Fassbinder war ein genialer Regisseur für Film und Theater, er war Schauspieler, Produzent und Drehbuchautor. Seine Filme provozierten die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft, sei es durch homoerotische Themen, die Themen der NS-Vergangenheit oder die Auswirkungen des sogenannten Wirtschaftswunders.
Die Fassbinder-Biografie von Jürgen Trimborn beginnt klassisch mit der Nachkriegskindheit und Jugend in Bayern. Sie vertieft die familienpsychologische Analyse aber nicht so sehr, sondern legt ein stärkeres Gewicht auf Fassbinders Sozialisation im Milieu der Homosexuellenszene. Trimborn beschreibt diesen zentralen Aspekt als relativ problemlos gelebtes Leben in der Bohéme-Szene der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Fassbinders erotische Einsätze als Stricher gehören dort geradeso zum Alltag wie libidinöse Verflechtungen und der strategische Körpereinsatz im Filmgeschäft. Im Film ist, so lernt man bei Trimborn, das kühle Geschäft mit Erotik und Emotion auch unter schwulen Vorzeichen ziemlich normal. Der Skandal ist denn auch nicht die Homosexualität, sondern die Ausbeutung der Gefühle als Arbeitsprinzip.
"Obwohl Fassbinder seine Homosexualität nach wie vor höchst selbstverständlich mit vielen unterschiedlichen Männern auslebte, legte er offensichtlich großen Wert darauf, auch Freundinnen mit seinen Besitzansprüchen, Forderungen und ständigen Vorwürfen so eng wie möglich an sich zu binden. Irm Hermann wurde auf diese Weise die Erste in einer ganzen Reihe von Frauen, die Fassbinder in seinem Wunsch nach einem möglichst unkonventionellen und unbürgerlichen Lebensstil um sich scharte und teils in regelrechte Hörigkeitsverhältnisse ihm gegenüber zu drängen versuchte."
Die Schauspielerin Irm Hermann gehörte schon früh zu Entourage und Ensemble des Fassbinderspektakels. Zahlreiche Episoden aus dem kommunalen Zusammenleben der Theater- und Filmtruppe und die Sitten am Filmset zeigen brutale zwischenmenschliche Umgangsformen. Fassbinders erster großer Kinofilm heißt "Liebe ist kälter als der Tod". Das könnte fast das Motto des von Trimborn mitporträtierten Fassbinder-Clans abgeben:
"Es gefiel ihm, angehimmelt und umschwärmt zu werden. Am meisten blühte er auf, wenn gleichzeitig mehrere um seine Liebe buhlten, da er dann die Menschen in seinem Umfeld aufeinander eifersüchtig machen und gegeneinander ausspielen konnte."
Christoph Theodor Roser war einer der Ersten, die dem jungen Künstler aus Liebe zu Produktionsmitteln verhalfen. Er spendete die eigenen Ersparnisse für Fassbinders erste Kurzfilme "Der Stadtstreicher" und "Das kleine Chaos". Fassbinder setzte seine Anziehungskraft hemmungslos ein und hatte schon als Schauspielschüler ein klares Ziel: Er wollte der beste Regisseur aller Zeiten werden. Aber persönliches Charisma war auch damals nicht alles. Bei der Berliner Film- und Fernsehakademie wurde der Bewerber 1966 abgelehnt:
"Die Gründe für seine Ablehnung lassen sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Da sein eingereichtes Drehbuch bereits im Vorfeld für positives Aufsehen gesorgt hatte, muss entweder der von ihm gedrehte Kurzfilm den Ausschlag gegeben haben – was durchaus denkbar ist, da Fassbinder bislang nie selbst eine Kamera in der Hand gehalten hatte – oder aber sein mangelndes politisches Bewusstsein. Dieses wurde von allen Kandidaten erwartet und musste in der damaligen Zeit an einer solchen Institution natürlich ein ausgesprochen linkes und gegen das bundesrepublikanische Establishment eingestelltes sein."
Trimborn legt eine von vielen unterhaltsamen Episoden nach. An der Berliner Filmakademie hatte man 1966 – es war peinlich - eines der größten Talente der Regiegeschichte ignoriert, dafür aber einen gewissen Holger Meins aufgenommen. Der nutzte die Gelegenheit, um einen Film über die Herstellung eines Brandsatzes zu drehen, an dessen Ende die Axel-Springer-Zentrale an der Berliner Mauer zu sehen war. Einige der frühen RAF-Anhänger gingen auch ins Theater, allerdings ins Action Theater, das in der New Yorker Tradition des politischen Protesttheaters agierte und für Fassbinder das Sprungbrett seines Erfolgs wurde:
"Nicht nur was die Themen anging, sah sich die Münchner Truppe in der Tradition des Living Theatres, sondern auch was die dort kultivierten Bühnenkonventionen anbelangte. Indem man versuchte, das Publikum, das während der Vorstellung Bier und Wein trinken und später mit den Schauspielern in Dialog treten konnte, aktiv in das Bühnengeschehen einzubeziehen, ahmte man das große Vorbild nach. Diese für Fassbinder völlig neue, erfrischend-anarchistische Art, Theater zu machen, interessierte Fassbinder letztlich weitaus mehr als der politische Überbau, den das Action Theater sich gab, indem es seine Antigone-Inszenierung zur Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg erklärte."
Das Porträt eines eher Unpolitischen wird bestätigt, als Fassbinder im kollektivistischen Münchner Action Theater eine zentrale Stellung für sich beansprucht und durchsetzt. Wiederum unter gezielter Ausnützung seiner erotischen Wirkung, der jetzt die tonangebende Theaterfrau Ursula Strätz erliegt. Und am Ende fliegen die Fetzen, als ihr Gatte und Mitgründer Horst Söhnlein "sein" Anti-Theater in Stücke haut und mit Holger Meins und Freunden davon zieht, um in Berlin ein Kaufhaus anzuzünden. Für die kreative Kommune war der Autokrat Fassbinder kein Glückstern. Aus Söhnleins Action Theater wurde Fassbinders antiteater, und sein eigener Stern ging jetzt erst richtig auf:
"Die Bettleroper machte Fassbinder, der nicht nur als Regisseur und Autor, sondern neben Kurt Raab und Hanna Schygulla als verwegener bayrischer Hinterhof-Mackie auch noch als einer der Hauptdarsteller fungierte, endgültig zum Star der Truppe, der die anderen Mitwirkenden in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in den Hintergrund drängte. 'Je berühmter Fassbinder wurde, desto mehr wurden wir zurückgesetzt. Er flutschte wirklich davon. Es war unheimlich', erinnerte sich Kurt Raab."
Trimborn entwirft einen klaren Aufriss der von Fassbinder entwickelten und beherrschten Arbeits- und Machtbeziehungen. Dabei ist er für einen Biografen wohltuend kritisch. Das heißt aber nicht, dass er an Fassbinders Wirkung zweifelt. Der Autor zitiert zustimmend Peter Zadek, der den Regisseur als Gegner der Spießer und Mitmacher bewunderte, ihn aber für einen "ungemütlichen Typen" hielt. Ein ungemütlicher Typ, der 15 Millionen prüden Fernsehzuschauern im Film "Katzelmacher" das halb erigierte Glied von Harry Baer zumutet, der ihnen aber auch das TV-Spektakel "Berlin Alexanderplatz" oder Hanna Schygulla als Weltstar bringt. Und mit seinen Stars und einer eigenen Filmästhetik weist der Hauptakteur des Neuen Deutschen Films einen Weg aus der Goebbels-Ästhetik, die mit Heinz Rühmann bis Zarah Leander noch lange nach dem Nazispuk die deutsche Szene beherrschte. Trimborn zeigt die Person Fassbinder in einer schonungslosen Weise, die aber nicht auf Sensationen abzielt. Im Zentrum stehen Werk und Schaffen eines manischen Künstlers, der im Jahr 1970 gleich sieben Filme hintereinander produzierte. Und im Kinofilm "Lola" aus dem Jahr 1981 - mit einem Staraufgebot von Barbara Sukowa über Armin Müller-Stahl bis zu Mario Adorf und Rosel Zech - erkennt der Biograf Trimborn dann doch eindeutig gesellschaftspolitische Zeichen:
"Auch in diesem Film zeigt Fassbinder Liebe als das wirksamste Mittel gesellschaftlicher Unterdrückung und führt zudem eindrucksvoll die Arrangements, den Filz und die Machtstrukturen vor Augen, die sich in den fünfziger Jahren zur Zeit von Bundeskanzler Adenauer herauskristallisiert haben und bis in die Gegenwart fortwirken: Machtkartelle aus Politik und Wirtschaft, die gerade auf lokaler Ebene die Geschichte des Landes bestimmen. Mit Lola zeichnete der Fimemacher damit das pessimistischste Portrait einer durch und durch angepassten Gesellschaft, in der nach wie vor Profit alleiniger Maßstab des Handelns ist und eigenständiges Denken und kritische Intelligenz nicht gefragt sind. Die Prostituierte Lola ist die Symbolfigur dieser Gesellschaft, in der die Marktwirtschaft über alles triumphiert."
Auch Fassbinder ging seine Kompromisse mit dieser Welt ein. An Ruhm und Reichtum hatte er sich ebenso schnell gewöhnt wie an die Macht am Filmset. Er hat nicht nur Millionen für Filme gebraucht, sondern auch für Kokain und ein aufwendiges Jet Set-Leben. Seine Devise war: Lebe schnell und nimm dir alles! Es scheint, als habe Rainer Werner Fassbinder doch nicht alles bekommen. Er hat das wahre Leben im Film gesucht, gefunden hat er das falsche im Drogenrausch und einen frühen Tod mit 37 Jahren. Jürgen Trimborn durchleuchtet die Mechanismen dieses Schicksals gründlich und verknüpft Person, Filmografie und Zeitgeschichte zu einem überzeugenden Porträt.
Jürgen Trimborn: "Ein Tag ist ein Jahr ist ein Leben. Rainer Werner Fassbinder. Die Biografie". Propyläen, 464 Seiten
Die Fassbinder-Biografie von Jürgen Trimborn beginnt klassisch mit der Nachkriegskindheit und Jugend in Bayern. Sie vertieft die familienpsychologische Analyse aber nicht so sehr, sondern legt ein stärkeres Gewicht auf Fassbinders Sozialisation im Milieu der Homosexuellenszene. Trimborn beschreibt diesen zentralen Aspekt als relativ problemlos gelebtes Leben in der Bohéme-Szene der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Fassbinders erotische Einsätze als Stricher gehören dort geradeso zum Alltag wie libidinöse Verflechtungen und der strategische Körpereinsatz im Filmgeschäft. Im Film ist, so lernt man bei Trimborn, das kühle Geschäft mit Erotik und Emotion auch unter schwulen Vorzeichen ziemlich normal. Der Skandal ist denn auch nicht die Homosexualität, sondern die Ausbeutung der Gefühle als Arbeitsprinzip.
"Obwohl Fassbinder seine Homosexualität nach wie vor höchst selbstverständlich mit vielen unterschiedlichen Männern auslebte, legte er offensichtlich großen Wert darauf, auch Freundinnen mit seinen Besitzansprüchen, Forderungen und ständigen Vorwürfen so eng wie möglich an sich zu binden. Irm Hermann wurde auf diese Weise die Erste in einer ganzen Reihe von Frauen, die Fassbinder in seinem Wunsch nach einem möglichst unkonventionellen und unbürgerlichen Lebensstil um sich scharte und teils in regelrechte Hörigkeitsverhältnisse ihm gegenüber zu drängen versuchte."
Die Schauspielerin Irm Hermann gehörte schon früh zu Entourage und Ensemble des Fassbinderspektakels. Zahlreiche Episoden aus dem kommunalen Zusammenleben der Theater- und Filmtruppe und die Sitten am Filmset zeigen brutale zwischenmenschliche Umgangsformen. Fassbinders erster großer Kinofilm heißt "Liebe ist kälter als der Tod". Das könnte fast das Motto des von Trimborn mitporträtierten Fassbinder-Clans abgeben:
"Es gefiel ihm, angehimmelt und umschwärmt zu werden. Am meisten blühte er auf, wenn gleichzeitig mehrere um seine Liebe buhlten, da er dann die Menschen in seinem Umfeld aufeinander eifersüchtig machen und gegeneinander ausspielen konnte."
Christoph Theodor Roser war einer der Ersten, die dem jungen Künstler aus Liebe zu Produktionsmitteln verhalfen. Er spendete die eigenen Ersparnisse für Fassbinders erste Kurzfilme "Der Stadtstreicher" und "Das kleine Chaos". Fassbinder setzte seine Anziehungskraft hemmungslos ein und hatte schon als Schauspielschüler ein klares Ziel: Er wollte der beste Regisseur aller Zeiten werden. Aber persönliches Charisma war auch damals nicht alles. Bei der Berliner Film- und Fernsehakademie wurde der Bewerber 1966 abgelehnt:
"Die Gründe für seine Ablehnung lassen sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Da sein eingereichtes Drehbuch bereits im Vorfeld für positives Aufsehen gesorgt hatte, muss entweder der von ihm gedrehte Kurzfilm den Ausschlag gegeben haben – was durchaus denkbar ist, da Fassbinder bislang nie selbst eine Kamera in der Hand gehalten hatte – oder aber sein mangelndes politisches Bewusstsein. Dieses wurde von allen Kandidaten erwartet und musste in der damaligen Zeit an einer solchen Institution natürlich ein ausgesprochen linkes und gegen das bundesrepublikanische Establishment eingestelltes sein."
Trimborn legt eine von vielen unterhaltsamen Episoden nach. An der Berliner Filmakademie hatte man 1966 – es war peinlich - eines der größten Talente der Regiegeschichte ignoriert, dafür aber einen gewissen Holger Meins aufgenommen. Der nutzte die Gelegenheit, um einen Film über die Herstellung eines Brandsatzes zu drehen, an dessen Ende die Axel-Springer-Zentrale an der Berliner Mauer zu sehen war. Einige der frühen RAF-Anhänger gingen auch ins Theater, allerdings ins Action Theater, das in der New Yorker Tradition des politischen Protesttheaters agierte und für Fassbinder das Sprungbrett seines Erfolgs wurde:
"Nicht nur was die Themen anging, sah sich die Münchner Truppe in der Tradition des Living Theatres, sondern auch was die dort kultivierten Bühnenkonventionen anbelangte. Indem man versuchte, das Publikum, das während der Vorstellung Bier und Wein trinken und später mit den Schauspielern in Dialog treten konnte, aktiv in das Bühnengeschehen einzubeziehen, ahmte man das große Vorbild nach. Diese für Fassbinder völlig neue, erfrischend-anarchistische Art, Theater zu machen, interessierte Fassbinder letztlich weitaus mehr als der politische Überbau, den das Action Theater sich gab, indem es seine Antigone-Inszenierung zur Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg erklärte."
Das Porträt eines eher Unpolitischen wird bestätigt, als Fassbinder im kollektivistischen Münchner Action Theater eine zentrale Stellung für sich beansprucht und durchsetzt. Wiederum unter gezielter Ausnützung seiner erotischen Wirkung, der jetzt die tonangebende Theaterfrau Ursula Strätz erliegt. Und am Ende fliegen die Fetzen, als ihr Gatte und Mitgründer Horst Söhnlein "sein" Anti-Theater in Stücke haut und mit Holger Meins und Freunden davon zieht, um in Berlin ein Kaufhaus anzuzünden. Für die kreative Kommune war der Autokrat Fassbinder kein Glückstern. Aus Söhnleins Action Theater wurde Fassbinders antiteater, und sein eigener Stern ging jetzt erst richtig auf:
"Die Bettleroper machte Fassbinder, der nicht nur als Regisseur und Autor, sondern neben Kurt Raab und Hanna Schygulla als verwegener bayrischer Hinterhof-Mackie auch noch als einer der Hauptdarsteller fungierte, endgültig zum Star der Truppe, der die anderen Mitwirkenden in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in den Hintergrund drängte. 'Je berühmter Fassbinder wurde, desto mehr wurden wir zurückgesetzt. Er flutschte wirklich davon. Es war unheimlich', erinnerte sich Kurt Raab."
Trimborn entwirft einen klaren Aufriss der von Fassbinder entwickelten und beherrschten Arbeits- und Machtbeziehungen. Dabei ist er für einen Biografen wohltuend kritisch. Das heißt aber nicht, dass er an Fassbinders Wirkung zweifelt. Der Autor zitiert zustimmend Peter Zadek, der den Regisseur als Gegner der Spießer und Mitmacher bewunderte, ihn aber für einen "ungemütlichen Typen" hielt. Ein ungemütlicher Typ, der 15 Millionen prüden Fernsehzuschauern im Film "Katzelmacher" das halb erigierte Glied von Harry Baer zumutet, der ihnen aber auch das TV-Spektakel "Berlin Alexanderplatz" oder Hanna Schygulla als Weltstar bringt. Und mit seinen Stars und einer eigenen Filmästhetik weist der Hauptakteur des Neuen Deutschen Films einen Weg aus der Goebbels-Ästhetik, die mit Heinz Rühmann bis Zarah Leander noch lange nach dem Nazispuk die deutsche Szene beherrschte. Trimborn zeigt die Person Fassbinder in einer schonungslosen Weise, die aber nicht auf Sensationen abzielt. Im Zentrum stehen Werk und Schaffen eines manischen Künstlers, der im Jahr 1970 gleich sieben Filme hintereinander produzierte. Und im Kinofilm "Lola" aus dem Jahr 1981 - mit einem Staraufgebot von Barbara Sukowa über Armin Müller-Stahl bis zu Mario Adorf und Rosel Zech - erkennt der Biograf Trimborn dann doch eindeutig gesellschaftspolitische Zeichen:
"Auch in diesem Film zeigt Fassbinder Liebe als das wirksamste Mittel gesellschaftlicher Unterdrückung und führt zudem eindrucksvoll die Arrangements, den Filz und die Machtstrukturen vor Augen, die sich in den fünfziger Jahren zur Zeit von Bundeskanzler Adenauer herauskristallisiert haben und bis in die Gegenwart fortwirken: Machtkartelle aus Politik und Wirtschaft, die gerade auf lokaler Ebene die Geschichte des Landes bestimmen. Mit Lola zeichnete der Fimemacher damit das pessimistischste Portrait einer durch und durch angepassten Gesellschaft, in der nach wie vor Profit alleiniger Maßstab des Handelns ist und eigenständiges Denken und kritische Intelligenz nicht gefragt sind. Die Prostituierte Lola ist die Symbolfigur dieser Gesellschaft, in der die Marktwirtschaft über alles triumphiert."
Auch Fassbinder ging seine Kompromisse mit dieser Welt ein. An Ruhm und Reichtum hatte er sich ebenso schnell gewöhnt wie an die Macht am Filmset. Er hat nicht nur Millionen für Filme gebraucht, sondern auch für Kokain und ein aufwendiges Jet Set-Leben. Seine Devise war: Lebe schnell und nimm dir alles! Es scheint, als habe Rainer Werner Fassbinder doch nicht alles bekommen. Er hat das wahre Leben im Film gesucht, gefunden hat er das falsche im Drogenrausch und einen frühen Tod mit 37 Jahren. Jürgen Trimborn durchleuchtet die Mechanismen dieses Schicksals gründlich und verknüpft Person, Filmografie und Zeitgeschichte zu einem überzeugenden Porträt.
Jürgen Trimborn: "Ein Tag ist ein Jahr ist ein Leben. Rainer Werner Fassbinder. Die Biografie". Propyläen, 464 Seiten