Das Gesetz heißt offiziell "Gesetz gegen Desinformation". Darum gehe es, sagte Kulturminister Wolodymyr Borodjanskyj in der Fernseh-Talkshow "Meinungsfreiheit":
"Die Regierung hat die Pflicht, Desinformation, also falschen Behauptungen, entgegenzutreten. Falsche Behauptungen wirken auf die öffentliche Debatte. Sie sind gefährlich, sie können Hass hervorrufen, gesellschaftliche Konflikte entfachen. Letztendlich können sie den Staat zerstören. Wir haben schließlich einen mächtigen Feind gegen uns."
Falsche Meldung über toten Jungen
Damit meint Borodjanskyj Russland und die von Russland gesteuerten Separatisten in der Ostukraine. Auch alle Beispiele, die der Minister anführt, stammen von dort. Er erwähnt die Meldung aus dem Separatistengebiet von 2014, wonach ukrainische Nationalisten einen dreijährigen Jungen gekreuzigt und getötet hätten. Die Nachricht erwies sich rasch als Fake, aber sie sorgte für Schlagzeilen in Russland.
Gegen russische Propaganda also sei das Gesetz gerichtet, behauptet die ukrainische Regierung. Aber es sind gerade ukrainische Journalisten, die sich bedroht fühlen. So Anhelina Karjakina, Chefredakteurin des Internet-Fernsehsenders "Hromadske":
"Ich habe das Gesetz gelesen. Und mir scheint, es geht weniger darum, Propaganda zu verhindern. Vielmehr sollen wir Journalisten gegängelt werden. Die Regierung will den Journalisten vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben. Das zeigt doch schon, dass ein Bevollmächtigter der Regierung unsere Texte und Beiträge einschätzen soll, ob sie glaubwürdig sind oder nicht."
Dieser Bevollmächtige darf zwar selbst noch keine Entscheidung treffen. Aber er kann die Journalistin oder den Journalisten auffordern, Aussagen zu belegen. Letztendlich entscheidet dann ein Gericht, ob der Autor das Gesetz verletzt hat. Wenn ja, drohen drakonische Strafen, bis hin zu mehrjährigen Gefängnisstrafen.
Mit Investigativjournalismus gegen Korruption
Das könne den unabhängigen Journalismus zerstören, sagen die Kritiker. Denn die Gerichte in der Ukraine gelten als korrupt. Gerade wegen der verbreiteten Korruption habe der investigative Journalismus, der seine Quelle eben nicht offen legen könne, eine besondere Bedeutung in der Ukraine, sagte Olesja Batzman, Chefredakteurin des Internetportals "Gordon.ua":
"Wenn der frühere Präsident Petro Poroschenko dieses Gesetz ersonnen hätte, dann wäre er wahrscheinlich noch im Amt. Wir erinnern uns an den großen Korruptionsskandal damals im Verteidigungsministerium, den ein Journalist aufgedeckt hat. Poroschenko wäre noch im Amt, und der Journalist säße schon mindestens zwei Jahre im Gefängnis."
Neues Organ der Selbstverwaltung
Mit anderen Worten: Die freie Presse war es, die laut Olesja Batzman dem amtierenden Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in sein Amt verhalf. Und nun wolle die Regierung von Selenskyjs Gnaden genau diese freie Presse beseitigen.
Nicht nur die drakonischen Strafen stoßen auf massive Kritik. Das Gesetz sieht außerdem vor, den Journalistenberuf zu reglementieren. Journalisten sollen nur noch dann arbeiten dürfen, wenn sie einer Vereinigung angehören. Diese Vereinigung werde nicht von der Regierung kontrolliert, beteuert der Kulturminister. Sie sei als Selbstverwaltungsorgan der Journalisten gedacht.
Besetzung der Gremien noch unklar
Oksana Romanjuk vom Institut für Massenmedien, das die Medienlandschaft in der Ukraine beobachtet, sagte der Zeitschrift "Neue Zeit":
"Das Gesetz kann dazu führen, dass in dieser Journalistenvereinigung keineswegs die ehrlichen Journalisten den Ton angeben. Sondern gerade diejenigen, die käuflich sind, die wichtigen Gremien besetzen. Dagegen gibt es im Gesetz keinerlei Absicherung."
Oligarchen beherrschen den Medienmarkt
Die Gefahr ist deshalb so groß, weil die sogenannten Oligarchen den Medienmarkt in der Ukraine beherrschen. Sie könnten ihre Günstlinge in der Vereinigung in Führungspositionen bringen. Diese könnten dann über freie Journalisten urteilen und ihnen – laut Gesetz – sogar zeitweilig die Berufsausübung verbieten.
Die ukrainische Regierung will das Gesetz am liebsten noch im März durch das Parlament bringen. Der Kulturminister ließ inzwischen aber durchblicken, dass er zumindest auf einige Kritikpunkte eingehen will.