Das Büro von Mediakraft in der Kölner Innenstadt. Mediakraft-Sprecher Michael Frenzel beim Sightseeing:
"Hier ist zum Beispiel eine Wiese mit Pilzen und einem Birkenwald ."
Auf fünf Etagen Stationen für Welt- und Zeitreisen. Vom Amerika der 20er über die Tiefen europäischer Birken-Wälder bis zur Coyotas-Lounge, einem nachgebauten Western-Saloon. Michael Frenzel erklärt:
"Alle Räume sind hier so eingerichtet, dass man auch Videos drehen kann."
Je flippiger, desto besser. Wer auf Youtube Erfolg haben will, der muss Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das Mediakraft-Studio in Köln ist einer der wichtigsten Hotspots für professionelle Youtuber. Blogger der ersten Generation wie LeFloid, Simon Unge, Y-Titty haben sich hier die Klinke in die Hand gegeben. Mit knapp 110 Mitarbeitern ist das Unternehmen das größte Youtube-Management Deutschlands. Michael Frenzel, der Pressesprecher, zeigt, wo die professionellen Youtube-Videos produziert werden:
"Dann gucken wir doch einmal gerade in die.... Sieben".
Hauptsache flippig und witzig
Ganz leger steht der Youtuber Rob10 mit Hoodie und Cappy in einer schrankgroßen Sprecherkabine im siebten Stock. Ein Fenster zum nächsten Studio erlaubt es, die Sprecherkabine auch von außen zu bedienen. Rob10 macht alles selbst. Ein Laptop, eine Soundkarte und ein Mikrofon auf einem kleinen Tischchen. Mehr braucht der Youtuber nicht, um seinen Kanal jede Woche mit zwei neuen Videos zu bespielen. Rob10 legt los:
"Da kommt schon mal was an, das sieht gut aus. Jetzt habe ich hier alles verkabelt und kann einfach mal einsprechen."
Der Youtuber liefert eine Kostprobe, laut und überschwänglich:
"Top 10 heute, zehn komische Schönheitsoperationen, jaaaaaa, dann hole ich einmal das Skalpell heraus und losgeht's!"
Rob 10 klebt mit seinem Mund am Mikrofon und gestikuliert wild herum, während er Unglaubliches über Schönheitsoperationen herunter rattert. Auf einem Bildschirm vor ihm flimmern Bilder mit viel nackter Haut auf. Top 10? Für Nicht-Youtiber gibt's die Erklärung:
"Top 10 ist im Prinzip so ein Fact-Countdown. Du findest immer zehn Dinge zu einem Thema. Und da geht es wirklich um alles Mögliche. Leute, die irgendwelche Tiere in ihrem Körper haben, die zehn schlimmsten Flugzeugkatastrophen, die zehn unheimlichsten Sachen."
Je skurriler, umso besser. Bis zu fünf Millionen Menschen erreicht Rob 10 mit einem einzigen Video. Einschaltquoten, die beim Fernsehen nur mit hohen Produktionskosten zu erreichen sind. Rob10 wunder sich selber. Das sei ein bisschen verrückt, räumt er ein:
"Youtube hat als kleine Plattform angefangen. Broadcast yourself. Jeder kann seine Videos hochladen. Und dann ging das los, dass man Videos monetarisieren konnte. Werbung wird von Youtube aus geschaltet, und jetzt ist ein richtiges Geschäftsmodell daraus geworden. Du wirst dafür angestellt, Videos auf Youtube hochzuladen. Das hat mir keiner geglaubt!"
Das Geschäftsmodell ist einfach: Youtube nimmt Geld durch Werbung ein. Knapp über die Hälfte geht weiter an die Blogger, sobald diese eine bestimmte Clickzahl erreichen. Mediakraft hilft, Kanäle in profitable Bereiche zu bringen: durch Know-how und Werbung. Im Gegenzug verlangt das Unternehmen eine Gewinnbeteiligung – oder stellt direkt ein. Rob10 ist wohl der erste fest angestellte Youtuber Deutschlands.
Youtuber mit Arbeitsvertrag
Mediakraft-Sprecher Michael Frenzel setzt seine Tour durch das Unternehmen fort: "Dann gucken wir einmal, was sonst so los ist im Haus."
Nebenan wird gerade ein Video für den Kanal "So geht das" gedreht. Eine Spiegelreflexkamera auf einem Stativ, Flutlicht, ein hipper bärtiger Youtuber neben einer modisch gekleideten Jugendlichen an einem Tisch. Dahinter eine weiße Wand und ein Ikea-Regal. Der Kameramann ist gleichzeitig Produktionsleiter. Wie geht "so geht das?":
"Es wird die Frage gestellt, ob man gerne irgendeine Fähigkeit hätte, aber dafür dann im Gegenzug irgendetwas Negatives machen müsste. Und darüber wird dann diskutiert. Und das ist dann witzig im besten Fall."
Ärger mit den Szenestars
Witzig ging schon immer gut auf Youtube. Mediakraft ist als GmbH organisiert und wird von einem dreiköpfigen Management geführt. Heute erreicht das Unternehmen 600 Millionen Aufrufe im Monat. Und ist nach eigenen Angaben in diesem Jahr auch zum ersten Mal profitabel. Außerdem bildet das Unternehmen aus und bietet in Partnerschaft mit einer Medien-Hochschule einen Studiengang für Online-Videomacher an.
2011 hat das Unternehmen klein angefangen: mit fünf Millionen Aufrufen und einem Dutzend Youtubern. Das Wissen war gefragt. 2013 die Expansion ins Ausland: in die Niederlande die Türkei und nach Polen. Ende des Jahres 2014 kam es dann zum großen Knall. Simon Unge und LeFloid verließen das Unternehmen – und das nicht geräuschlos. In einem Interview mit "Spiegel Online" gab Simon Unge seinen Unmut mit dem Unternehmen bekannt:
"Ich fühle mich auf jeden Fall so, als wäre ich in einem Knebelvertrag, ja. Und das habe ich nicht als einziger Partner."
Für Mediakraft ein PR-Desaster. Boris Bolz ist einer der drei Geschäftsführer. Er widerspricht dem Youtuber:
"Nein, es gab keine Knebelverträge. Sicher haben wir auch Fehler gemacht. Aber das sind ganz normale Dinge, die man dann auch lernt als Start-up. Ich denke gerade in der Anfangsphase sind Versprechen gemacht wurden, die anders interpretiert worden sind. "
Noch vor zwei Jahren war Boris Bolz Geschäftsführer von Red Bull Deutschland. Jetzt sitzt er in der Coyotos Lounge auf einem an der Wand befestigten Schwinghocker und denkt über die Zukunft des Medien-Unternehmens nach.
Regeln für das Bällebad
"Wir sind Innovationsführer, und das wollen wir auch bleiben," heißt seine Devise. Und für den Einbruch im vergangenen Jahr findet er Gründe:
"Wir haben eine schwierige Zeit in 2015 gehabt, weil wir die Ersten waren, bei denen Künstler unterschrieben haben und natürlich auch die Ersten waren, bei denen Künstler wieder gegangen sind."
In der ersten Etage: ein knallig orangenes Sofa und ein buntes Bällebad. Hier können sich die Youtuber austoben, wenn sie gerade nicht ihre Kanäle mit neuen Videos bespielen. Was ein Sexspielzeug mitten zwischen den Bällen macht? Michael Frenzel, der Pressesprecher, lenkt ab:
"Hier sind übrigens die Poolregeln für das Bällebad. Bitte nicht ins Becken pinkeln, bitte nicht in das Becken springen. Alle Bälle gehören in den Pool!"
Feste Regeln fürs Bällebad – viel mehr Reglement würden die Youtuber wohl auch nicht akzeptieren.