In einer ihrer Reportagen für den unabhängigen belarussischen Fernsehsender Belsat ist Volha Tschaitschyts zu sehen, wie sie dick eingemummelt mit blauer Mütze und dicker Winterjacke in einer aufgebrachten Menge steht. Viele der neben ihr Stehenden tragen lange Gehstöcke. Es sind Sehbehinderte.
Volha Tschaitschyts berichtet über den Anlass des Protestes. Die zumeist älteren Bewohner der umliegenden Plattenbauten wehren sich dagegen, dass der einzige Park, in dem sie noch spazieren gehen können, nun auch noch mit einem 16-stöckigen Plattenbau zugebaut werden soll.
"Alles wird hier ganz dunkel werden. Wir alle sehen sowieso schon schlecht. Soll es noch schlimmer werden? Wozu bauen sie dieses Haus? Denken sie vielleicht, Sehbehinderte brauchen kein Licht? Wir werden den Bau verhindern und uns uns alle vor die Baukräne legen."
"Eine offizielle Akkreditierung zu erhalten, ist unmöglich"
Für diese und andere ihrer Reportagen aus der belarussischen Provinz stand Volha Tschaitschyts schon mehrfach vor Gericht. Laut Reporter ohne Grenzen rangiert Belarus weit hinten auf dem Index, der den Grad der Peressefreiheit abbilden soll. Auf Platz 153 von insgesamt 180. Neben staatlichen Propaganda-Medien gibt es zwar dutzende unabhängige online-Portale, die gelegentlich von den Behörden blockiert werden. Belsat ist aber der einzige unahängige, nicht-staatliche Fernsehsender. Die meist freien belarussischen Journalisten, die für den Sender arbeiten, stehen wie Volha Tschaitschyts regelmäßig vor Gericht.
Die Anklage: "Arbeit für ausländische Medien ohne belarussische Akkreditierung." Es ist ein Straftatbestand, der jede Berichterstattung für Belsat unterbinden soll. Vom Aussenministerium eine offizielle Akkreditierung zu erhalten, ist für Belsat Journalisten unmöglich, sagt Volha Tschaitschyts. Von ihrer Arbeit abhalten lassen will sie sich aber trotzdem nicht.
"Wir sind die einzigen, die über die sozialen Probleme aus kleinen weißrussischen Städten berichten. Dort geht kein anderer Journalist hin."
Belsat musste im vergangenen Jahr 20 000 Euro Strafe zahlen. Der belarussische Journalistenverband betrachtet alle diese Anklagen als rechtwidrig. Barys Harecki ist Pressesprecher des Journalistenverbandes. Als unabhängige Interessenvertretung von Journalisten steht der Verband im Dauerklinch mit den Behörden.
"Der Paragraph über die Verletzung der Medienrecht gilt eigentlich nur für juristische Personen und nicht für einzelne Journalisten. Genau gilt er für Redaktionen, die Reportagen produzieren. Laut Grundgesetz hat jeder Bürger das Recht, selbst Information zu sammeln und zu verbreiten. Deswegen brauchen belarussischen Bürger eigentlich überhaupt keine Akkreditierung."
Gezielte Behinderung und Überwachung von Journalisten
Im Belarussischen Journalistenverband sind fast nur unabhängige Journalisten. Die Organisation ist gerade sehr beschäftigt: Jeden Monat gibt es mindestens zwei Prozesse gegen seine Mitglieder.
Am 25. März hat die Opposition wie jedes Jahr den Tag der Freiheit gefeiert. 1918 war an diesem Tag die Unabhängigkeit Weissrusslands proklamiert worden. Neben einige Konzerten, die von den Behörden offiziell genehmigt wurden, haben einige aber auch einen Protestmarsch organisiert. Volha Tschaitschyts und ihr Kameramann, mit dem sie auch verheiratet ist, wollten dabei filmen. Doch so weit kamen sie diesmal gar nicht.
Bei einer Verkehrskontrolle wurde Kameramann Andrei Kozel so lange festgehalten, bis die Proteste zu Ende waren.
"Ich bin überzeugt, wir wurden gezielt festgehalten, um nicht filmen zu können. Ich glaube, dass wir schon seit einem Jahr überwacht werden."
Neben Andrus Kozel und Volha Tschaitschyt wurden am Unabhängikeitstag noch fünf andere Journalisten von Belsat festgenommen. Nach den Protesten wurden alle wieder freigelassen.