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Medaillenschmiede im Parasport
Leverkusen als Musterzentrum für Inklusion

Bei den Paralympics in Tokio kommen mehr als zehn Prozent der Deutschen aus einem Verein: Bayer Leverkusen. Darunter sind Medaillengewinner wie Markus Rehm oder Léon Schäfer. Es geht in Leverkusen aber nicht nur um Erfolge, sondern auch um eine nachhaltige Entwicklung des Parasports.

Von Ronny Blaschke |
Der deutsche Para-Leichtathlet Markus Rehm im trikot steht in der Trainingshalle in Leverkusen
Auch der mehrfache Goldmedaillensieger bei den Paralympischen Spielen, Para-Leichtathlet Markus Rehm, trainiert bei Bayer Leverkusen (hier im Trainingszentrum Fritz-Jacobi-Sportanlage) (picture alliance / dpa | Rolf Vennenbernd)
Vor großen Sportereignissen hört Jörg Frischmann die Frage immer wieder. Wann und wie könnten Olympische und Paralympische Spiele verschmelzen? Der Geschäftsführer des Parasports von Bayer Leverkusen beschäftigt sich seit langem mit Inklusion, mit der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Die Vereinigung der beiden Großereignisse hält er nicht für realisierbar – und auch nicht für sinnvoll.

Zusammenarbeit in mehreren Bereichen möglich

Doch es gibt Möglichkeiten der Zusammenarbeit, sagt Frischmann, und nennt Beispiele an seinem Standort:
"Hier ist natürlich eine Ansammlung von Bundeskadern in Leverkusen, olympischer und paralympischer Bereich. Und dementsprechend groß ist die Physiotherapie. Dadurch haben wir eine große Flexibilität. Das gleiche gilt für das Rehatraining, das hier über den Olympiastützpunkt angeboten wird. Es geht auch darum, generell Geräte anzuschaffen. Wenn ich viele Kaderathleten habe, kriege ich auch mehr Zuschüsse. Das eine Gerät wird dann vielleicht von der olympischen Leichtathletik angeschafft, ein anderes Gerät dann wieder über die paralympische."
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Das Fundament in Leverkusen stammt aus den 1950er Jahren. Der Chemiekonzern Bayer unterbreitete Mitarbeitenden, die im Krieg verwundet wurden, ein Sportangebot. In den Achtziger Jahren kam Leistungssport dazu. Früh trainierten Leichtathleten, Schwimmer und Volleyballer mit und ohne Behinderung zusammen. Von Jahr zu Jahr wuchsen ihre Kontakte zu Krankenhäusern und Rehazentren. Einer, der diese Entwicklung mitgeprägt hat, ist Karl Quade. Der Chef de Mission des deutschen Paralympics-Teams ist auch Abteilungsleiter der Leverkusener Parasportler:
"Infrastruktur bedeutet: Sportstätten auf der einen Seite, die natürlich barrierefrei sein sollen, das ist in Leverkusen gegeben. Aber auch andererseits Manpower: Das heißt Trainer, Trainerinnen, die dann wiederrum recht früh zum Beispiel im Nachwuchsbereich einsteigen, wirklich mit inklusiven oder integrativen Gruppen. Wo die Kids, ob mit Behinderung oder nicht, zusammen in Gruppen üben und sich entwickeln können. Also das ist der Riesenvorteil, den man in Mehrspartenvereinen hat."

Viele Fachverbände zeigen kein Interesse

In Ländern wie Großbritannien, Kanada und den Niederlanden sind Sportler mit und ohne Behinderung in denselben Verbandsstrukturen organisiert, sie profitieren von den gleichen Prämienregeln, Nachwuchswettkämpfen oder Antidopingmaßnahmen. In Deutschland arbeiten der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Behindertensportverband eher nebeneinander. Das gilt auch für einige Fachverbände, wie die Leichtathletik-Europameisterschaften 2018 in Berlin gezeigt haben: Die Wettbewerbe der olympischen und paralympischen Leichtathleten wurden getrennt organisiert und getrennt vermarktet.
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Jörg Frischmann wirbt für eine langfristige Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion, zum Beispiel im Bildungsbereich, und er nennt dafür ein Beispiel aus Köln:
"Also an der Sporthochschule wird es beispielsweise gemacht, wo ja Lehrer ausgebildet werden, da ist Sitzvolleyball auch ein Bestandteil der Volleyballfamilie, neben Beachvolleyball und dem normalen Hallenvolleyball. Und genauso sind das Sportarten, die natürlich auch an einer normalen Schule gemacht werden können. Am Ende des Tages brauche ich für Goalball einen Ball mit einer Klingel. Und ich muss ja nicht unbedingt ein Tor haben. Ich kann ja auch einfach zwei Kästen nehmen."

Unterstützung von Trainern aus dem Olympia-Bereich

Jörg Frischmann hat bei den Paralympics 1992 Gold im Kugelstoßen gewonnen. Seit 23 Jahren koordiniert er den Parasport in Leverkusen – und er setzt dabei auch auf Persönlichkeiten aus dem olympischen Bereich. Steffi Nerius zum Beispiel hat den Weitspringer Markus Rehm an die paralympische Weltspitze begleitet. Nerius gewann als Speerwerferin 2004 selbst Olympisches Silber. Später knüpfte sie sich in Leverkusen Kontakte zwischen Verein, Schulen und Sportinternat. Ein solches Interesse für den Parasport sei nicht selbstverständlich, sagt Jörg Frischmann:
"Viele trauen sich überhaupt gar nicht heran an behinderte Menschen, um mit denen etwas zu machen. Und deshalb muss man da speziell mit den Verbänden sprechen. Weil der Behindertensport rekrutiert viele Trainer aus dem olympischen Bereich. Und deshalb muss man die Trainer auch schon bei der Grundausbildung einfach mit dem Thema konfrontieren."

Regelsportvereine müssten sich mehr öffnen

Jörg Frischmann entwickelt an der Basis inklusive Ideen. In einem Projekt turnen Grundschulkinder mit Behinderung mit ihren nichtbehinderten Freunden und Geschwistern. Für Athleten höherer Altersklassen bemüht sich Frischmann um Kontakte zwischen Eltern und Prothesenherstellern. Etliche ehemalige und aktuelle Leverkusener Leistungssportler wie Heinrich Popow oder Markus Rehm haben selbst den Beruf des Orthopädietechnikers erlernt.
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Doch für die nächste Entwicklungsstufe ist der Parasport auf eine bessere Zusammenarbeit mit Regelsportvereinen angewiesen, sagt Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes: "Mein Ruf an die Regelsportvereine, sich für Behindertensport zu öffnen, erfolgt ja auch vor dem Hintergrund, dass wir mit über 6.500 Behindertensportvereinen flächenmäßig die Republik gar nicht abdecken können. Das muss auch nicht nur von unserer Seite, sondern auch im DOSB stärker bekannt gemacht werden."