2021 beginnt mit einer Meldung, die erst einmal Hoffnung macht: Ein Londoner Gericht hat die von den USA geforderte Auslieferung von Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange, dem US-Staatsanwälte unter anderem Spionage vorwerfen, abgelehnt. Doch gegen Ende des Jahres zeigt sich, wie richtig "Zeit"-Journalist Holger Stark liegt mit seiner Bewertung des Urteils bei uns, für die Pressefreiheit sei das „kein großartiger Tag“: Ein Berufungsgericht kippt im Dezember die Ablehnung, Assange könnte also ausgeliefert werden. Eine Entscheidung, gegen die seine Anwälte weiter vorgehen wollen. Wie Assanges Geschichte weitergeht, wird sich wohl 2022 entscheiden.
In den USA stürmen wenig später, am 6. Januar, Anhänger von Donald Trump das Kapitol. Als Präsident ist Trump da bereits abgewählt. Medial bedeutet der Vorfall eine weitere Zäsur für ihn: Twitter und Facebook sperren seine Accounts – und lösen damit wieder eine Debatte aus darüber, ob soziale Netzwerke die Rolle der „Internetpolizei“ einnehmen sollten. Nachdem Trump selbst gegen seine Sperrungen später erfolglos vorgeht, kündigt er an, ein eigenes soziales Netzwerk aufbauen zu wollen.
Immer wieder Facebook, auch das ist 2021: Von der Ankündigung des Unternehmens neuer Regeln für den Messenger Whatsapp über Enthüllungen der ehemaligen Mitarbeiterin Frances Haugen bis hin zur
Umbenennung zu Meta
, der Digitalkonzern sorgt zuverlässig für – meist negative – Schlagzeilen. Ein besonderes Beispiel: die Milliardenklage von Rohingya-Flüchtlingen, über die wir mit einer Beteiligten sprechen können.
Einen Platz in jedem medienjournalistischen Jahresrückblick sicher haben Länder, die besonders rigide gegen Presse- und Meinungsfreiheit vorgehen. Hier einige Beispiele der vergangenen Monate:
- Berichten über China: Ausweichquartier Taiwan
- Desinformation aus China: Peking investiert in Propaganda
- Indien: Regierung nutzt Gesetz aus der Kolonialzeit gegen Journalisten
- Ungarn: "Die Regierung will absolute Kontrolle"
- Journalistenmord als Machtdemonstration: Doku zum Fall Kashoggi
- Belarus: Die unglaubliche Verhaftung des Bloggers Protasewitsch
- "Zeit"-Beitrag von Wladimir Putin: Desinformation eines Despoten
Aber auch in Deutschland wird über Pressefreiheit und Grenzen des Sagbaren diskutiert, besonders laut in diesem Jahr bei zwei Fällen, die beide beim WDR spielen: Eine Talkshow des öffentlich-rechtlichen Senders mit dem Titel "Letzte Instanz" gerät in die Kritik, weil vier Menschen über Diskriminierungsfragen sprechen, die eigentlich nicht sie betreffen. Und Berichterstattung der „Bild“ über Nemi El-Hassan sorgt am Ende dafür, dass der WDR die Journalistin nicht beschäftigen wird.
„Bild“ wird 2021 zur Multimedia-Redaktion mit TV-Lizenz – und mit direktem Draht zur Politik, zum Jahresende dann unter neuer Führung: Nach ersten Berichten schon im März über interne Ermittlungen beim Bild-Verlag Springer sorgen Recherchen der „New York Times“ und bei Ippen (die dort aber niemals erscheinen werden) dafür, dass Chefredakteur Julian Reichelt wegen Fehlverhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen gehen muss. Dass Reichelts Vorgesetzter bei Springer, Matthias Döpfner, am Ende Präsident der Zeitungsverleger bleibt, wundert viele (beispielsweise hatte Carsten Lohmann, der Geschäftsführer des "Mindener Tageblatt", bei uns Döpfners Rücktritt gefordert): Döpfner hatte in einer privaten Nachricht über Julian Reichelt deutsche Journalisten von heute mit DDR-Propaganda verglichen.
Ebenfalls im Amt geblieben ist der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der mit seiner Pressearbeit in der ersten Jahreshälfte immer wieder Thema bei uns ist, so wie hier im Gespräch mit Dlf-Kirchenredakteurin Christiane Florin.
Die richtige Kommunikation – auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie ist das ein wichtiges Thema. Und es bleibt bei dem, was uns Wissenschaftsjournalist Volker Stollerz und später auch unsere Kolumnistin Marina Weisband sagen: Entscheidend ist die richtige Einordnung. Doch mehr zu Corona später noch einmal.
Zunächst zur Politikberichterstattung, denn 2021 ist auch ein Jahr der Wahlen. Und nach der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt im Juni ziehen wir Lehren für Medien. Es geht um altbekannte Probleme im Umgang mit der AfD, für die es längst einige Lösungsideen gibt. Danach folgt die Bundestagswahl, und auf dem weg dorthin begleiten wir die Debatten über die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, CDU-Kandidat Armin Laschet oder die Sorge vor Desinformation durch Messenger-Dienste. Es bleibt der Eindruck eines Journalismus, der sich vor allem an Umfragen orientiert und damit den Eindruck von Berichterstattung wie bei einem Pferderennen erweckt.
Und am Ende nehmen wir auch noch Abschied von Angela Merkel.
Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Sommer geht es auch um die Verantwortung von Medien: Denn einige Redaktionen geben Warnmeldungen nicht weiter, andere erhalten sie selbst erst gar nicht, wie unsere Recherchen zeigen. Überhaupt spielen die Klimakrise und die Frage, wie wir über sie berichten, immer wieder eine Rolle, beispielsweise in unserem Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, der sagt: "In der Art, wie die Krise beschrieben wird, liegt die Lösung."
Ein weiteres großes Thema wird im Sommer der Abzug westlicher Armeen aus Afghanistan, nachdem die Taliban innerhalb kürzester Zeit das ganze Land erobern. Über die Folgen für Menschen, die bislang für westliche Medien gearbeitet haben, sprechen wir unter anderem mit Natalie Amiri. Und später dann auch über die Frage, wie ein Berichten überhaupt noch möglich ist, ohne vor Ort zu sein.
Gegen Jahresende nimmt Corona wieder an Fahrt auf – und damit auch die Frage, wie die nächste „Welle“ medial abgebildet wird: „Wie Journalisten immer noch an Corona-Zahlen scheitern“, stellt Samira El Ouassil deshalb in ihrer Kolumne fest, „Wie wir trotz der Corona-News nicht zusammenbrechen“, darüber sprechen wir mit Medienpsychologin Maren Urner. Und in unserem Podcast „Nach Redaktionsschluss“ unterhalten wir uns mit einem Impfskeptiker - eine Sendung, auf die wir besonders viele Rückmeldungen erhalten.
Das Jahr 2021 endet, aus Mediensicht, mit einem besonderen Abschied: Claus Kleber wird zum letzten Mal das "heute journal" im ZDF moderieren. Über dieses Ende für ihn und seine weiteren Pläne wird Kleber Anfang 2022 dann bei @mediasres sprechen. Ein Thema für unseren nächsten Jahresrückblick.