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Kinder über den Krieg aufklären
Ängste nehmen, aber auch zulassen

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind auch Medien für Kinder und Jugendliche gefragt, ihrem Publikum zu erklären, was in der Welt los ist. Für die Redaktionen kann das zur Gratwanderung zwischen Information und Seelsorge werden. Noch mehr als bei anderen Krisen sind deshalb die Eltern gefragt.

Von Michael Borgers | 02.03.2022
Ein Kind, getragen von einem Mann, hält ein Schild mit der Aufschrift "No War" in der Hand
Der Ukraine-Krieg beschäftigt auch Kinder - hier protestiert ein Junge in Berlin dagegen (imago images/Stefan Trappe)
Auch „Logo“, die Nachrichtensendung im Kinderkanal Kika, kommt nicht vorbei an diesem Thema: „Wir starten in Polen, dorthin flüchten gerade viele Menschen vor dem Krieg in der Ukraine. Sherif ist für uns vor Ort.“ Doch das Gespräch kommt nicht zustande, technische Probleme. Stattdessen das: „Jetzt hat der Präsident von Russland, Wladimir Putin, etwas gemacht, das viele verunsichert. Er hat seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Wir erklären Euch, was dahintersteckt.“
Es folgt ein kurzer Film, der nüchtern Fakten erklärt, aber auch Fragen offenlässt: „Offenbar will Putin so andere Länder einschüchtern und sie davon abhalten, der Ukraine zu helfen. Vielleicht, weil er davon ausgeht, dass niemand einen Krieg mit Atombomben will.“

„Muss ich Angst vor einem Weltkrieg haben?“

Mit solchen Informationen umzugehen, kann für Kinder schwierig sein. Aber es sei trotzdem wichtig, dass sie wissen, was momentan in der Ukraine und in Russland passiert. Und: dass sich Kinder in diesen Tagen auch selbst informieren, sagt Kika-Expertin Sabine Marx. „Wenn ich Hintergründe kenne, wenn ich ein bisschen was weiß, auch jetzt losgelöst von diesem Ukraine-Konflikt, dann kann das auch helfen, dass ich da nicht mehr so unsicher bin und mich dem so ausgeliefert fühle.“

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Die frühere Journalistin berät seit vielen Jahren Kinder und Jugendliche, die Sorgen und Fragen haben. Dazu gehört auch ihre Arbeit bei einem gemeinsamen Projekt von Diakonie und Kika: dem „Kummerkasten“, wo Expertinnen wie sie kurz auf Fragen von Kindern eingehen, so wie zuletzt etwa diese: „Muss ich Angst vor einem Weltkrieg haben?“ Vom ersten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine an hätten den „Kummerkasten“ solche Zuschriften erreicht. „Also Nachrichten von Kindern, Jugendlichen, die über ihre Ängste schreiben, über ihre Sorgen. Die fragen: Wie kann ich das loswerden, wenn ich irgendwas Schlimmes sehe? Mir macht das Angst.“
Angst sei ein zentrales Thema ihrer Arbeit, so Sabine Marx. Dabei gehe es aber nicht nur darum, Kindern ihre Ängste zu nehmen. Denn auch Erwachsene würden dieses Gefühl ja kennen. „Und wenn sie da auch mitkriegen, ‚Okay, auch die Erwachsenen machen sich Sorgen‘, kann das tatsächlich auch ein Stück weit erleichternd sein, dass sie spüren, ‚Okay, ich nehme das richtig wahr‘. Wenn wir beschwichtigen würden und sagen würden, ‚Nee, alles gut‘, wären wir nicht authentisch.“

Auf der Suche nach dem Positiven

Kindern die Welt zu erklären und ihnen dabei auf Augenhöhe begegnen – das hat sich auch „Dein Spiegel“ vorgenommen, das Angebot des Hamburger Nachrichtenmagazins für 8- bis 14-Jährige. „Es hat bisher keine Situation gegeben, wo wir gesagt haben: Dieses Thema behandeln wir nicht“, sagt Bettina Stiebel, seit vielen Jahren Leiterin der Redaktion, mit Blick auf zurückliegende Krisen.

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 „Unser Anspruch ist natürlich, in erster Linie zu gucken, wie nehmen wir Ängste? Das heißt, dass wir immer Themen betrachten unter dem Aspekt, wo ist was Positives? Wo ist irgendwas, wo es Hilfe gibt?“ Beim Ukraine-Krieg falle es aber auch ihr schwer, das Positive zu finden, stellt die Journalistin fest. In der bald erscheinenden, eigentlich bereits abgeschlossenen Monatsausgabe, habe man sich deshalb erst einmal auf zwei Sonderseiten auf das Grundlegendste beschränkt. „Wer ist die Ukraine? In welchem Verhältnis steht sie zu Putin? Was hat Putin jetzt getan? Was bedeutet eigentlich eine Invasion? Wer ist die Nato? Wie steht Deutschland jetzt dazu?“

Expertin: Kinder beim Medienkonsum begleiten

Im nächsten Heft von „Dein Spiegel“ soll es dann mehr Hintergründe geben, so Stiebel. Und dabei Antworten auf Fragen, die sich auch Erwachsene in diesen Tagen stellen. „Wo kann ich Informationen bekommen? Wo muss ich aber auch aufpassen?Denn auch hierzulande, auf Social Media, gibt es ja viele 'Fake News', denen man da aufsitzt.“
Hier seien dann wieder Eltern gefragt, betont Kika-Expertin Sabine Marx vom „Kummerkasten“. Beispielsweise dann, wenn Kinder Bilder sehen, die sie eigentlich nicht hätten sehen sollen. „Da ist es sehr wichtig für Eltern, da feinfühlig zu sein und genau hinzugucken und auch den Kindern zu sagen: Hey, passt da auf. Wenn Du ein Video siehst, Du kannst wegscrollen, Du kannst wegklicken, Du kannst auch das Handy weglegen.“
Kinder und Jugendliche sollten sich zwar selbständig informieren können. Aber mindestens genauso wichtig sei es, dass Eltern sie dabei begleiten.