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Medienbericht
EU-Entwicklungshilfe für Rüstung und Grenzzäune in Afrika?

Die Berliner Tageszeitung "taz" hat in einem großen Rechercheprojekt die Hintergründe von Europas "Marshallplan" für Afrika aufgedeckt. Ihr Ergebnis: Statt Demokratie und Menschenrechten wird künftig die Grenzsicherung zum wichtigsten Förderkriterium für Entwicklungshilfe. 

Von Jutta Schwengsbier |
    Hände von afrikanischen Asylsuchenden am Zaun des Internierungslagers Holot
    Laut der taz-Recherche wird die Grenzsicherung in vielen afrikanischen Ländern unter anderem auch mit EU-Geldern, die bislang für Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe vorgesehen waren, finanziert. (JACK GUEZ / AFP)
    Was als "Marshallplan" für Afrika, was als Bekämpfung von Fluchtursachen angekündigt wurde, finanziert vor allem Projekte von deutschen und europäischen Rüstungskonzernen, sagt Simone Schlindwein. Die Afrikakorrespondentin der "taz" hat gemeinsam mit 24 Journalistinnen in 37 Ländern recherchiert, wie die neue EU-Politik in Afrika aussieht.
    "Wir sind einfach die Zaunhersteller durchgegangen. Die sind meistens Rüstungskonzerne, die früher traditionell einfach Panzer gebaut haben für die normale, die reguläre Kriegsführung. Und mittlerweile gibt es eben diese ganzen neuen Sparten. Führend dabei ist auch Rheinmetall, ein deutscher Konzern, von dem jetzt nicht zufällig Dirk Niebel, unser ehemaliger Bundesentwicklungsminister, Chef-Lobbyist geworden ist. Er hat als Entwicklungsminister noch diese Zaun-Idee in die Welt gesetzt. Und plötzlich ist er Chef-Lobbyist von Deutschlands führendem Zaunanlagen-Hersteller."
    Rüstungskonzerne wie Airbus oder Rheinmetall profitieren
    Der Titel des Rechercheprojektes der "taz" lautet deshalb treffend: "Schengen für Europa, Zäune für Afrika". Dabei seien die Regierungen Afrikas keineswegs nur Erfüllungsgehilfen europäischer Interessen, sagt Schlindwein. Viele würden ihre ganz eigenen Ziele verfolgen - und sie von der EU finanzieren lassen.
    "Also Kenia hat die Idee genau so sich von der EU auch abgeguckt. Lasst uns doch einfach an die Grenze zu Somalia, da kommen so viele Flüchtlinge an und da steht das weltweit größte Flüchtlingslager und die kommen alle aus Somalia. Lasst uns doch einfach eine Riesenmauer in die Wüste bauen. Das heißt, wir schließen das Lager, puschen die alle nach Somalia zurück, bauen eine Mauer, dann kommen sie auch nicht wieder. Und die Logik von Europa, die zieht sich schon quer durch Afrika durch."
    Davon profitieren unter anderem Rüstungskonzerne wie Airbus oder Rheinmetall, die, statt Panzer oder andere Waffensysteme zu liefern, nun High-Tech-Zäune und Biometrische Grenzkontrollen in vielen Ländern Afrikas aufbauen. Deutsche Firmen, wie Giesecke und Devrient, die auf Biometrie und Verschlüsselung spezialisiert sind, hätten inzwischen Aufträge in Milliardenhöhe erhalten. Von Algerien bis Kapstadt. Meist ohne Ausschreibung. Und ohne parlamentarische Kontrolle.
    "Es gibt eben wahnsinnig viele nächtliche Treffen in irgendwelchen Präsidentenpalästen. Bei welchen solche Verträge dann abgeschlossen werden."
    "Der Marshallplan ist eine Mogelpackung"
    Finanziert wird die neue Grenzsicherung in Afrika unter anderem auch mit EU-Geldern, die bislang für Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe vorgesehen waren. Auch viele Parlamentarier wüssten oft nicht, was ihre Regierungen da vereinbarten, glaubt Ulrich Dehlius, Afrikareferent der Gesellschaft für bedrohte Völker.
    "Der Marshallplan ist eine Mogelpackung. Wir in Europa denken beim Marshallplan immer an das, was beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa geleistet worden ist. Hier wird kein Wiederaufbau geleistet, sondern es geht letztlich darum, europäische Industrie, europäische Rüstungsindustrie zu stärken."
    Die Politik missbrauche nun diesen Begriff, um ihre tatsächlichen Ziele zu verschleiern, urteilt Dehlius. Die "taz" will deshalb viele der bislang geheimen Abkommen und Strategiepapiere in einer Datenbank öffentlich machen.
    Die "taz" stellt ihre Rechercheergebnisse und ihre online Datenbank zur neuen EU- Migrationskontrolle in Afrika heute Abend vor.