten. In weiteren Abstimmungsrunden wird sich die Anzahl der Kandidaten sukzessive verringern. Die Hürde der ersten Runde haben die beiden Frauen unter den zehn Nominierten nicht geschafft: Andrea Leadsom und Esther McVey sind raus, ebenso der Kandidat Mark Harper. Sie alle haben die 17 erforderlichen Stimmen nicht erreicht.
Wie läuft die Wahl ab?
Die zweite Runde übersteht nur, wer mindestens 33 Stimmen erhält. Dieses Verfahren wird so lange fortgeführt, bis noch zwei Kandidaten übrig sind, die zur Stichwahl antreten. Der Prozess kann sich also durchaus noch verkürzen. In der Stichwahl stimmen alle 160.000 Tory-Mitglieder per Briefwahl über den Kandidaten ihrer Wahl ab, die neue Parteiführung soll Ende Juli feststehen.
Die Kandidaten im Überblick
Boris Johnson
Boris Johnson wird von vielen als Favorit gehandelt. Er ist Brexit-Befürworter der ersten Stunde. Im Falle einer Wahl verspricht er, den Brexit bis spätestens Ende Oktober – mit oder ohne Deal. Im Lager der Konservativen und der Hardliner ist er beliebt. Laut Dlf-Korrespondent Friedbert Meurer hat Johnson die größten Aussichten auf den Parteivorsitz und den Posten des Premierministers. In London herrsche, so Meurer, die Ansicht: "Nur Boris Johnson selbst kann Boris Johnson noch stoppen." Johnson ist nicht nur für seine Wortgewandtheit, sondern auch für verbale Ausrutscher und mangelndes Feingefühl bekannt.
In der Fraktion führt Johnson derweil haushoch: Die erste Abstimmungsrunde hatte er mit 114 Stimmen eindeutig für sich entschieden. In der zweiten erhielt er 126 der insgesamt 313 Stimmen.
Jeremy Hunt
Jeremy Hunt ist im Amt des Außenministers vor etwa einem Jahr Boris Johnson gefolgt. Hunt ist ehemaliger "Remainer". Er stimmte zunächst für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Später hat Hunt es sich anders überlegt – eine Haltung, die er mit vielen anderen Torys gemein hat. Hunt ist allerdings ein moderater Brexiteer: Für ihn muss der Brexit nicht zwingend bis zum 31. Oktober erfolgen. Er gilt als einziger Gegner, der Boris Johnson gefährlich werden könnte. In der ersten Abstimmungsrunde hat er 43 Stimmen bekommen. Die zweite Runde hat er ebenfalls überstanden - mit 46 Stimmen.
Diese Kandidaten sind bereits ausgeschieden:
Michael Gove
Der Umweltminister Michael Gove ist zwar neben Jeremy Hunt – und weit nach Johnson – der einzige Kandidat mit Aussichten auf die Stichwahl, gilt jedoch als angeschlagen. Im Alter von 30 Jahren hatte er mehrmals Kokain geschnupft, eine Straftat, die er nun in einem Interview zugegeben hat. Er bereue die Vorfälle zutiefst, so Gove. Gove gilt als bestens vernetzt, er war nebenberuflich auch schon als Journalist tätig. Mit 37 Stimmen in der ersten Wahlrunde liegt er derzeit auf einem soliden Platz drei. In der zweiten Runde verteidigte er Platz drei mit 41 Stimmen.
Matt Hancock
Gesundheitsminister Matt Hancock lehnt einen Brexit ohne Deal ab. Seine Kampagne setzte auf einen "fresh start". Seine Chancen galten von Anfang an als gering. Er versprach die CO2-Emissionen Großbritanniens bis 2050 auf Null zu bringen. Den Klimaschutz nannte er einen "urkonservativen" Instinkt. In der ersten Runde erhielt er 20 Stimmen. Jetzt zog er sich freiwillig aus dem Rennen um den ersten Posten im Land zurück.
Dominic Raab
Sein Amt als Brexit-Minister legte Dominic Raab nach wenigen Monaten aus Protest gegen den Vertragsentwurf zum EU-Austritt nieder. Als er noch im Amt war, trat er auch in einige Fettnäpfchen: In einer Konferenz hatte Raab als Brexit-Minister gesagt, ihm sei die Bedeutung des Ärmelkanals für die Wirtschaft nicht klar gewesen – eine Bemerkung, die ihm viel Spott einbrachte. Raab ist überzeugter Brexiteer, er würde wohl auch ohne Deal die EU verlassen. Mit gerade einmal 27 Stimmen war er der vierterfolgreichste Kandidat der ersten Abstimmrunde. In der zweiten Runde schied er jedoch mit 30 Stimmen aus.
Sajid Javid
Im vergangenen Mai ernannte Theresa May Javid zum Innenminister, vorher war er Kulturminister, davor einmal Manager bei der Deutschen Bank. Javid gilt als Hardliner. Unter anderem entzog er einer in Großbritannien aufgewachsenen Frau, die sich dem IS angeschlossen hatte, die Staatsbürgerschaft. Die Frau saß mit ihrem Kind in einem syrischen Flüchtlingslager fest – und konnte nicht mehr einreisen. Als ihr Kind starb, erntete Javid heftige Kritik für sein Handeln. In der ersten Abstimmungsrunde der Torys bekam Javid 23 Stimmen. In der zweiten Runde waren es 33 Stimmen. Bei der vorletzten Abstimmungsrunde bekam er den geringsten Zuspruch.
Rory Stewart
Entwicklungsminister Stewart gilt zwar als äußerst fähig, hat aber britischen Medien zufolge keine großen Chancen. Er sei Außenseiter – immerhin ist Stewart Freund der EU, auch wenn er das Ergebnis des Referendums annimmt. Einen "No Deal" lehnt Stewart dementsprechend kategorisch ab. Als Premierminister will er außerdem mehr für den Klimaschutz tun. Mit 19 Stimmen hat er die erste Abstimmungsrunde gerade so überstanden. In der zweiten Runde kam er auf 37 Stimmen.