Recherchen des norwegischen Fußball-Magazins "Josimar" zufolge wurden nordkoreanische Arbeiter von mindestens August bis Ende 2016 am Bau des Stadions in St. Petersburg beschäftigt. Demnach haben sie eingezäunten Containern gewohnt, mussten fast rund um die Uhr arbeiten und bekamen dafür wenn überhaupt nur einen Hungerlohn.
Russische Webseiten zufolge ist im November ein nordkoreanischer Arbeiter in der Nähe des Stadions gestorben. Er sei in einem der Wohncontainer tot aufgefunden worden. Insgesamt sind nach Angaben eines Unterlieferanten, auf den sich "Josimar" beruft, zwischen August und Weihnachten vier Arbeiter gestorben. Insgesamt 80 Prozent der Arbeiter stammen demnach aus dem Ausland.
Firmen arbeiteten gratis am Stadion - mit nordkoreanischen Arbeitern
Die nordkoreanischen Arbeiter sollen vermehrt seit vergangenem Sommer im Einsatz gewesen sein, seit der Vizegouverneur von St. Petersburg, Igor Albin, früherer Minister unter dem damaligen Ministerpräsidenten Putin, Baufirmen dazu "ermutigt" habe, ohne Bezahlung zu arbeiten. Im Gegenzug wurden ihnen künftige Aufträge sowie weniger Kontrollen versprochen. Mindestens zwei Firmen sollen sich bereit erklärt haben, mit 60 beziehungsweise 50 nordkoreanischen Arbeitern zum Stadionbau beizutragen.
Das Stadion in St. Petersburg wird bereits seit 2006 gebaut - damals wurden die Kosten auf 220 Millionen US-Dollar geschätzt. Inzwischen belaufen sich die Kosten auf 1,5 Milliarden US-Dollar - ohne die Infrastruktur drumherum. Laut dem St. Petersburger Büro von Transparency International ist einer der Hauptgründe dafür Korruption.
Offenbar macht nun aber der russische Präsident Putin Druck, den Bau endlich abzuschließen. Eine testweise Eröffnung fand bereits vor einem Jahr im halbfertigen Stadion statt. Putin gilt ebenso wie der russische Regierungschef Medwedew und Vizepremier Mutko als Anhänger von Zenit St. Petersburg. Mutko ist auch Chef des WM-Organisationskomitees und früherer Präsident von Zenit. Die Arena wird auch Spielstätte der ohnehin schon umstrittenen Fußball-WM 2018 in Russland sein - und des Confederations Cup, der bereits im Juni dieses Jahres beginnt.
Sklaven und Geiseln
Zu Beginn dieses Jahres seien die Arbeiter aus Nordkorea weiterhin in St. Petersburg tätig gewesen - jedoch nicht am Stadion, sondern auf einer anderen Baustelle an einem Apartmentkomplex.
Menschenrechtsorganisationen beschreiben die nordkoreanischen Arbeiter als Sklaven und Geiseln - sie müssen offenbar 90 Prozent ihres Lohns abgeben und haben keine freien Tage - ein Arbeiter berichtet davon, monatlich fünf Dollar Lohn ausgezahlt bekommen zu haben. Die nordkoreanischen Arbeitskräfte befinden sich, wie im Heimatland selbst, unter konstanter Beobachtung.
Keine Rückmeldung der FIFA
Wie "Josimar" berichtet, haben verschiedene internationale Organisationen ihre Sorge an den Fußball-Weltverband FIFA herangetragen. Die FIFA habe versprochen, die Vorgänge zu untersuchen - und sich nie wieder gemeldet.
Arbeiter ins Ausland zu schicken, ist eine Haupteinnahmequelle des nordkoreanischen Regimes, die nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis zu zwei Milliarden Dollar pro Jahr ins Land spült.
Nach Angaben Nordkorea-Experten Andrej Lankow von der Universität Seoul hat Nordkorea mindestens 100.000 Arbeitskräfte ins Ausland entsandt, vor allem nach China, in den Nahen Osten - und rund 30.000 nach Russland. Zwar seien die Arbeitsverhältnisse aus westlicher Perspektive "die Hölle", aus nordkoreanischer Sicht jedoch eine starke Verbesserung. Deshalb sei die Arbeit im Ausland sehr attraktiv für Nordkoreaner, wird Lankow von "Josimar" zitiert.
Arbeitssituation erinnert an Katar
Die Recherchen zu nordkoranischen Arbeitern in Russland erinnern an Vorkommnisse in Katar. Für den Bau der dortigen Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 wurden Zwangsarbeiter beschäftigt, denen die Pässe abgenommen wurden. Dieses "Kafala" genannte System will Katar nun zwar abschaffen. Es hat jedoch bereits zahlreiche Todesfälle an den WM-Baustellen gegeben, die Menschenrechtsorganisationen berichten.
(vic/tgs)