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"Gastarbeiter": Gäste arbeiten nicht

Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland sollen in diesem Somme Personalengpässe an deutschen Flughäfen ausgleichen. Manche Medien schreiben von Gastarbeitern. Ein Begriff, der seit Jahrzehnten immer wieder benutzt wird, für Menschen, die nie wie Gäste behandelt wurden.

Von Stefan Fries |
Vier Gastarbeiter aus der Türkei sitzen nach ihrer Schicht auf einer Bank.
Wer seine Gäste arbeiten lässt, ist wohl ein schlechter Gastgeber. (dpa | Schulte)
Im Zusammenhang mit den Personalengpässen an deutschen Flughäfen wird darüber diskutiert, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland zu holen, um auszuhelfen. Vor allem Zeitungen und Online-Portale verwenden für sie den Begriff „Gastarbeiter“ – und erwecken damit einen irreführenden Begriff wieder zum Leben.
Als Gastarbeiter wurden Arbeitsmigranten bezeichnet, die seit den 1950er Jahren aus dem Ausland in die Bundesrepublik kamen, um beim wirtschaftlichen Wiederaufbau zu helfen. Die Menschen wurden mittels politischer Abkommen mit ihren Herkunftsländern systematisch zu Hunderttausenden angeworben.

"Gastarbeiter" beschönigt die Realität

Das Wort „Gast“ sollte unterstreichen, dass sie nicht bleiben sollten. Der Begriff war schon damals beschönigend: Denn wer Gast ist, arbeitet normalerweise nicht. Und wer Gastgeber ist, macht es seinem Besuch schön und gemütlich. Gäste sollen sich wohl fühlen. Niemand ruft ihnen hinterher: „Mir kommt kein Türke mehr über die Grenze“, so wie es dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982 zugeschrieben wird.
Außerdem verschleiert der Begriff, dass Ausländer Jobs übernehmen sollen, für die sich keine Deutschen finden. Selbst Wissenschaftler nutzen den Begriff nur noch unter Bezug auf die Geschichte und in Anführungszeichen, Gastarbeiter und ihre Nachkommen teils noch als Selbstbezeichnung.

Lieber sagen, wofür die Menschen geholt werden

Dabei machen diese Menschen nichts anderes als indische IT-Spezialisten oder US-amerikanische Wissenschaftler, die in Deutschland arbeiten, die wir aber nicht so nennen. Statt von Gastarbeitern können Medien allgemeiner von „Hilfskräften aus dem Ausland“ sprechen oder konkret beschreiben, wofür sie geholt werden sollen: als Mitarbeiter an deutschen Flughäfen für die Sommerferienzeit.