Das Thema hätte aktueller kaum sein können: Gut eine Woche, nachdem die Funke Mediengruppe mit Sitz in Essen umfassende Restrukturierungs- und Sparmaßnahmen verkündet hatte, lud die nordrhein-westfälische Landesregierung Medienmacher zum Barcamp – unter dem Titel "MedienvielfaltRuhr" – und, wie es der Zufall will, ins Haus der Technik nach Essen, einen kurzen Spaziergang von Funke entfernt.
"Ich freue mich, dass die Gastgeber der heutigen Veranstaltung da sind. Herr Staatssekretär!"
Staatssekretär Nathanael Liminski, in der schwarz-gelben Landesregierung operativ für die Medienpolitik zuständig, wollte die Funke-Sparpolitik nicht kommentieren. Dass der finanzielle Druck auf die Branche und auf Journalisten seit Jahren zunehme, sei aber nicht neu, sagte er. Genau deshalb brauche es Treffen wie dieses, um Menschen – und ihre Ideen – zu vernetzen.
"Wir wollen uns gemeinsam mit Ihnen Gedanken darüber machen, wie es möglich ist, dass auch in Zukunft sich Menschen dafür entscheiden, das nicht nur zu ihrem Hobby zu machen, sondern auch zu ihrem Beruf."
"Mir fehlen die Experimente"
Das ist wohl der entscheidende Punkt in Sachen Medienvielfalt, nicht nur im Ruhrgebiet: So wichtig sie auch ist für ein funktionierendes Gemeinwesen, ja, für die Demokratie: Medienvielfalt muss sich lohnen. Das zeigt nicht zuletzt, hier muss es noch mal erwähnt werden, die Funke-Entscheidung, das Regionalbüro der "Westfalenpost" in Warstein im Sauerland dicht zu machen.
NRW-weit könnten bei den Funke-Zeitungen laut Branchen-Informationen bis zu zehn Prozent der Stellen wegfallen.
Der Landesvorsitzende des DJV in NRW, Frank Stach, sieht die Medienvielfalt in der Region deshalb auch: "total düster. Ich mache mir große Sorgen, nicht nur fürs Ruhrgebiet, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen."
Im Ruhrgebiet verlegt Funke unter anderem die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Neue Ruhr Zeitung" und "Westfälische Rundschau". Außerdem hält sie Mehrheitsbeteiligungen an vielen Lokalradios, unter anderem in Essen, Duisburg, Bochum oder Mühlheim.
Frank Stach: "Mir fehlen die Experimente bei der Funke Mediengruppe. Weil das Lokale ist glaube ich riesig angesagt. Wenn wir uns mal anschauen, was Google und Co. machen, dann geht das gerade nicht ins Lokale. Da ist die Lücke. Und verlangen die Leute."
Viele Ideen, wenig Geld
Und so drehten sich viele Diskussionen unter den rund 120 Medienmachern, um diese zentralen Fragen: Wie kann sich Lokaljournalismus im Ruhrgebiet für die Zukunft aufstellen? Und wie finanziert sich das?
Andrea Donat, Chefin von Radio Bochum und Mit-Gastgeberin des Barcamps, wünscht sich mehr Mut bei den Entscheidern: "Was mir immer fehlt, ist die Weiterentwicklung der Produkte. Nur sparen, wird zum Tod aller Medien führen."
Die Ideen für neue Formate seien da: "Wir müssen uns verändern, das heißt, die Lokalradios müssen sich digital aufstellen, müssten am besten ihre Formate in verschiedene Musikfarben stellen, in verschiedenen Anspruchshaltungen produzieren. Die Redaktionen sind dazu bereit, ob aber die Mittel bewilligt werden, das ist auf einem anderen Blatt."
Vera Lisakowski vom Grimme Online Award sieht im Ruhrgebiet vor allem in Sachen Innovation noch viel Spielraum: "Ich denke, was den Wandel dieser Industrieregion angeht, da könnten sich noch viel mehr Blogger und kleine Anbieter aufmachen und darüber berichten, das wäre toll."
"Und wie soll sich das dann finanzieren?"
"Naja, also gerade, was Blogger, Podcaster und ähnliches angeht, da ist erst mal ganz viel ehrenamtliche Arbeit dabei."
Ehrenamtlicher Journalismus – das kann allerdings nicht die Zukunft sein, sagt der DJV-Landesvorsitzende Frank Stach. Er sieht aber trotzdem Potenzial in der Idee, dass Einzelne mehr Gewicht bekommen.
Neue Finanzierungsmodelle für Journalismus?
"Wir brauchen eine Start-Up-Kultur. Das heißt, diejenigen, die Ideen haben, die was Lokales machen, vielleicht was Regionales, die müssen gezielt gefördert werden."
Genau das plant offenbar die nordrhein-westfälische Landesregierung. Staatssekretär Liminski: "Wir überlegen etwa durch Start-Up-Förderung hier im Ruhrgebiet etwas zu tun, auch für Medien-Start-Ups. Wir bemühen uns derzeit darum, über das Thema Gemeinnützigkeit für Journalismus vielleicht neue Finanzierungsmodelle zu erschließen."
Und so zeigte sich nach den Sessions zu Themen wie "Tschüss Einheitsbrei", "Social Media für lokale Medien", "Diversität" oder "Digitale Barrierefreiheit": Die Ideen sind da, jetzt sind die Geldgeber gefragt.