"Es ist nicht so, dass wir jetzt das erste Mal erleben, dass Druck auf die serbische Presse ausgeübt worden wäre. Der ist vielleicht jetzt stärker, weil der Mann, der jetzt in Serbien an der Spitze steht, stärker ist als alle seine Vorgänger. Er hat weniger Konkurrenz",
sagte Michael Martens, Autor und Südosteuropakorrespondent der FAZ.
"Aber alle seine Vorgänger als Ministerpräsidenten oder Staatsoberhäupter in den letzten 10 oder 15 Jahren – und über die Milošević-Zeit müssen wir gar nicht reden – haben die Medien versucht zu manipulieren, zu kontrollieren und eben den öffentlichen Diskurs zu bestimmten. Das ist ein Problem der serbischen Führung. Aber es ist auch ein strukturelles Problem. Serbien ist ein kleines Land, sieben Millionen Einwohner, siebeneinhalb. Es ist ein wirtschaftlich schwaches Land, und es gibt eben kaum Strukturen für unabhängige Medienhäuser, die von den Einnahmen ihrer Medientätigkeit leben."
Medien stark abhänggig von Tycoons
Zu den Problemen gehört vor allem das oligarchische System im Land. Die Reichen sind mit der politischen Elite aufs Engste verflochten. Man braucht sich wechselseitig. Korruptionsbekämpfung gilt als Werbeslogan für Brüsseler EU-Vertreter. Im Land selbst nimmt so etwas kaum jemand ernst. Und die Medienmacher wissen: Man kann zwar vieles schreiben. Aber echtes Geld lässt sich nur als Sprachrohr der Regierung verdienen.
"Das hat zur Folge, dass Medien stark abhängig werden von Tycoons oder Wirtschaftsunternehmen, die sie stützen – oder auch vom Staat, wobei das dann hier nicht nach dem öffentlich-rechtlichen Modell funktioniert, sondern über Projekte, wo sich Medien bewerben können – und dann bekommen sie Geld."
...und zwar direkt aus der Staatskasse, bemerkt Andreas Ernst, Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Belgrad.
"Wer kritisch ist, hat schlechtere Karten. Und die Folge ist, dass es kaum richtige Debatten gibt im medialen Raum. Ein großer Teil der Opposition hat sich quasi ins Internet verzogen, wo eigentlich nur noch diejenigen, die der gleichen Meinung sind, miteinander reden."
… und dafür schlecht oder gar nicht bezahlt werden. Oft betreiben sie Journalismus als Freizeitbeschäftigung auf der Basis anderer Einkünfte.
Niedrige Auflagen für kritische Zeitungen
Und dennoch: Immer noch gibt es regierungskritische Presse in Serbien, auch gedruckt. Ein Beispiel ist das seit 1990 erscheinende Wochenmagazin Vreme. Damals schrieb es gegen Slobodan Milošević an. Heute opponiert es gegen Aleksandar Vučić. Gregor Mayer, Korrespondent des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil in Belgrad:
"Zeitungen wie Vreme, die ja extrem anständig ist, haben auch niedrige Auflagen. Man findet dann auch in Vreme solche Beilagen der Europäischen Kommission, wo es um Sachdinge geht. Das ist auch als Beilage entsprechend gekennzeichnet. Das sind einige – wie mir scheint, wenige – Ressourcen, die diesen Medien noch zur Verfügung stehen."
Vreme verlegt auch eine internationale Ausgabe in Wien. Internationales Kapital spielt eine Rolle auf dem serbischen Medienmarkt, aber keine maßgebliche. Von der WAZ-Gruppe, die zwischen 2000 und 2010 im Land sehr aktiv war, ist kaum etwas geblieben. Weiterhin betätigt sich die Zürcher Springer-Ringier-Gruppe in Serbien, vor allem mit dem populären, mitunter regierungskritischen Boulevardblatt Blic:
Mayer: "Ringier ist ja eines der Verlagshäuser, die stehen der Sozialdemokratie nahe, die ihr inhaltliches Anliegen noch mit reinbringen. Obwohl Ringier, die mussten sich unter die Realitäten von Vučić fügen und die sind ein ein bisschen handzahmer geworden – natürlich auch",
konstatiert Profil-Korrespondent Gregor Mayer, während sein FAZ-Kollege Michael Martens überzeugt ist, dass ausländische Verleger kein besonderes Interesse an kritischem Qualitätsjournalismus in Serbien haben:
"Sie wollen Geld verdienen. Und einige tun das mit solidem Journalismus und andere tun das mit weniger solidem Journalismus. Das heißt, diese Gleichung, der westliche Investor kommt, und dann haben wir ein aus dem Westen gewohntes Niveau von unabhängigen Medien, die geht nicht auf."