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Mazedonien nach dem Machtwechsel (3/5)
Ein Leben im Abseits

Der konservative Kurs der ehemaligen Regierung hat das Leben homosexueller Mazedonier nicht gerade leichter gemacht. Oft wurden sie in den vergangenen Jahren Opfer von Übergriffen oder Diskriminierung. Auch in der eigenen Familie, so wie Alex. Wird Mazedonien seit der "Bunten Revolution" tatsächlich bunter?

Von Leila Knüppel |
    Blick auf eine Brücke über den Fluss Vardar in Mazedoniens Hauptstadt Skopje
    Die "Bunte Revolution" in Mazedonien ging vor allem von jungen Menschen aus - sie wünschten sich Veränderung in ihrem Land. Kommt die jetzt? (Imago)
    Vor einigen Wochen ist Alex von seiner Familie abgehauen. Nun sitzt er hier, in Skopjes Innenstadt, an einem Café-Tisch und kann eigentlich gar keinen klaren Gedanken fassen.
    Die Elektro-Rhythmen der Bar, Baulärm und die klassische Musik aus den Lautsprechern auf dem Opernplatz mischen sich hier draußen auf der Café-Terrasse zu einem Klangbrei. Ein ähnliches Durcheinander muss jetzt wohl in Alex Kopf herrschen.
    "Es ist eine echt lange Geschichte, die damit zusammenhängt, dass mein Vater mich nicht akzeptiert. Von einem einfachen Streit geht es dann zu so Sachen wie: Verlasse mein Haus, du kannst hier nicht bleiben. Das geht so schon seit Jahren."
    Nicht einmal, worum es in dem letzten Streit mit seinem Vater zu Beginn gegangen ist, kann Alex auf Anhieb erzählen. Nur dass das Problem immer das gleiche ist: Alex ist anders. Transgender. Ein Mann in einem Frauenkörper. Auch wenn er sich in seinem XL-Hoodie versteckt, die Haare kurzgeschnitten trägt: Er sieht aus wie ein junges Mädchen.
    "Meine Familie will mich vermutlich wie eine 'normale Frau', die sich anzieht wie eine Frau, einen Job hat. Was für die eben normal ist. Da passe ich einfach nicht rein. Ich bin einfach anders, 'funktioniere' anders und wenn immer da ein Problem ist, werde ich verbal angegriffen, aufgefordert, dass ich das Haus verlasse, auch körperlich angegriffen und all diese Dinge."
    Ein "Safe House" in Skopje - einzigartig auf dem Westbalkan
    Während Alex erzählt, schaut er immer wieder rüber zu Elena Petrovska, die neben ihm sitzt. Sie ist LGBTI-Aktivistin, setzt sich also für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuelle Menschen, für Transgender und Intersexuelle ein. Und sie betreut das "Safe House", eine Anlaufstelle für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Hilfe, schnell eine Unterkunft benötigen. Hier hat Alex erstmal eine Bleibe gefunden.
    "Nach all den Jahren bin ich so froh, dass es eine solche Unterkunft gibt, wo ich wirklich über mein Leben nachdenken kann. Und nicht all das immer wieder mitmachen muss."
    Elena nickt. Sie selbst ist lesbisch, hält sich aber zurück, wenn es um persönliche Erfahrungen geht.
    "Das Unverständnis und der Hass gegenüber der LGBTI-Gemeinschaft bringt Eltern oft dazu, diese Menschen anzugreifen. Und sie müssen dann ihr Zuhause verlassen. Und deswegen ist für diese Gruppe das Risiko, obdachlos zu werden, extrem hoch. Weil sie vollkommen sozial ausgegrenzt sind, finden sie nur sehr schwer eine Arbeit, können nicht unabhängig leben."
    Ein bisschen später stößt Biljana Ginova zu den beiden und weil es kalt wird, gehen sie hinein, ins Café, wo Biljana fast jeden kennt. Elena und Biljana kommen beide aus der gleichen Stadt, waren einmal ein Paar. Inzwischen sind sie beide nach Skopje gezogen, engagieren sich in der kleinen LGBTI-Gemeinschaft der mazedonischen Hauptstadt.
    Biljana: "Wir haben in Bitola versucht, eine LGBT-Gruppe aufzubauen, 2007. Elena und ich und einige Freunde. Wir waren die erste Aktivisten-Gruppe in Bitola."
    Elena: "Wir waren sehr vorsichtig, es war in einem kleinen Appartement. Kein Klingelschild oder Hinweisschild, nichts. Niemand wusste davon."
    Angriffe auf Aktivisten
    Ein Jahr zuvor war Nikola Gruevski zum Premierminister Mazedoniens gewählt worden. Die Regierung entwickelte sich mehr und mehr in ein autokratisches Regime, das nationale und konservative Werte propagierte. Familie, Kirche, Vaterland.
    Im Mai hat die Koalition unter Führung der Sozialdemokratischen SDSM die Regierung übernommen. Zufällig zur gleichen Zeit wurde das "Safe House" eröffnet – es ist auf dem Westbalkan einmalig. Eines der vielen kleinen hoffnungsvollen Zeichen für einen politischen Wandel, meint Biljana:
    "Die Dinge ändern sich jetzt ein wenig. Mit der neuen Regierung, egal wie kritisch ich ihr gegenüberstehe, haben wir die Chance, unsere Anliegen vorzubringen. Und für mich ist das sehr wichtig."
    Wo das "Safe House" genau liegt, soll trotzdem geheim bleiben, zum Schutz der Bewohner. Schließlich wurde auch das LGBTI-Zentrum, in dem sich Elena, Biljana und andere Aktivisten getroffen haben, schon häufiger von Steinewerfern angegriffen, Menschen wurden verletzt.
    "Wir haben Überwachungskameras, da sind ihre Gesichter drauf, natürlich wissen wir, wer uns angegriffen hat. Nur die Polizei ist zu inkompetent, um es herauszufinden. Oder es gab zu wenig politischen Willen, solche Fälle anzugehen."
    Auch ein Anti-Diskriminierungsgesetz mit Blick auf die sexuelle Orientierung gebe es bisher noch nicht. Biljana spricht trotzdem offen über ihr Coming-out, steht auf der "European Lesbian Conference" in Wien als Referentin auf der Bühne.
    Wenn sie zu Hause in Skopje mit ihrer Freundin durch die Straßen spaziert, überlegt sie sich aber genau, ob sie sich küssen oder auch nur Händchen halten.
    "Trotzdem mach ich es. Denn ich liebe meine Freundin, und ich liebe es, ihre Hand zu halten."
    Biljana blickt ihre Ex-Freundin Elena kurz an, lacht, umarmt sie dann und drückt ihr einen kleinen Kuss auf die Wange.