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Medien-ABC
Vertraulichkeit

Journalistisches Prinzip im Umgang mit bestimmten Informationen und Informanten

    In einem Flugzeug spricht Sigmar Gabriel in ein Mikrofon, um ihn herum stehen und sitzen Journalisten
    Auf seinem Flug nach Russland im März sprach Außenminister Sigmar Gabriel mit den mitreisenden Journalisten. Bei Gesprächen wie diesen kann Vertraulichkeit vereinbart werden. (dpa / Kay Nietfeld)
    Anfang März hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht verpflichtet ist, Auskunft über vertrauliche Hintergrundgespräche mit Journalisten zu geben. Geklagt hatte ein Redakteur des Berliner "Tagesspiegels", der wissen wollte, was Merkel gegenüber seinen Kollegen zu bestimmten Themen gesagt habe.
    Das Gericht wies die sogenannte Informationsklage ab – aus gutem Grund: Die Vertraulichkeit im Umgang mit Quellen und Informationen ist ein hohes Gut, gerade im investigativen, also Geheimnisse enthüllenden Journalismus.
    Eins, zwei oder drei
    Journalistinnen und Journalisten ordnen Gespräche mit Informanten in eine von drei Vertraulichkeitskategorien ein, die in der Regel vorab vereinbart werden. Wird das Gespräch "unter eins" geführt, bedeutet das, dass alle Informationen unter voller Nennung der Quelle – also dem Namen des Gesprächspartners – veröffentlicht werden dürfen. Diese Art von Gesprächen, zu denen auch das mit der klaren Absicht der Veröffentlichung geführte Interview zählt, ist die im journalistischen Alltag am häufigsten vorkommende.
    Wird "unter zwei" vereinbart, darf der Journalist zwar die im Gespräch erhaltenen Informationen verwenden, dazu aber keine Quelle nennen. Das ist die Stunde der so genannten "gut informierten Kreise" oder von "Quellen mit engem Kontakt zum Minister", die dann zitiert werden. Gibt ein Gesprächspartner Informationen "unter drei", so sagt er damit gleichzeitig: "Weder mein Name noch das, was ich Ihnen jetzt sage, dürfen jemals öffentlich zitiert werden. Ich würde beim Leben meiner Großmutter bestreiten, Sie jemals getroffen und mit Ihnen gesprochen zu haben."
    Solche "Hintergundgespräche" sind wertvoll, weil sie Journalisten die Möglichkeit eröffnen, neben Sachverhalten auch Einschätzungen von Beteiligten zu erfahren, die über diese Informationen und Bewertungen aber nichts in den Medien hören oder lesen wollen. Sowohl die Vereinbarungen "unter zwei" als auch "unter drei" können aber auch nicht ungefährlich sein – weil der beteiligte Journalist sich damit dem Risiko aussetzt, sich von seinem Gesprächspartner instrumentalisieren zu lassen.
    Die Risiken der Vertraulichkeit
    Halb vertrauliche "Unter zwei"-Informationen können zwar eine Recherche auslösen; die erhaltenen Informationen – etwa auf der jeweiligen Gegenseite ("Audiatur et altera pars") – gegenzuchecken, um sie vor einer Veröffentlichung als zutreffend bestätigt zu bekommen, ist aber mit einer Quelle, die nicht genannt werden darf, häufig nicht möglich.
    Eine "Unter drei"-Information kann sogar dazu führen, eine unliebsame Recherche zu beenden: Eine Journalistin ist einem Skandal auf der Spur und vereinbart mit einem Betroffenen ein Gespräch unter dieser höchsten Vertraulichkeitsstufe. Der Gesprächspartner bestätigt darin tatsächlich, dass er gegen Vorschriften verstoßen oder sich anderweitig schuldig gemacht hat; trotzdem kann die Journalistin damit nicht mehr über den Fall berichten – weil sie Vertraulichkeit zugesagt hatte.
    Eine auch durch den Pressekodex des Deutschen Presserats geschützte Vertraulichkeitszusage zu brechen, gilt als einer der größten Verstöße gegen den journalistischen Ehrenkodex: Wer eine Quelle nennt, obwohl er versprochen hatte, dies nicht zu tun, kann damit rechnen, nie wieder vertrauliche Informationen zu erhalten. So schmeichelhaft es deshalb sein mag, von einem Minister oder Bundestrainer vermeintlich ins Vertrauen gezogen zu werden, so schnell kann sich diese zu große Nähe journalistisch rächen.