Ende März führte Moderatorin Kristin Welker in „Meet the Press“ ein kritisches Interview mit der ehemaligen Vorsitzenden der Parteiorganisation der Republikaner, Ronna McDaniel. Einer Frau, die zu diesem Zeitpunkt vom gleichen Sender NBC News schon als politische Kommentatorin angeworben worden war. Als Parteifunktionärin hatte Ronna McDaniel noch die Lüge des Trump-Lagers von der geraubten Präsidentschaft unterstützt, im Interview räumte sie nun den Sieg von Biden ein.
Im anschließend gesendeten Analysegespräch sprach der Analyst Chuck Todd den, wie er es nannte, Elefanten im Raum an: Unsere Chefs sollten sich dafür entschuldigen, dich in eine solche Lage gebracht zu haben, sagte er zu Kristen Welker. Chuck Todd ist nicht irgendwer. Er ist White-House-Correspondent und politischer Direktor bei NBC.
„Sie hat Probleme mit ihrer Glaubwürdigkeit“, sagte Chuck Todd. Bei dem Wunsch, möglichst viele unterschiedliche Meinungen auf den Sender zu bringen: Wie könne jemand, der wie Ronna McDaniel öffentlich demokratische Entscheidungen in Zweifel gezogen hat, für NBC News arbeiten? Die Proteste von Todd und anderen bekannten NBC-Moderatoren brachten den Sender dazu, das Engagement von McDaniel wieder aufzulösen. Was wiederum zu Vorwürfen der Trump-Seite und Fox News führte, dass Ronna McDaniel von Linken gecancelt worden sei, weil sie Donald Trump unterstütze.
Trump und das Kardinal-Problem des Journalismus
Die Ronna-McDaniel-Episode bei NBC ist das jüngste Beispiel für ein Kardinalproblem des Journalismus, das Jonathan Karl, Washington-Korrespondent von ABC, schon 2021 auf den Punkt gebracht hat:
„Man berichtet über einen Kandidaten, der im Kern antidemokratisch ist. Einen Kandidaten, der nicht nur gegen einen Kandidaten der Demokratischen Partei antreten wird, sondern gegen das ganze demokratische System. Und mit einer Republikanischen Partei, die das unterstützt, sowie einen Teil der US-amerikanischen Gesellschaft, der das gar nicht mal schlimm findet.“
Eine Antwort auf diese Herausforderung hat der amerikanische Journalismus bis jetzt nur in Ansätzen gefunden. Die Zeitschrift „The Atlantic“ widmete zum Beispiel eine ganze Ausgabe den Gefahren, die von einer neuen Trump-Präsidentschaft für die Demokratie entstehen könnten – als Warnung und weil, wie Chefredakteur Jeffrey Goldberg sagte, er sich nicht an der Normalisierung von Extremismus beteiligen wolle.
„Weithin“ antisemitisch: Dinge beim Namen zu nennen
Journalisten dürften sich nicht zu Lautsprechern und Stenographen antidemokratischer Meinungen machen, schrieb die altgediente Journalistin Margaret Sullivan zum Abschied von ihrer Medienkolumne für die Washington Post. Wie der „New-York-Times“-Podcast "The Daily" analysierte, habe sich NBC News selbst ein Bein gestellt, als der Sender dachte, das Trump-Publikum mit einer republikanischen Politikkommentatorin ködern zu können. Das ginge eben nicht, wenn man gleichzeitig journalistisch integer sein wolle. Man müsse als Journalist der Wahrheit treu bleiben, auch wenn man dabei einen Teil des Landes verliere, sagte Jim Rutenberg und versprach eben solches für die "New York Times".
Doch wie weit kann man dabei gehen? Wie die journalistischen Veteranen Marc Jakob und Steven Beschloss in ihren Newslettern und Videos nicht müde werden zu verbreiten, seien Medien, auch die „New York Times“, immer noch viel zu vorsichtig, Dinge beim Namen zu nennen. Mark Robinson zum Beispiel, republikanischer Vize-Governeur in North-Carolina, unter anderem als Holocaust-Leugner bekannt, wurde in einem Portrait der Zeitung bezeichnet als jemand, der als „weithin“ antisemitisch betrachtet würde.
„Was soll das ‚weithin betrachtet‘ hier?“, fragt Marc Jakob. Warum könne man nicht einfach sagen, dass der Mann antisemitische Dinge tut. Und Steven Beschloss ergänzt, es sei das alte Lied: Wenn es draußen regnet, geh raus, prüfe es nach und sage, es regnet. Sage nicht, manche sagen, es regnet.