Kagelow bei Wismar. Dass sie einmal eine Bürgerinitiative mitgründen und zu Gemeinderatssitzungen gehen würde, hätte sich Frau Finnern aus dem Gemeindeteil Rohlsdorf nicht träumen lassen. Doch was zu viel ist, ist zu viel. Beziehungsweise zu hoch, denn:
- "Auf unserer Gemeindeseite stehen neun Windmühlen. Die sind vor 16 Jahren gebaut und heute stehen wir vor der Situation, dass man diese neun Anlagen abbauen will und durch vier doppelt so hohe ersetzen will."
- "Wir reden dann über welche Höhe?"
- "180 Meter. Unser Wohnhaus steht etwa 700 Meter von der ersten Mühle weg. Und da soll so eine hohe wieder hin."
- "Wir reden dann über welche Höhe?"
- "180 Meter. Unser Wohnhaus steht etwa 700 Meter von der ersten Mühle weg. Und da soll so eine hohe wieder hin."
Unmut wegen hoher Windmühlen
Frau Finnern beschreibt den Anfang eines Prozesses, den die Fachleute "Repowering" nennen. Landauf, landab wollen die Windparkbetreiber die erste Windmühlengeneration nun durch leistungsfähigere und somit erheblich größere Anlagen ersetzen - sehr zum Kummer vieler Anwohner.
"Wir haben uns arrangiert mit den Anlagen, die da stehen. Sie stören uns natürlich in gewisser Hinsicht durch Lärmbelästigung, durch Schattenspiele. Und meine Familie und ich, wir sind natürlich persönlich daran interessiert, dass diese Mühle, die so dicht bei uns steht, nicht durch eine doppelt hohe ersetzt wird. Und jetzt wachen auch sehr viele weiter unten im Dorf auf. Jetzt hat die Dorfbevölkerung da unten Angst, dass sie durch die höheren auch betroffen werden."
"Ja, das ist natürlich immer, durch welche Brille man das betrachtet", weiß der Biobauer Dietmar Hocke aus Kagelow. Ihm gehören vier kleinere Windmühlen in der Nachbarschaft. Kein Wunder, dass seine Familie besser mit den gelegentlichen Belästigungen klarkommt.
"Sobald ein Verdienst dagegen steht, ist die Akzeptanz eine ganz andere. Das ist ja auch ein Ansatz, den wir jetzt immer mehr verfolgen, dass wir die Kommunen mit ins Boot holen. Dass wir dadurch sagen, das Geld wird vor Ort verdient und es so auch im Dorf bleiben. Das ist eigentlich ein Ansatz, der viel zu selten gerade in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt wurde."
Vor fünf Jahren investierte Dietmar Hocke in die ersten vier Windmühlen. Schon damals spürte er, dass die Stimmung im Lande kippt, weil immer mehr und immer höhere Windkraftanlagen gebaut wurden.
"Ich habe hier die Akzeptanz dadurch gewonnen, dass ich erst mal gesagt habe, ich bau die Anlagen nicht auf meinen eigenen Ackerflächen. Wir haben die Erstanlage auf gemeindlicher Fläche errichtet. Wir haben auch die ganzen Ausgleichsmaßnahmen auf gemeindlichen Flächen gemacht, sodass vom ersten Tag an auch Geld bei der Kommune ankommt. Egal, ob man schon auf Gewinn fährt oder ob Steuereinnahmen reinkommen."
An seinem neuen Windparkprojekt beteiligt er die Gemeinde zu 25 Prozent als Mitgesellschafter. Doch den Gewinnkuchen freiwillig mit den Lokalen zu teilen, dazu ringen sich zu wenige der vor allem im Westen und in Berlin sitzenden Projektanbieter durch. Nun wird es ihnen das Land vorschreiben.
Denn viele Windparkaufträge gehen an hiesige Ingenieurs-, Planungs- und Servicebüros, zahlreiche Komponenten für die Anlagen werden in Mecklenburg-Vorpommern produziert. Wüchse die Ablehnung in der Bevölkerung und bekäme die landesweit aktive Bürgerinitiative "Freie Horizonte" - nun ja - Rückenwind für ihr Volksbegehren, könnte das am Ende auch einen der wichtigsten heimischen Wirtschaftszweige treffen. Was also tun? Zunächst die Stimmung per Umfrage erfassen, erklärt Energie-Staatssekretärin Ina-Maria Ulbrich (SPD):
"Da haben wir gefragt: Wie stehen Sie zur Windenergie allgemein? Da sind alle absolut dafür. Wie ist es, wenn bei Ihnen vor Ort eine Anlage steht? Da sagen dann schon ganz viele: Nee, das nicht mehr. Wenn wir dann aber fragen: Was wäre, wenn Sie sich daran beteiligen können, wenn Sie was davon haben? Dann steigt die Akzeptanz auf einmal wieder. Und genau das wollen wir ausnutzen."
20 Prozent der Anteile an Bürger und Kommunen
Ein Bürgerbeteiligungsgesetz soll nun den Betreiber verpflichten, für jeden einzelnen Windpark eine haftungsbeschränkte Gesellschaft zu gründen und insgesamt 20 Prozent der Anteile zum Kauf anzubieten. Und zwar allen Kommunen und allen Bürgern im Windparkumkreis von fünf Kilometern.
"Er muss ganz viele Informationen liefern, damit sich die Bürgerinnen und Bürger, auch die Kommunen, schlaumachen können: Was heißt das für mich? Die sich beteiligen wollen, müssen die Anteile zeichnen. Und dann wird das Zuschlagsverfahren, das Verteilverfahren gemacht. Wenn nicht alle 20 Prozent genutzt werden können, weil nicht ausreichend Bürger sich beteiligen wollen, das ist dann kein Beinbruch. Wir wollen nur die Unternehmer verpflichten, 20 Prozent anzubieten. Wir können ja nicht die Bürgerinnen und Bürger verpflichten, ihr müsst jetzt die Anteile kaufen. Das würde nicht gehen."
Auch die Rohlsdorfer und Kagelower haben von dem Schweriner Plan gehört, sagt Frau Finnern:
"Aber ich weiß jetzt nicht, inwieweit jemand bereit wäre, sich das finanziell einzubringen und zu beteiligen. Dafür braucht man ja auch ein gewisses Polster. Es wurde auch diskutiert in Dänemark. Da werden Leute, die in der näheren Umgebungen wohnen, finanziell entlastet mit irgendwas. Aber wir haben gesagt, wir sind doch nicht käuflich. Das wollen wir eigentlich gar nicht. Wir wollen nur, dass im Einvernehmen mit uns eine Lösung geschaffen wird."
Der gerade diskutierte Gesetzesentwurf bietet durchaus Alternativen zu dem aufwendigen Beteiligungsverfahren. So könnten die Windparkbetreiber für niedrige lokale Strompreise sorgen oder der Kommune freiwillig eine Abgabe zahlen. Derweil fände es Windmüller Dietmar Hocke besser, wenn die Windparkbetreiber 20 Prozent der Anteile ausschließlich den umliegenden Kommunen anbieten müssten.
"Ich finde wichtiger, dass das Geld bei der Kommune landet und nicht bei den zwei, drei Leuten im Dorf, die vielleicht vermögend sind. Weil dann kann man in Schulen, in Kitas, in Spielplätze und in die Infrastruktur im Dorf investieren, was der Einzelne auch nicht so in dem Rahmen machen würde."