"Also, ich bin von Natur aus Optimistin. Und ich glaube, dass der Lokaljournalismus eine Zukunft hat. Ich kann nur leider gar nicht sagen, auf welcher Plattform und in welcher Form. Und ich kann auch nicht sagen, ob er es schaffen wird, dass er sich in 20 Jahren noch allein durch traditionelle Geschäftsfelder finanzieren lässt. Beziehungsweise an der Stelle muss ich doch einen gewissen Pessimismus zeigen. Ich glaube nicht, dass er sich durch bisherige Geschäftsmodelle dann noch komplett finanzieren wird."
Wiebke Möhring stützt dieses gemischte Urteil auf mehr als 20 Jahre wissenschaftliche Expertise. Die Journalistik-Professorin der TU Dortmund beschäftigt sich seit Mitte der 90er-Jahre mit Lokaljournalismus, und damit seit vielen Jahren zwangsläufig auch mit den Problemen, die viele Zeitungsverlage haben: Vor allem mit einem in die Jahre gekommenen, ins Wanken geratenen Geschäftsmodell. Die Regional- und Lokalzeitungen verkaufen sich immer schlechter: Früher waren es mal im Schnitt 18 Millionen verkaufte Zeitungen pro Tag; heute sind es nur noch elf Millionen – und von Jahr zu Jahr geht es weiter nach unten.
Das ist ein bedrohlicher Trend für den Lokaljournalismus und auch für die Demokratie. Denn wenn die letzte verbliebene Lokalredaktion vor Ort schließen muss, berichtet auch niemand mehr kontinuierlich über die Vorgänge in der Stadt oder im Dorf, im Stadtrat oder in der Gemeinde. Das zeigt sich bereits in den USA, wo es schon viele Gegenden ohne Lokaljournalismus gibt. Amerikanische Wissenschaftler weisen darauf hin, dass in den Rathäusern weniger effizient gearbeitet wird, wenn niemand mehr verfolgt, was dort vor sich geht. Gleichzeitig legt eine Studie aus der Schweiz nahe, dass es mit weniger Lokaljournalismus auch weniger Wahlbeteiligung gibt.
Kehrtwende steht aus
Dass das auch in Deutschland einmal so kommen könnte, sei zum Teil selbstverschuldet, meint Journalistik-Professorin Möhring.
"Dieser Gedanke, dass 2019 eine gedruckte Zeitung, die einen generalistischen Informationsanspruch hat und immer nur als Ganzes zum Beispiel verkauft werden kann, dieser Gedanke erscheint mindestens den Generationen, die schon mit starken individualisierten Digitalangeboten großgeworden sind, einigermaßen abstrus oder auch absurd. Warum soll ich sozusagen ein Abo bezahlen für ein Produkt, von dem mich am Ende vielleicht ein Drittel wirklich interessiert?"
Trotzdem hat eine radikale Kehrtwende noch nicht stattgefunden. Auch ein massives Investment in Lokaljournalismus, eine mutige Jetzt-oder-nie-Strategie, kann Möhring nicht wirklich beobachten.
"Natürlich weiß man, dass es gesünder ist Sport zu treiben und natürlich weiß man, dass es gesünder ist, sich gesünder zu ernähren. Und trotzdem tut man es manchmal nicht. Und das ist so ein bisschen manchmal, habe ich so das Gefühl, immer noch eine Grundhaltung von Verlagen. Ich glaube die Verlage wissen teilweise sehr gut, wie es besser gehen würde. Aber aus irgendeinem Grund tun sie es nicht, weil sie eben die Gewinne möglicherweise ja auch noch vielleicht abschöpfen wollen aus dem Printgeschäft, solange es halt noch geht."
Denn mit gedruckten Zeitungen lässt sich immer noch Geld verdienen. Nur eben deutlich weniger als früher. Das bekommen auch die großen Traditionsverlage zu spüren wie die Essener Funke-Mediengruppe. Im früheren WAZ-Konzern erscheinen unter anderem die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", die "Thüringer Allgemeine", die "Berliner Morgenpost" oder das "Hamburger Abendblatt". Das Unternehmen galt jahrzehntelang als äußerst renditestark. Doch haben alleine die Funke-Zeitungen in Nordrhein-Westfalen innerhalb von 25 Jahren mehr als die Hälfte der verkauften Auflage verloren.
Funkes NRW-Verlagsgeschäftsführer Thomas Kloß beklagt, "dass die Rahmenbedingungen für Verlage im Moment sehr schwierig sind. Man muss vielleicht sogar sagen, so schwierig wie niemals zuvor. Wir haben auf der einen Seite Auflagenverluste, wir haben sinkende Werbeerlöse, wir haben mit Papierpreiserhöhungen zu kämpfen, mit der Datenschutzverordnung, die es uns nicht erlaubt, unsere Kunden so anzusprechen, wie wir wollen. Und vor allen Dingen haben wir mit wirklich steigenden Kosten im Logistikbereich stark zu kämpfen."
Dazu passt, dass die Funke-Mediengruppe Anfang Februar eine Pressemitteilung herausgegeben hat, in der von "maximaler Kosteneffizienz", einem "strategischen Kostensenkungsprogramm" und "Personalabbau" die Rede ist. Erstes erkennbares Zeichen dieses "Zukunftsprogramms Funke 2022": Die Lokalausgabe der "Westfalen-Post" in Warstein gibt es seit März nicht mehr. Seit Funke sich aus der Stadt im Sauerland zurückgezogen hat, erscheint dort nur noch eine Lokalzeitung eines anderen Verlags. Auch wenn dieser Schwund der Meinungsvielfalt zu bedauern ist: Es könnte noch schlimmer kommen, meint Funke-NRW-Geschäftsführer Kloß.
Subventionierung durch den Staat bisher strikt abgelehnt
"Es wird sich einfach die Frage stellen, ob Verlage wirklich an jedem Ort in Deutschland an den kleinsten Standorten in Zukunft noch vertreten sein werden. Dass Journalismus wahnsinnig wichtig ist, dass es wahnsinnig wichtig ist, eine freie Presse zu haben, vor Ort in jeder Stadt, im Kreis, im Dorf, um den Mächtigen auf die Finger zu schauen, darüber müssen wir nicht diskutieren. Auf der anderen Seite stehen wir einfach unter diesem wirtschaftlichen Druck und sind ein Wirtschaftsunternehmen, sodass wir eben auch auf die Zahlen schauen müssen. Und da kann es einfach schon sein, dass es demnächst weiße Flecken geben wird."
Deshalb fordern die Verlage zum Beispiel weitere Steuererleichterungen. Im Moment kursiert sogar die Idee, pro zugestellter Zeitung vom Staat eine bestimmte Summe zu bekommen – was ein Paradigmenwechsel wäre angesichts der Tatsache, dass die Zeitungsverlage in Deutschland bisher Geld vom Staat strikt abgelehnt haben. Auch das zeigt den wirtschaftlichen Druck in der Zeitungsbranche. Und tatsächlich gibt es seit Jahren eine Hiobsbotschaft nach der anderen und zwar nicht nur von der Funke-Mediengruppe. Der Dumont-Verlag überlegt zum Beispiel im Moment, vom "Kölner Stadtanzeiger" über die "Berliner Zeitung" bis zur "Mitteldeutschen Zeitung" all seine regionalen Tageszeitungen zu verkaufen; und überall in der Republik werden mehr Redakteursstellen eingespart als geschaffen.
Das alles klingt sehr negativ und hoffnungslos. Aber das ist nur ein Blick auf den Lokaljournalismus. Denn mehrere Studien zeigen: Viele Menschen wollen wissen, was vor ihrer Haustür passiert, haben immer noch großes Interesse an Lokaljournalismus. Und auch wenn sie keine gedruckte Zeitung mehr im Abo haben: Sie sind zunehmend bereit für digitalen Lokaljournalismus zu bezahlen, beobachtet auch Funke-NRW-Geschäftsführer Kloß.
"Wir sehen einfach, dass die Zahlungsbereitschaft für digitale Produkte deutlich gestiegen ist und dass sich wirklich hier ein Kulturwandel vollzieht. Und das Gute daran ist: Es sind vor allem die lokalen, gut recherchierten Inhalte, für die bezahlt wird. Also wirklich Kommentare, Hintergründe, Reportagen, kritische Berichte, Servicestücke. Eben nicht der Katzencontent, sondern wirklich hochwertiger Content, für den die User digital bezahlen."
Dieser Kulturwandel vollzieht sich im Moment nicht nur bei den Lesern, sondern auch bei den Medienunternehmen: Immer mehr Verlage machen ihre Inhalte kostenpflichtig, versuchen der bisherigen Gratis-Mentalität Bezahlmodelle entgegenzusetzen. Dieses Umschwenken hat allerdings noch nicht dafür gesorgt, dass die Einbußen bei den gedruckten Zeitungen komplett aufgefangen werden konnten.
Und es funktioniert auch nur, wenn die digitalen Angebote inhaltlich attraktiv sind. Daran arbeitet zum Beispiel Hannah Suppa. Die 35-Jährige ist Chefredakteurin der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" in Potsdam und seit Kurzem bei der Madsack-Mediengruppe zusätzlich "Chefredakteurin Digitale Transformation und Innovation im Regionalen".
"Aus dem Digitalen lernen"
"Ich habe mit 18 bei einer Lokalzeitung angefangen und kenne das eben noch so klassisch: Man geht auf Termine und schreibt diesen Termin dann auf und dann steht das vielleicht auf Seite fünf im Lokalteil unten rechts. Wir müssen uns aber immer mehr fragen heute, ob dieser Termin, den wir da wahrnehmen, eigentlich dem Interesse entspricht, das die Leute haben und vor allen Dingen eine jüngere Zielgruppe im Digitalen hat, die wir eben mit der gedruckten Zeitung nicht mehr erreichen. Und ich glaube, dass wir da oft in der gedruckten Zeitung ein bisschen am Interesse der jüngeren Nutzerschaft vorbeischreiben. Und deswegen glaube ich, dass wir da sehr viel stärker hingucken müssen, was für Themen wir eigentlich machen. Und da eben aus dem Digitalen lernen durch die Daten, die wir haben, durch das, was wir erfahren können über die Leser, was sie interessiert, was sie nicht interessiert, einmal über die eigenen Daten auf unserer Website, aber eben auch, was wir über Social Media erfahren."
Das bedeutet, dass der Sportverein nicht mehr zwangsläufig mit jeder Jahreshauptversammlung in der Zeitung oder im Netz landet. Das kann schon mal für Unmut sorgen, gerade bei den Vereinsmitgliedern. Es verschafft den Redakteurinnen und Redakteuren aber etwas Zeit für größere Texte, für längere Recherchen. Dafür sorgt auch ein weiterer Strategiewechsel, der sich bei der "Märkischen Allgemeinen" und vielen anderen Lokalzeitungen beobachten lässt: Die überregionalen Berichte werden von anderer Stelle zugeliefert; bei Hannah Suppas Zeitung von der Madsack-Mediengruppe.
"Also es kümmert sich hier bei der Märkischen Allgemeinen in Brandenburg keiner mehr darum, was in Afghanistan passiert oder dass Notre Dame brennt. Das sind Themen, die wir zentral bearbeiten, die wir gut zentral bearbeiten, und vielleicht auch in einer besseren Qualität als wir das vorher hatten. Beispiel Notre Dame: Wir haben uns dann eben darum gekümmert, das Ganze zu regionalisieren, indem wir beim Brandenburger Dom nachgefragt haben, wie die Brandschutz machen, bei den Schlössern und Gärten in Sanssouci gefragt haben, wie die sich darauf einstellen, was sie für Szenarien haben, wie die Schätze da geschützt sind. Das haben wir alles regional gemacht und die Kollegen aus Hannover haben sich mit unseren Korrespondenten in Frankreich um Notre Dame eben überregional gekümmert."
Die Konzentration aufs Lokale spart Geld, sorgt aber auch dafür, dass es zum Beispiel in der Hauptstadt weniger Korrespondenten aus den verschiedensten Regionen Deutschlands gibt, weswegen dieser Schritt für die Medienvielfalt durchaus auch negative Folgen haben kann. Und neben dem Fokus aufs Regionale und Lokale hat sich noch etwas geändert: Dass die Interessen der Leserinnen und Leser sofort bedient werden, dass niemand warten muss, bis die Zeitung gedruckt ist.
"Wir waren auch sehr schnell digital mit dieser Frage, was eigentlich ist mit dem Brandenburger Dom, und haben das eben nicht abends erst online gestellt, nachdem die Zeitung fertig war, sondern hatten das schon am Vormittag fertig gemacht und haben es dann Print gestellt, wie ich in meiner Redaktion jetzt immer sage und dann quasi auch noch ausgedruckt."
Umdenken auf einer grundsätzlichen Ebene wichtig
Spätestens der wirtschaftliche Druck hat also ein Umdenken befördert. Journalistik-Professorin Wiebke Möhring betont, dass dieses Umdenken auch auf einer ganz grundsätzlichen Ebene wichtig ist: beim Kontakt zwischen Lesern und Redaktion; weil es im Jahr 2019 keine mediale Einbahnstraße mehr gibt; weil sich Userinnen und User persönlich wiederfinden und ernstgenommen werden wollen.
"Wir haben ein paar Verlagshäuser, die das schon ein bisschen stärker auch umsetzen, die eben zum Beispiel Leser einbinden, die sich von Lesern und Leserinnen ihre Wünsche zuschicken lassen, die sich auf Missstände aufmerksam machen lassen, denen sie dann nachgehen. Und ich glaube, das ist tatsächlich der Weg, den Journalismus, damit er weiterhin ernst genommen werden und auch eine relevante Rolle spielen kann, auch gehen muss."
Allerdings ist diese Erkenntnis nicht neu; den guten alten Leserbrief gibt es ja auch noch. Und weil es das Internet inzwischen auch schon eine ganze Weile gibt und weil viele Menschen längst auch Whatsapp-Chats oder Facebook-Gruppen nutzen, um sich über ihre Nachbarschaft, ihre Stadt zu informieren, stellt sich die Frage, ob die Verlage mit all ihren Strategiewechseln nicht viel zu spät dran sind.
Und, ob nicht andere Angebote ihnen den Rang ablaufen, weil sie weniger behäbig sind. Das müssen nicht nur die großen Social-Media-Plattformen aus den USA sein. Das kann auch ein kleines, lokales Medien-Startup sein wie Merkurist.de aus Rheinland-Pfalz. Bei dem können Userinnen und User selbst Themen vorschlagen, mit so genannten Snips – und sie können darüber abstimmen, welches Thema sich die Redaktion vornehmen soll. Merkurist-Geschäftsführerin Sarah Heil.
"Ich bin überzeugt davon, dass wir viel näher dran sind am Leser, an unserer Community, an unserem Endverbraucher, als viele klassische Medienhäuser. Einfach, weil wir die Möglichkeit bieten, direkt mit uns in Verbindung zu treten, eigene Themen auf der Seite zu sehen. Die werden natürlich nochmal von der Redaktion geprüft. Da gibt es gewisse Standards, die die erfüllen müssen, die dürfen nicht diskriminierend sein, die dürfen nicht zu werblich sein, die dürfen nicht rassistisch sein und so weiter. Wir haben das Ohr viel näher am Leser dran und können somit Themen generieren, die andere auch nicht mitbekommen würden."
Auf den Merkurist-Seiten in Mainz, Wiesbaden und Frankfurt am Main geht es viel um Polizeieinsätze, um Unfälle, Baustellen, Gastronomie und Human-Interest-Stories, also Geschichten, die menscheln und die die Leserinnen und Leser interessieren.
"Da hatten wir zum Beispiel einmal einen Busfahrer, der seinen Stadtbus mitten in der Stadt angehalten hat, um einer blinden Frau über die Straße zu helfen. Wir hätten das nie mitbekommen, weil wir nicht in dem Bus saßen. So. Es hat uns aber ein Leser einen Snip geschickt. Der fand das ganz toll und fand das so hilfreich von dem Busfahrer. Dann haben wir versucht, den Busfahrer ausfindig zu machen, haben das mit Erfolg getan und hatten eine total schöne Geschichte, warum dieser Busfahrer jetzt ausgerechnet sich bemüßigt fühlte, der Frau über die Straße zu helfen. Das sind Themen, auf die wir selbst nicht gekommen wären."
Geld von Investoren
Auch wenn das in den meisten Fällen keine tiefgreifenden Recherchen, keine hochpolitischen Geschichten sind: Merkurist.de zieht viele Menschen an, hat nach eigenen Angaben allein in Mainz um die 30.000 Seitenaufrufe pro Tag. Allerdings macht Merkurist auch vier Jahre nach Start noch keine Gewinne. Das Geld kommt bisher von Investoren; darunter inzwischen auch ein Zeitungsverlag, sagt Geschäftsführerin Sarah Heil.
"Am Anfang hat uns die lokale Konkurrenz milde belächelt und gesagt: Ja, macht ihr mal, in einem halben Jahr seid ihr eh wieder weg. Und nach einem halben Jahr haben sie festgestellt: Oh, die machen das ja vielleicht doch gar nicht so schlecht. Dann haben sie irgendwann angefangen tatsächlich auch mal das Gespräch zu suchen. Und mittlerweile ist da eine total tolle Partnerschaft daraus entstanden. Der lokale Verlag hat tatsächlich in die Merkurist RheinMain GmbH auch mit investiert. Gerade auch für die Volontäre ist das total interessant. Wir haben Volontäre, die lokalen Verlage haben Volontäre und da gucken wir einfach, dass da auch ein Austausch entsteht. Dass unsere Volontäre Print kennenlernen können und deren Volontäre mal online auf eine andere Art und Weise kennenlernen können."
Es kommt also Bewegung in den Lokaljournalismus; mit neuen Ideen, zum Teil auch von Marktteilnehmern, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gegeben hat. Trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen ist das eine durchweg positive Entwicklung, meint Lokaljournalismus-Expertin Möhring.
"Allein die Tatsache, dass es zum Beispiel plötzlich einen neuen Informationsanbieter oder aber sogar einen journalistischen Anbieter gibt, der ihnen vielleicht noch nicht mit Blick auf Reichweite und inhaltlichem Spektrum Konkurrenz machen kann, aber allein die Tatsache eben dass dort jemand ist, der auch hinschaut, führt einfach dazu, dass eben auch in den Redaktionen möglicherweise auch noch mal wieder anders auf bestimmte Themen geschaut werden kann."
Aber neben Konkurrenz können auch Kooperationen den Lokaljournalismus nach vorne bringen. So sind zum Beispiel große Recherchen möglich, meinen die Macher von Correctiv.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalisten, initiiert vom gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Bei ihrem Projekt "Wem gehört die Stadt" arbeiten sie mit Lokalzeitungen aus verschiedenen Regionen zusammen, erklärt Correctiv.Lokal-Chef Justus von Daniels.
"Da haben wir mit verschiedenen Medienpartnern begonnen, echte Recherchen zu machen vor Ort, wo wir mit einer speziellen Online-Plattform Bürger dazu animieren, dazu aufrufen, uns zu helfen, mehr über das Eigentum der Stadt herauszufinden. Und das zeigt, dass wir so ein Thema, was bundesweit immer wieder diskutiert wird, aber immer auf sehr theoretischem Niveau, dass wir da mit Medienpartnern zusammen zeigen können, wie sich die Probleme im Wohnungsmarkt direkt in der Stadt auswirken und wie das zum Beispiel im Vergleich zu anderen Städten ist."
Plattformen schaffen, wo Bürger selber stattfinden können
Die Recherche-Experten von Correctiv wollen auf Dauer ein festes Netzwerk aufbauen und zusammen mit den Lokalredaktionen verschiedenste Themen in Angriff nehmen. Damit sollen große Recherchen auch im Kleinen ermöglicht werden, im Lokalen.
"Wenn wir mit Medienpartnern zu tun haben, erlebe ich eigentlich wahnsinnig tolle und engagierte Journalistinnen und Journalisten, die aber oft leider Gottes zu wenig Zeit haben, um sich mal intensiver mit einer Geschichte auseinanderzusetzen. Oder kleinere Redaktionen haben oft nicht die Kapazitäten, um eine mittelgroße oder eine große Datenanalyse zu machen. Insofern glaube ich schon, dass es wichtig ist, auf diese Weise den Lokaljournalismus zu stärken, der tatsächlich meines Eindrucks nach sehr sehr gut ist und sehr ambitioniert ist. Man muss halt gucken, dass man diese Ambitioniertheit, vor Ort auch mal zu wühlen und was herauszubekommen, dass man das weiter unterstützt."
Am allerwichtigsten aber: diejenigen nicht aus dem Blick zu verlieren, für die Lokaljournalismus gemacht wird: Für die Menschen in der Stadt und auf dem Dorf. Wobei das Nicht-aus-dem-Blick-verlieren noch zu passiv ist: Lokaljournalismus muss sich viel stärker öffnen, meint Justus von Daniels, muss ein noch tieferer Teil der Gesellschaft werden, um in Zukunft eine Chance zu haben, um keine weiße Flecken entstehen zu lassen auf Deutschlands publizistischer Landkarte.
"Wenn man eine Lokalzeitung liest, dann liest man sie auch, weil man irgendwie hinten im Sportteil wissen will, wie der Nachbar oder das eigene Kind beim Sportverein abgeschnitten haben. Man will sich auch wiedererkennen. Und solche Möglichkeiten, wie dass sich Bürger beteiligen können, Plattformen zu schaffen, wo Bürger auch selber stattfinden können in der Lokalzeitung, ist für mich auf jeden Fall ein ganz ganz wichtiger Weg, um genau das zu verhindern, nämlich dass es irgendwann gar keinen Lokaljournalismus mehr gibt. Der richtige Weg ist, den Lokaljournalismus in ein neues Zeitalter zu heben. Und das geht eben nur, wenn man die Bürger anders einbindet und ihnen Möglichkeiten schafft, sich da auszudrücken in der Zeitung, auch wenn die Zeitung irgendwann nicht mehr gedruckt wird."