Die Mediatheken von ARD und ZDF nutzen kann jeder. Wer aber das besondere "Mein-Gefühl" haben will, muss sich vorher registrieren, im Fall der ARD sogar mit Daten aus dem Personalausweis. Ab dann heißt es: "Meine ARD" beziehungsweise "Mein ZDF" – und wer beispielsweise eine Dokumentation über Chinas Umgang mit der Corona-Pandemie schaut, den "könnte interessieren", vermutet das ZDF, eine weitere Doku über den weltpolitischen Aufstieg Chinas. Und auch die ARD erkennt nach Schauen einer Natur-Doku das persönliche Interesse sofort und empfiehlt unter anderem "Planet ohne Affen", einen Film über illegalen Tierhandel.
Genau so funktionierten Mediatheken, sagt der Medienrechtler Stephan Dreyer – mit programmierten Algorithmen, die Inhalte vorschlagen. Anderseits würden für die Plattformen der öffentlich-rechtlichen Sender andere gesetzliche Vorgaben gelten. So laute der Auftrag von ARD und ZDF, für eine gemeinsame Wissensbasis in der Gesellschaft zu sorgen, etwa durch Inhalte, die so viele wie möglich schauen, um anschließend über das Gesehene zu diskutieren.
"Das ist aber immer schwieriger, wenn wir über hypersensibilisierte Inhalte sprechen. Weil wir dann gar nicht mehr, jeder Einzelne, den gleichen vielfältigen Inhalt in diesen Anstalten sehen, sondern nur noch den ganz kleinen persönlichen Ausschnitt."
Medienrechtler: Rundfunkräte informieren
Deshalb müsse es neben dem personalisierten Bereich auch einen geben für eine vielfältige Berichterstattung, die allen gleichermaßen empfohlen wird, also: ausdrückliche Programmtipps der Sender. Dreyer hat am Leibniz-Institut für Medienforschung untersucht, wie zurzeit die Programmaufträge in den Mediatheken umgesetzt werden.
"Und dabei ist aufgefallen, egal wie gut die Endprodukte am Ende sind, an denen wir überhaupt keine Kritik üben, dass der Prozess eben noch klarer werden kann und noch spezifischer fokussiert auf diese algorithmischen Leistungen, die da drinstecken."
Also Leistungen, die darüber entscheiden, welche Inhalte geschaut werden; die Kriterien, nach denen die Algorithmen für die Mediatheken programmiert werden. Über die müssten die Aufsichtsgremien, also die Rundfunkräte der Sender, eigentlich Bescheid wissen, sagt Dreyer. Doch genau das passiere noch nicht ausreichend.
Kern der Gesamtstrategien von ARD und ZDF
"Im Grund übersetzen wir ja den öffentlich-rechtlichen Auftrag in Algorithmen", sagt Eckart Gaddum, beim ZDF zuständig für die Mediathek. "Und da sehe ich durchaus eine Pflicht, als auch Verantwortung, sowohl im eigenen Haus – wir müssen auch mit den Redaktionen, die Inhalte herstellen, darüber sprechen – als auch über gegenüber unseren Gremien, die ja den Job haben, uns auch zu beaufsichtigen, transparent zu machen, was wir tun."
Noch immer würden einige das Thema zu sehr als Nischenaufgabe der Online-Experten in den Sendern sehen, stellt auch Benjamin Fischer vom SWR fest, der für die gemeinsame Mediathek aller ARD-Anstalten verantwortlich ist. Dabei sei die Personalisierung der Mediatheken längst ein Kern der Gesamtstrategien von ARD und ZDF geworden.
Ein Prozess, der irgendwann dazu führen soll, so Fischer, "dass man hier vielleicht nen Krimi guckt und dann eben nicht weitere Krimis bekommt, sondern dann tatsächlich vielleicht die Dokumentation dazu oder vielleicht auch den Podcast dazu".
Das Ziel: Individuelle Mediatheken
ARD und ZDF haben vor Kurzem gemeinsame Streaming-Pläne vorgestellt. Beide Sender wollen ihre eigenen Mediatheken behalten, aber diese mehr miteinander verzahnen. Irgendwann soll es dann möglich sein, bestimmte der rund 250.000 gemeinsamen Inhalte in beiden Mediatheken anzubieten.
Es gehe insgesamt um Vielfalt, betont Benjamin Fischer: "Das soll schon in so ne Richtung gehen, dass wir da einfach eine Perspektiverweiterung hinbekommen, keine Perspektivbeschränkung immer in die gleiche Richtung, weil das ist ja auch, das brauchen wir nicht."
Das Ziel für die Zukunft laute, sagen die ARD- und ZDF-Verantwortlichen: eigene, individuelle Mediatheken, die sich Nutzerinnen und Nutzer selbst gestaltet haben – in denen die Sender aber dennoch weiterhin ihre redaktionellen Empfehlungen abgeben können. Also genau das, was Medienrechtler bereits heute mit Blick auf den Programmauftrag fordern.