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Medien in der Coronakrise
"Gewinn für den Journalismus, nicht die Journalisten"

Die Coronakrise zeige, wie wichtig professioneller Journalismus für die Gesellschaft sei, sagte die Journalismusforscherin Alexandra Borchardt im Dlf. "Gerade jetzt ist verlässliche Information eine Sache des Überlebens." Allerdings erlebten Medienschaffende eine schwere Zeit.

Alexandra Borchardt im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Alexandra Borchardt, Journalistin und Dozentin am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford, sitzt an einem Tisch
Alexandra Borchardt, Journalistin und Dozentin am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford (Privat)
Die aktuelle Krise sei ein "Gewinn für den Journalismus, aber nicht unbedingt (für) die Journalisten", sagte Borchardt, die bis vor einigen Jahren selbst als Redakteurin für die Süddeutsche Zeitung gearbeitet hat. Umso wichtiger sei es angesichts wegbrechender Werbeumsätze, dass Medienhäuser unterstützt würden.
Doch nicht in allen Ländern würden solche Hilfen von Seiten des Staates kommen. Deshalb seien auch Bürgerinnen und Bürger gefragt. Beispielsweise könnten sie Abos bei Tageszeitungen abschließen. "Es muss deutlich werden, wie wichtig Qualitätsjournalismus für die Menschen ist."
Die Coronakrise werde ohnehin stattfindende Veränderungen auf dem Medienmarkt weiter beschleunigen, erwartet Borchardt. So stünden etwa Verlage, die schon vorher auf Digital-Abos gesetzt hätten, jetzt besser da.
"Verlage werden versuchen, Abonnenten digital zu aktivieren"
Borchardt erwartet, dass wegen der Krise vollzogene Kürzungen bei den Zeitungen auch nach der Coronakrise nicht wieder zurückgenommen würden. "Es ist ein kaum gehütetes Geheimnis, dass Leser, die Print-Abonnements abbestellen, dies häufiger tun, weil sie sich von zu viel Material überfordert fühlen und nicht, weil sie zu wenig Volumen erhalten", schreibt sie in ihrem eigenen Blog. Außerdem erwarte sie, dass "Verlage in den kommenden Wochen viel Zeit aufwenden, um ihre Print-Abonnenten für den Fall der Fälle digital zu aktivieren".
Und seien Leser erst einmal online, würden sie sich daran gewöhnen, zitiert Borchardt Rasmus Kleis Nielsen, den Direktor des "Reuters Institute for the Study of Journalism" an der Universität Oxford: "Die Menschen werden in absehbarer Zukunft viel Zeit online verbringen. Und bisher gibt es nur wenige Beispiele dafür, dass Menschen zu den Offline-Medien zurückkehren, sobald sie sich für Online-Medien entschieden haben."
"Vielfältige Krise"
Borchardt beschäftigt sich – ebenfalls am Reuters-Institut in Oxford – seit Jahren mit Entwicklungen des Medienmarkts. Gerade ist ihr Buch "Mehr Wahrheit wagen: Warum die Demokratie einen starken Journalismus braucht" (im Duden-Verlag) erschienen.
In dessen Einleitung schreibt sie, es handle sich um ein Buch über die "vielfältigen Krisen des Journalismus, nicht zuletzt in seinem Verhältnis zum Publikum". Immer mehr Menschen mieden klassische Medien und deren Nachrichten, misstrauten Inhalten oder wollten sich nicht länger einem "Gefühl der Ohnmacht" ausliefern.
Eine Ursache macht Borchardt darin aus: Wichtige politische Akteure wie US-Präsident Trump würden regelmäßig öffentlich ihre Verachtung gegenüber professionellen Medien kundtun, das verunsichere viele Menschen. Dabei gehe es nicht nur um das Schicksal einer Branche, sondern, so schreibt sie: "Die Zukunft der Demokratie steht auf dem Spiel."