Egal, ob in den kreisfreien Städten Schwerin und Rostock oder in den sechs riesigen Landkreisen von Mecklenburg-Vorpommern - wenn die dortigen Ausländerbehörden Sprechtag haben, bilden sich stets lange Warteschlangen. Das war bis vor Kurzem noch anders, sagt Marko Schneider. Seit 2012 leitet er die Ausländerbehörde in Deutschlands drittgrößtem Landkreis Vorpommern-Greifswald.
"Also die Zahl der Ausländer hat sich seitdem nahezu verdoppelt. Wir hatten seinerzeit 2012 einen Ausländeranteil von zwei Prozent und sind jetzt schon bei weit über vier Prozent. Allein am Standort Greifswald rechnen wir pro Sprechtag mit 100 bis 150 Personen, die vorsprechen, wo man im Prinzip darüber entscheiden muss, ob wir einen Aufenthaltstitel erteilen bzw. eine Gestattung verlängern, eine Duldung erteilen müssen."
Und dann ist da die Abschiebung, oder besser: Rückführung von Ausreisepflichtigen. Damit befassen sich die 14 Mitarbeiter an den Standorten Anklam, Pasewalk und Greifswald immer dann, wenn das Amt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag und auch den Flüchtlingsstatus ablehnt. Denn dann müssen die Betroffenen Deutschland innerhalb weniger Wochen verlassen.
Die Ausländerbehörde kennt die gesetzte Frist und hat ein Auge darauf. Die Ausreisepflichtigen müssen eine von der Bundespolizei abgestempelte Grenzübertrittsbescheinigung an die Behörde schicken und sich damit quasi offiziell abmelden.
"Wenn das nicht nachgewiesen ist, müssten wir im Zweifel davon ausgehen, dass er sich unbekannt irgendwo im Land noch aufhält. Dann geben wir dem Landesamt die Information und würden die Abschiebung als Zwangsmaßnahme ansteuern."
Das Landesamt für Migration und Flüchtlinge organisiert die zwangsweise Rückführung per Flugzeug, per Schiff oder Zug und setzt den Abschiebetermin fest. Wird die "Maßnahme" durchgeführt, sind stets Polizisten von Bund oder Land dabei. Mitarbeiter von der Ausländerbehörde begleiten Betroffene aus ihrem Landkreis von der Wohnung bis zur Fähre oder zum Hamburger, Berliner und manchmal sogar bis zum Frankfurter Flughafen.
Behörden mussten den Abschiebetermin nicht ankündigen
Laut Behördenleiter Marko Schneider wurden in Vorpommern-Greifswald in diesem Jahr rund 80 solcher Maßnahmen durchgeführt. Eine Maßnahme ist mal die Rückführung einer Einzelperson, mal einer fünfköpfigen Familie und in seltenen Fällen so etwas wie vorige Woche, als Mecklenburg-Vorpommern auf einen Schlag 140 Ausreisepflichtige zurück in den Balkan fliegen ließ.
"Es war für uns auch eine erfolgreiche Maßnahme. Wir haben circa 80 Prozent von denen, die mit auf der Liste standen, auch zurückführen können."
Das lag vor allem an dem gerade in Kraft getretenen Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz. Erst einmal mussten die Behörden den Abschiebetermin nicht ankündigen. Das war bisher anders.
"Derzeit ist es so, dass wir überwiegend die Leute nicht antreffen. Das ist schon, würde ich sagen, die Masse. Sie halten sich über einen gewissen Zeitraum in anderen Städten im Bundesgebiet auf und melden das nicht. Vielleicht haben sie auch schon die Mutmaßung, dass es zu einer Rückführung kommen könnte, und tauchen einfach ab."
Wenn der Reisepass plötzlich fehlt
In ganz Mecklenburg-Vorpommern leben derzeit rund 3.500 Ausreisepflichtige, doch nur 600 könnten - theoretisch - sofort abgeschoben werden, wenn sie nicht freiwillig gehen. 2.900 sind geduldet, sagt Innenminister Lorenz Caffier (CDU); mal sind die Kinder krank, mal die Erwachsenen plötzlich reiseunfähig geschrieben. Besonders häufig ist der Pass weg. Im Landkreis Vorpommern-Greifswald sind derzeit 60 bis 70 Prozent "nicht abschiebbar", weil die Zielstaaten Rückkehrer ohne Reisepass nicht aufnehmen. In den anderen Ausländerbehörden macht man ähnliche Erfahrungen.
"Das sind alles Altfälle, über die wir reden, also die vor dem 1.11. angefallen sind und die sich alle in den Kommunen befinden. Das ist aus meiner Sicht ein untragbarer Zustand."
Gesetz versus Menschlichkeit
Gesetz versus Menschlichkeit
Und deshalb müsse Berlin mehr tun - vor allem im Bereich Pass-Ersatz-Dokumente, sagt Lorenz Caffier. Das SPD-CDU-Kabinett in Schwerin will derweil Spielräume diskutieren, die das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz den Ländern bietet - etwa weniger Schlupflöcher beim Thema Reiseunfähigkeit. Und - so der Innenminister:
"Da überlege ich auch, ob wir möglicherweise den einen oder anderen zusätzlichen Anreiz schaffen können für die, die, wie wir es nennen, 'freiwillig die Rückreise antreten'. Die gibt es auch, aber aus meiner Sicht eben zu wenig. Und insofern – natürlich weiß ich, dass jede Rückführung nicht angenehm ist. Aber die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben auch einen Anspruch darauf, dass wir das Recht umsetzen und nicht einfach sagen: 'Es geht hier um Flüchtlinge, da setzen wir das Recht mal außer Kraft.' Das geht nicht."