Auch heute noch liegt zwischen Redaktionsschluss und Veröffentlichung von Zeitungen eine ganze Nacht. Im Zeitalter des Internets ist das eigentlich unüberbrückbar. Einige Zeitungsjournalisten versuchen es trotzdem, indem sie über angekündigte Termine so schreiben, als hätten sie schon stattgefunden. In der Regel fällt das nicht auf, manchmal aber doch - und ist dann besonders peinlich.
Die Süddeutsche Zeitung etwa formulierte im März 2017:
"Unter hohem Erwartungsdruck deutscher Manager und Unternehmer ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Besuch bei Präsident Donald Trump in Washington aufgebrochen."
Dabei war das Treffen kurz nach Redaktionsschluss um einige Tage verschoben wurden - und dementsprechend auch Merkels Abreise nach Washington. Wäre das nicht passiert, wäre Merkel tatsächlich beim Erscheinen der Süddeutschen Zeitung am nächsten Morgen auf dem Weg gewesen - und niemand hätte den Fehler bemerkt. Das macht zudem auch nicht den ganzen Artikel falsch, zumal sich Bestandteile daraus ja auf tatsächlich stattgefundene Termine oder erfolgte Recherchen beziehen - nur der Aufhänger stimmt dann eben nicht mehr.
Ohne Planung geht es ohnehin nicht: Viele Anlässe, aus denen Journalisten berichten, stehen schon früh fest, sei es eine Bundestagsdebatte, ein Staatsbesuch oder eine Urteilsverkündung vor Gericht. Die sind dann oft nur Anlass zu berichten, inhaltlich werden sie aber bereits vorbereitet: Welche Positionen vertreten die Parteien im Bundestag? Wie haben sie sich früher zu dem Thema geäußert? In welchem zwischenstaatlichen Kontext begegnen sich zwei Regierungschef? Wie sind die Umstände des Falls, der vor Gericht behandelt wird, wie verlief die Verhandlung? Mit dem eigentlichen Verlauf oder Ergebnis des Termins werden dann die grundsätzlichen Informationen aktualisiert.
Riskanter wird es, wenn Journalisten auf der Grundlage von vertraulichen Informationen schreiben, etwa wenn ein Lokalredakteur die Positionen in einer abendlichen Ratssitzung abbildet, die zwischen Redaktionsschluss und Erscheinungstermin der Zeitung stattfindet. Schließlich ist der genaue Verlauf nicht hundertprozentig vorhersehbar - möglicherweise wird der Tagesordnungspunkt abgesetzt, oder die Fraktionen verändern kurzfristig ihre Positionen. Schon passiert ist es auch, dass Rezensenten über einen Konzertabend oder eine Ausstellung schreiben, den sie schon gesehen oder schon mal erlebt haben, ohne diesmal tatsächlich dabei gewesen zu sein.