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Mecklenburg-Vorpommern vor der Wahl
Weiden, Werften, Windkrafträder

Die meisten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sagen, dass es ihnen wirtschaftlich gut geht. Trotzdem sind viele unzufrieden. Das irritiert nicht nur die SPD, die seit 1998 den Ministerpräsidenten stellt. Profitieren könnte bei der Wahl am Sonntag die Alternative für Deutschland, die dabei ist, die politischen Kräfteverhältnisse aufzumischen.

Von Silke Hasselmann |
    Ein Windrad dreht sich in der Nähe von Schönberg (Mecklenburg-Vorpommern).
    Ein Windrad dreht sich in der Nähe von Schönberg, Mecklenburg-Vorpommern. Die wirtschaftliche Lage ist gut, aber viele sind unzufrieden. (Jens Büttner, dpa)
    "Ja, ich lebe seit 66 Jahren hier, im Nachbardorf Luckow geboren. Ahlbeck ist ein schönes Dorf. Wir haben saubere Luft. Wir haben Wasser, Wald. Wir haben alles, was man sich wünschen kann. Hier ist meine Heimat."
    Es ist nicht das "Kaiserbad"-Ahlbeck auf der Ostseeinsel Usedom, wo Tischlermeister Burkhard Krotz und seine Frau leben, sondern jenes lang gezogene 800-Einwohner-Dorf bei Eggesin im äußersten Osten von Vorpommern, rund zehn Kilometer vor der deutsch-polnischen Grenze.
    "Ich bin ja 1950 geboren und bis auf wenige Unterbrechungen, wenn wir auf dem Bau waren - vier Wochen oder ein halbes Jahr -, habe ich hier in Ahlbeck immer gewohnt. Ein Ahnenforscher hat herausgefunden, dass unsere Vorfahren schon 1650 hier sesshaft waren und mal aus Schweden rübergekommen sind. Und alle hatten mit Holz zu tun."
    Keine Arbeit mehr nach Abzug der Bundeswehr
    Die "Tischlerei Krotz" stellt in vierter Generation Türen und Fenster her, auch aufwendige Sonderanfertigungen für den Denkmalschutz. Das mache sonst kaum noch einer, sagt Burkhard Krotz.
    Die Luftaufnahme zeigt Penkun (Mecklenburg-Vorpommern) und Teile der Penkuner Seenkette. Penkun liegt im äußersten Südosten Vorpommerns nahe der Grenze zu Polen.
    Penkun und Teile der Penkuner Seenkette. Penkun liegt im äußersten Südosten Vorpommerns nahe der Grenze zu Polen. (dpa/picture-alliance/Klaus Prinz)
    Zu DDR-Zeiten waren hier in der kiefernbestandenen Sandbüchse um Eggesin und Torgelow circa 20.000 Soldaten gleichzeitig stationiert. Auch die folgende Bundeswehr war jahrelang der Hauptarbeit- und Auftraggeber in der Region, auch für Handwerker wie die Krotzens. Doch längst hat sich das Militär weitgehend zurückgezogen, wovon sich die ansonsten strukturschwache Region bis heute nicht erholt hat. Auch Ahlbeck nicht.
    "In dem kleinen Ort waren circa 100 Arbeitsplätze. Die Bäckerei hatte 20 Beschäftigte. Wir hatten über 20 Beschäftigte. Dann war noch ein zweiter Tischler da, der hatte zehn. Der Elektriker hatte 15 Beschäftigte. Das ist nichts mehr von. Also kann in der Wirtschaftspolitik irgendetwas nicht stimmen. Und keine Partei äußert sich so richtig dazu. Die wollen dat gar nicht hören."
    Frau Krotz: "Alle eigentlich - CDU, FDP, SPD - hatten jetzt 25 Jahre Zeit etwas zu verändern. Aber hier ist ja nix angekommen, fast nichts in Vorpommern."
    Der Unterschied zwischen der Realität und dem, was man fühlt
    Diesen Eindruck teilen viele Vorpommeraner: Die Arbeitslosigkeit war hier immer höher, das Einkommen immer niedriger als in West-Mecklenburg. Je weiter östlich im Land, desto verarmter die Menschen und Orte. Vorpommern sei abgehängt, meint Frau Krotz. "Meine Tochter, die ist in Berlin. Hat hier gelernt. Sie möchte gern zurückkommen mit ihrem Mann. Aber wat sollen sie hier? Arbeit gibt´s nicht."
    Richtig ist: Westmecklenburg profitiert stark von der Nähe zu Hamburg. Ähnliches kann man für Vorpommern noch nicht sagen. Dabei liegt mit Stettin eine polnische 400.000-Einwohner-Metropole nur 20 Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Grenze.
    Außerdem entscheiden Unternehmen immer noch nach langfristigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten, wo sie sich ansiedeln. Da hilft eine schöne Förderkulisse längst nicht immer.
    Dass sich viele Bürger für solche Details nicht interessieren, versteht Erwin Sellering (SPD). Aber, so der Ministerpräsident mit Ambitionen auf eine dritte Amtszeit kürzlich im Regionalfernsehen: "Wir müssen in Vorpommern ein bisschen schauen, dass der Unterschied zwischen der Realität und dem, was man fühlt, nicht zu weit auseinandergeht. Die IHK Neubrandenburg hat vor drei Monaten veröffentlicht, wie ihre Unternehmen die Situation sehen. Und optimistischer als diese Unternehmen kann man gar nicht in die Zukunft blicken: Alle wollen investieren. Alle wollen einstellen. Alle sehen Aufträge."
    Linke will Gefühle der Menschen aufgreifen
    Hingegen lässt der Spitzenkandidat der Partei Die Linke in seinem Wahlkampf keine Gelegenheit aus, um das Gefühl des Abgehängtseins aufzugreifen. Es ist ein Balanceakt, hatte Helmut Holter doch selbst das Land von 1998 bis 2006 mitregiert - als Arbeits- und Bauminister.
    Ein Wahlplakat der Linke hängt an einem Zaun in Mecklenburg-Vorpommern, darauf der Slogan "Gleiche Chancen im ganzen Land"
    "Gleiche Chancen im ganzen Land" - mit diesem Slogan wirbt die Linke. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    "Vorpommern und das östliche Mecklenburg bleiben hinter Westmecklenburg zurück. Die Menschen sind länger krank, sind länger arbeitslos, haben weniger Einkommen, weniger Sparrücklagen. Und leider sterben sie auch früher. Wir wollen verbinden und Chancen für alle Menschen im Land."
    Nicht zuletzt durch jede Menge steuerfinanzierte Beschäftigungsprojekte auf dem zweiten Arbeitsmarkt und Sozialprogramme. Dergleichen hatte die Linke in der bundesweit ersten rot-roten Koalition auf Landesebene durchgesetzt – mit zweifelhaftem Erfolg. Unter ihm als Ministerpräsidenten würde es eine Wiederauflage solcher Programme nicht geben, sagt Erwin Sellering.
    Doch für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass es für eine Fortsetzung der Großen Koalition mit der CDU nicht reichen sollte, kann sich die SPD grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke vorstellen. Das Problem: Auch hier schwächeln beide. Die Linke liegt laut einer ARD-Umfrage von voriger Woche bei 14 Prozent - ihr historischer Tiefststand in Mecklenburg-Vorpommern. Die SPD, die vor fünf Jahren noch knapp 35 Prozent der gültigen Stimmen auf sich vereinen konnte, steht derzeit bei 27 Prozent.
    Bei den Grünen zeigt der Trend nach unten
    Selbst für ein linkes Dreierbündnis mit den Grünen dürfte es schwer werden. Abgesehen davon, dass sich Ministerpräsident Sellering eine Regierungszusammenarbeit mit deren Spitzenpersonal nicht vorstellen kann - bei den Bündnisgrünen zeigt der Umfragetrend seit Monaten nach unten. Derzeit liegen sie bei fünf Prozent und bangen um den Wiedereinzug.
    Das Ahlbecker Tischlerehepaar wird keine dieser Parteien wählen. Auch die CDU nicht wie sonst immer. Keine biete die für sie richtigen Antworten: "Da wird so viel versprochen vor den Wahlen und dann passiert jahrelang nichts. Also wir sind Protestwähler. Wir wählen die AfD. Man muss denen 'ne Chance geben und viele konnten wir auch überzeugen. Bekannte gehen seit Jahren nicht wählen. Da haben wir jetzt auch gesagt: Ihr müsst! Wenn wir vielleicht etwas anschieben können, dann wollen wir's. Und - die haben auch soweit."
    Das Beachvolleyball-Turnier "Smart Beach Tour" macht regelmäßig auch in Binz auf Rügen Halt.
    Binz auf Rügen. Die Insel boomt dank Tourismus. (Imago)
    Ostseebad Binz auf Rügen, Deutschlands größter Insel. Binz ist eine der reichsten Kommunen im Land – dem Tourismus sei Dank. An diesem warmen Samstagabend Mitte August flanieren Tausende Urlauber am Strand oder durch die Stadt. Sie wirken entspannt und heiter.
    AfD will Rot-rot-grün verhindern
    Doch rund 70 Menschen steht der Sinn nach Politik und Wahlkampf. Sie zieht es zu einer AfD-Veranstaltung in das Binzer Hotel "Arkona". Leif-Erik Holm ist gekommen. Der studierte Volkswirt und ehemalige Privatradiomoderator will als Spitzenkandidat in MV erreichen, dass die Alternative für Deutschland zum ersten Mal in einem Landtag stärkste Partei wird. Zwar werde Mecklenburg-Vorpommern dann wahrscheinlich weiterhin von einer Großen Koalition aus SPD und CDU regiert. Doch das sei immer noch besser als "Linksrutsch", so Holm.
    "Dafür müssen wir bei ungefähr 25 Prozent liegen. Dann werden wir auf jeden Fall linke Mehrheiten verhindern. Es wird keine Rot-rote-Regierung geben, und es wird dann voraussichtlich auch keine rot-rot-grüne Regierung geben. Das wäre schon mal ein wichtiger Schritt."
    Die AfD sei die einzige Partei in Deutschland, die klar anspreche, was in der Flüchtlings- und Migrationspolitik falsch laufe, und die auf die Einhaltung des Grundgesetzes ohne Wenn und Aber bestehe, sagt Leif-Erik Holm. Er verweist auf den Artikel 16 a, der das Recht auf Asylverfahren in Deutschland regelt, aber auch den Umgang mit jenen, die abgelehnt werden. Holm spricht von "Staatsversagen" im Zusammenhang mit der "unkontrollierten Masseneinwanderung" und von einer "teuren, aber am Ende vielleicht sogar selbstzerstörerischen Illusion", man könne so viele Menschen aus fremden Kulturen und problematischen Religionen integrieren.
    "Also wir müssen dafür sorgen, dass wir endlich zu einem kontrollierten System der Einwanderung kommen. Die AfD sagt von Anfang an: Ja, eine maßvolle Einwanderung nach unseren Interessen ist ja möglich. Aber in diesen Massen und unkontrolliert - das kann nicht die Zukunft Deutschlands sein. Und das müssen wir Frau Merkel immer wieder in ihr Poesiealbum schreiben, damit sie es irgendwann kapiert. Ich gehe zwar davon aus, dass es nicht passieren wird. Aber sie wird dann wachgerüttelt durch die Wahlergebnisse hoffentlich bald auch hier in Mecklenburg-Vorpommern."
    Immer weniger Flüchtlinge
    Derzeit kommen in dem großen Flächenland rund 25.000 Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge auf 1,6 Millionen angestammte Einwohner. Der akute Druck, immer neue Ankömmlinge aufnehmen zu müssen, ist vorbei, seit die Balkan-Route geschlossen ist.
    Anhänger der Partei "Alternative für Deutschland" am 20.7.2016 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf einer Wahlkampfveranstaltung der AfD mit Parteichefin Frauke Petry
    Anhänger der Partei "Alternative für Deutschland" am 20.7.2016 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf einer Wahlkampfveranstaltung der AfD mit Parteichefin Frauke Petry (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    Dennoch liegt die AfD liegt nach jüngsten Umfragen mit circa 21 Prozent knapp hinter den regierenden Koalitionsparteien SPD (27 Prozent) und CDU (22 Prozent).
    Dabei finden sich einige trübe Kandidaten auf aussichtsreichen AfD-Listenplätzen. Darunter ein Rostocker Galerist, der sich vor einigen Jahren einen Strafbefehl für volksverhetzende Facebook-Einträgen eingehandelt hatte. Ein früheres Mitglied der rechten Rostocker Hooligan-Szene ist ebenso dabei wie ein bekennendes Mitglied der völkischen Artamen-Siedlungsbewegung.
    Die AfD-Spitze verbucht das unter "Vielfalt im Meinungsspektrum". Außer der NPD verlangen alle anderen Parteien eine klare Abgrenzung der AfD von Rechtsextremismus und Rassismus. Sie haben zudem erklärt, mit ihr im Parlament nicht zusammenarbeiten zu wollen.
    Holm beklagt undemokratisches Verhalten
    Das stört AfD-Landeschef Holm nicht, wohl aber der sonstige Umgang mit seiner Partei: Tausende zerstörte Flyer und Plakate, der Bürgermeister von Anklam versucht, eine lange angemeldete AfD-Veranstaltung mit Frauke Petry zu verhindern. Die IHK zu Schwerin wie auch der DGB NORD laden die AfD nicht zu ihren Spitzenkandidaten-Debatten ein.
    Ein Wahlplakat der NPD hängt in Mecklenburg-Vorpommern an einem Zaun, darauf der Slogan "Heimat braucht Kinder - keine Homo-Ehe!"
    Die NPD macht in ihrem Wahlkampf Stimmung gegen die Ehe für alle. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    "Ich bin eben der Meinung, die Freiheit sollte für alle gleich gelten. Das gilt auch für die Andersdenkenden, und da kann es nicht sein, dass zum Beispiel die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider öffentlich versucht, unsere Parteitage zu verhindern, indem sie die Gastwirte aufruft zu sagen: Nee, lasst die da mal nicht rein! Das kann nicht sein. Da können wir als Partei nicht unseren Rechten und Pflichten nachkommen. Das finde ich schon ein krasses Beispiel von undemokratischem Verhalten."
    Derweil könnte der AfD-Aufstieg verhindern, dass die rechtsextreme NPD ein drittes Mal in den Schweriner Landtag zieht. Schon bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt hatte die NPD einen Teil ihrer vorherigen Wähler an die AfD verloren.
    NPD ohne Direktkandidaten
    Derzeit sitzt die NPD nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Dort hält sie fünf Sitze inne. In den Umfragen lag sie zuletzt stets bei unzureichenden drei Prozent. Doch Landeschef Stefan Köster gibt sich gelassen: "Also auch 2006 wurde schon vorausgesagt, dass die NPD nicht in den Landtag kommt. 2001 das Gleiche. Aber ich bin mir sicher, dass die NPD auch 2016 wieder in den Landtag einziehen wird, weil wir ´ne breit gefächerte Arbeit hier leisten und auch sehr nah bei den Bürgern sind, dadurch viele Stimmungslagen mitbekommen und versuchen, über unsere sogenannte Kümmer-Kompetenz - ein Zitat aus den Medien - den Bürgern natürlich auch zu helfen. Da sehen wir unseren Auftrag drin."
    Die NPD hat darauf verzichtet, eigenen Direktkandidaten aufzustellen. Man überlasse das Feld lieber der AfD, die reale Chancen habe, so NPD-Landeschef Köster. Alle Konzentration gelte der Zweitstimmenkampagne mit Sprüchen "Für Volk und Heimat" sowie "Gegen Asylflut", "Asylbetrüger" und "Rapefugees" - eine Verballhornung der englischen Begriffe für "Vergewaltigung" und "Flüchtling".
    Unterdessen rechnet in Mecklenburg-Vorpommern niemand mehr damit, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch vor der Landtagswahl am 4. September über den NPD-Verbotsantrag der Länder entscheidet. Dazu meint der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier, der das Verfahren wesentlich mit angestoßen hatte: "Ich selbst bin nicht sehr glücklich über die Situation, weil es natürlich auch in der Außenwirkung nicht sehr angenehm ist, dass man jetzt in die Wahlen tritt und möglicherweise im Herbst das Verfassungsgericht zu 'ner Entscheidung kommt, wo die Wähler sagen: Das hätte man uns ja vielleicht auch schon mal vorher sagen können!"
    CDU unter Druck
    Noch größere Gedanken macht sich Lorenz Caffier freilich über das eigene Abschneiden als CDU-Spitzenkandidat. Angetreten, um den SPD-Ministerpräsidenten abzulösen, sieht er einen Umfragewert von 22 Prozent - ein Prozent weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren.
    Zwei Grossplakate zur Landtagswahl 2016 in Mecklenburg-Vorpommern mit den Spitzenkandidaten der SPD Erwin Sellering (links) und der CDU Lorenz Caffier stehen an einem Einkaufscenter in Rostock. Die Wahl zum 7. Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern findet am 4. September 2016 statt. Schwerin
    Zwei Grossplakate zur Landtagswahl 2016 in Mecklenburg Vorpommern mit den Spitzenkandidaten der SPD und der CDU (Imago / Frank Hormann / Nordlicht)
    Besonders gespannt schaut man auch von der Berliner CDU-Zentrale aus nach Mecklenburg-Vorpommern. Die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel gehört zum dortigen Landesverband und hat in Stralsund-Rügen ihren Bundestagswahlkreis. Sie steht am kommenden Sonntag nicht zur Wahl, ist aber irgendwie doch immer da.
    In Boldekow zum Beispiel, einer ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft mit riesigen Ackerflächen und Viehbeständen. Heute eine Agrargenossenschaft GmbH. An diesem Augustabend steht neben dem beeindruckenden Agrar-Fuhrpark ein großes weißes Festzelt. Darin sitzen circa 250 Landwirte, die Lorenz Caffier hören wollen, vor allem aber seine prominente Wahlkampfhelferin aus Berlin.
    "Ähm, ich möchte nur Ihnen als Erstes sagen: Die Landwirtschaft gehört zu Mecklenburg-Vorpommern, so wie Lorenz Caffier das eben gesagt hat."
    CDU will Bauern für sich gewinnen
    Hier hat Angela Merkel freundliches Publikum mit Fragen zu Glyphosat-Verbot, Bienenschutz, Russland-Sanktionen. Die Bauern beklagen, dass Mecklenburg-Vorpommern inzwischen die höchsten Ackerbodenpreise bundesweit habe. Eine Folge auch der Energiewende, denn die Grundeigentümer spekulieren lieber auf hohe Pachteinnahmen bei potenziellen Windmüllern. Merkel gibt ihnen recht.
    Spitzenkandidat Caffier, der sonst vor allem 555 zusätzliche Polizisten für das Land ankündigt, hat auch für die Landwirte ein Wahlversprechen in petto. "Die CDU steht auf jeden Fall dafür, dass es nicht zusätzlich neue Behinderungen und Beschwernisse gibt. Verbandsklagerecht für Tierschützer beispielsweise ist eine hier immer wieder angesprochene Diskussion. Da sagen wir als CDU ganz klar: Das wird es mit uns nicht geben."
    Sehr gut, meinen die Landwirte Lorenz und Baumgarten. Doch das heiße nicht, dass die traditionell eher konservativ tickenden Bauern CDU wählen würden. Einige setzen auch auf die Bündnisgrünen, obwohl – oder weil – sie gegen Massentierhaltung und für ein Verbandsklagerecht im Tierschutz seien. "Von - bis. Werden alle Parteien gewählt, auch von Landwirten. Gehe ich von aus."
    Geringe Wahlbeteiligung erwartet
    Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren hatte nur die Hälfte der Berechtigten ihr Wahlrecht wahrgenommen. Wie mag es diesmal aussehen?
    Der Schriftzug "Wir schaffen das nie" steht an einem Bauzaun der neuen Bundesstraße B96 bei Rambin (Mecklenburg-Vorpommern) auf der Insel Rügen, die zum Wahlkreis von Bundeskanzlerin Merkel gehört. 
    Der Schriftzug "Wir schaffen das nie" steht an einem Bauzaun der neuen Bundesstraße B96 bei Rambin (Mecklenburg-Vorpommern) auf der Insel Rügen, die zum Wahlkreis von Bundeskanzlerin Merkel gehört. (dpa-Zentralbild / Stefan Sauer)
    "Mecklenburger sind Mecklenburger; da ändert sich nicht viel. Es werden die zur Wahl gehen, die wählen gegangen sind. Werden vielleicht auch viele aufgeschreckt worden sein durch die AfD und so weiter. Aber ansonsten wird sich da nichts wesentlich ändern, sag ich mal. "
    "Die Bevölkerung ist ja hier im Wesentlichen - ich sag mal - ärmer. Und da ist was Wahres dran: Arm wählt nicht. Und die jungen Leute sagen: Passiert nichts. Warum soll ich dahin gehen?"
    Protestgedanken treiben auch Tierarzt Norbert Schumacher aus dem mecklenburgischen Penzlin um.
    "Ich will Ihnen mal ein Lied vorspielen. Haben wir auf Platt gemacht."
    Anti-Windkraft-Partei kandidiert
    Mit diesem Lied zieht Schumacher in seinen Wahlkampf. Er ist der Spitzenkandidat der bundesweit einzigen Anti-Windkraft-Partei, hervorgegangen aus einem Aktionsbündnis von 40 Bürgerinitiativen im Land. Der Name: "Freier Horizont".
    "Ich will Ihnen ganz schnell mal eine Karte zeigen. Warten Sie mal, wir haben hier einen Kartografen, der hat das gemacht. Ganz professionell mit Geo-Daten einlesen und so weiter."
    Darin berücksichtigt: Sämtliche bereits aktiven Windparks, die bereits ausgewiesenen Windeignungsgebiete und – soweit bekannt – die geplanten. Wenn man die Wirkungsweite der Windmühlen betrachtet, und das sind anerkannte Standardwerte, färbt sich diese Karte fast durchgehend grau. Weiße Flecken ohne Windmühlen gibt es nur noch ganz wenige. Auf Usedom zum Beispiel und dort im Mecklenburgischen, wo der ehemalige SPD-Ministerpräsident Ringstorff wohnt.
    Die "Total-Verspargelung" des Landes habe ihre "Politik aus Notwehr" erzeugt, so "Freier Horizont"-Chef Norbert Schumacher. Zu oft würden widerständige Bürger von Politik und Verwaltung hören: "Wenn euch das nicht passt, klagt doch! Und dann wird man noch so hingestellt: Die ewigen Meckerer! Es gibt ja noch andere Dinge, aber die Bürger erleben hier gerade, was die Windkraft betrifft derartiges Unrecht, dass wir schon sagen, wir machen das aus Notwehr."
    Unzufrieden trotz guter Wirtschaftslage
    Tatsächlich gibt es in MV zwischen Ahlbeck in Ost-Vorpommern und Zarrentin in West-Mecklenburg nur noch selten einen windmühlenfreien Horizont. Irgendwo steht immer eine Anlage. Oft dreht sie sich auch.
    In den letzten Tagen vor der Wahlentscheidung eilt derweil auch Erwin Sellering noch einmal quer durch das wasserreiche Flächenland der Weiden, Werften, Windkrafträder. Vor Kaufhallen und Markständen verteilt er rote Rosen und das Kurzprogramm seiner Partei. Die Landes-SPD wolle, dass der Nordosten nicht mehr nur als beliebteste Touristendestination wahrgenommen wird, sondern auch Winderzeuger Nr. 1 mit vielen Zulieferbetrieben und auch als das Gesundheitsland.
    Sellering versteht nicht, warum es laut einer ARD-Umfrage 77 Prozent der Mecklenburger und Vorpommern sagen, ihnen gehe es wirtschaftlich gut bis sehr gut, und warum so viele doch unzufrieden sind. Auch mit seiner Partei, der SPD. Eine Antwort könnten die Fragen geben, die auch den vorpommerschen Tischlermeister Burkhard Krotz umtreiben:
    "Uns beschäftigt die Frage: Was wird aus den kleinen Dörfern? Die Kaufhallen sind weg. Die Arbeitsplätze sind weg. Da werden Windräder aufgebaut, landwirtschaftliche Flächen zerstört. Wir müssen immer mehr Auto fahren. Wo soll das hinführen in der Natur?"