Frankreichs Fußballnationalspieler Marcus Thuram hatte vorgelegt. Nach den Europawahlen und dem starken Abschneiden des Rassemblement National, der in Frankreich mit über 30 Prozent auf Platz eins landete, sagte Thuram bei einer Pressekonferenz mit Blick auf die politische Lage in seinem Heimatland:
„Sie ist traurig und sehr ernst. Ich habe davon nach dem Spiel gegen Kanada erfahren. In der Umkleidekabine waren wir alle schockiert. Das ist heute die traurige Realität unserer Gesellschaft. Man muss wählen gehen und zu allen sagen, dass sie wählen sollen. Als Bürger – egal ob ich das bin oder Sie – müssen wir tagtäglich dafür kämpfen, dass das nicht mehr passiert und der Rassemblement National nicht gewinnt.“
Mbappé: "Extreme an der Tür zur Macht"
Natürlich sei jeder frei in seiner Entscheidung, so Thuram. Aber er habe keinen Zweifel daran, dass man in der französischen Nationalmannschaft so denke wie er. Den Beweis lieferte kurz darauf Kylian Mbappé. Es sei ein historischer Moment für Frankreich, so der Kapitän von „Les Bleus“:
„Die EM ist sehr wichtig für unsere Karrieren, aber wir sind vor allem Bürger und nicht abgekoppelt von der Welt um uns herum und noch weniger, wenn es unser Land betrifft. Deshalb will ich mich an alle Franzosen wenden und vor allem an die junge Generation. Die Extremen stehen an der Tür zur Macht. Und wir können über die Zukunft unseres Landes entscheiden. Deshalb rufe ich alle jungen Leute dazu auf, zu wählen und sich bewusst zu werden, wie wichtig diese Situation ist.“
Mbappé hofft, mit seinem Appell möglichst viele zu erreichen. Eindringlich warnte auch er:
„Wir müssen uns mit diesem Land identifizieren können, mit unseren Werten wie Vielfalt, Toleranz und Respekt. Ich weiß, dass viele Junge sich sagen: Eine Stimme wird nichts verändern. Aber ganz im Gegenteil: Jede Stimme zählt! Ich hoffe wirklich, dass man die richtige Wahl trifft und wir am 7. Juli noch stolz sind, dieses Trikot zu tragen.“
Deschamps: "Keine Vorschriften vom Verband"
Heißt: nach der zweiten Runde der Parlamentswahl, wenn feststeht, wer sie gewonnen hat. Den extrem rechten Rassemblement National nannte Mbappé zwar nicht direkt. Er fügte aber hinzu, er habe die gleiche Position wie Marcus Thuram. Die politischen Positionierungen sorgten für Wirbel. Nicht allen gefiel dieses eindeutige Engagement. Der französische Fußball-Verband versicherte nach den Äußerungen der Spieler in einer Mitteilung seine Neutralität und rief zur Zurückhaltung auf. Trainer Didier Deschamps stellte aber klar:
„Da gibt es keine Vorschriften von mir oder vom Verband. Die Spieler haben die Freiheit, mit ihren Worten ihrem Gefühl entsprechend zu sagen, was sie sagen wollen.“
Und 200 weitere Sportler, wie der ehemalige Tennisspieler Yannick Noah, riefen in der Sport-Zeitung „L'Equipe“ ebenso dazu auf, gegen den RN zu stimmen und verurteilten dessen Ideen. Dieser würde den Respekt mit Füßen treten, heißt es da. Respekt sei aber ein Eckpfeiler des Sports.
RN: "Sportler wollen den Leuten Lektionen erteilen"
In Interviews wurden Politiker des Rassemblement National mit den Sportler-Statements konfrontiert. Parteichef Jordan Bardella will Premierminister werden, wenn die extrem Rechten bei der Parlamentswahl eine absolute Mehrheit der Abgeordneten-Sitze in der Nationalversammlung gewinnen. Er bewundere die sportlichen Leistungen von Thuram und Mbappé, so Bardella, aber:
„Man muss die Wahlentscheidung jedes Einzelnen respektieren. Wenn man das Glück hat, sehr viel zu verdienen, Multimillionär ist und im Privatjet herumfliegen kann, ärgert es mich ein bisschen, dass diese Sportler den Leuten Lektionen erteilen, die 1.400 oder 1.500 Euro verdienen und nicht über die Runden kommen, die nicht in sicheren Vierteln leben, überwacht von Sicherheitsleuten, und die manchmal das Gefühl haben, sie verlieren ihren Wert in diesem Land.“
Andere finden die Sportler-Appelle mutig. Der Meinungsforscher Stéphane Zumsteeg vom IPSOS-Institut glaubt nicht, dass die Aufrufe von Spitzensportlern sich konkret auf das Wählerverhalten auswirken. Aber, sagt Zumsteeg, sie unterstützten diejenigen, für die der RN keine Partei wie jede andere ist. Zumsteeg verweist aber auch auf ein anderes Phänomen:
„Es verstärkt oft die Wählerstimmen für die Extreme – welche auch immer – wenn man sie zum Teufel erklärt. Je mehr sie kritisiert werden, desto mehr Leute versammeln sich hinter ihren Ideen.“