Der Schlag kam nicht unerwartet. Dass es in der Mediengruppe Thüringen Einschnitte geben würde, war allen klar gewesen. Aber das Ausmaß war für viele, die am Montag auf den Mitarbeiterversammlungen in Erfurt, Weimar und Gera teilnahmen, ein Schock. Auch für die Gesamtbetriebsrätin von Thüringer Allgemeine und Thüringer Landeszeitung, Britt Mandler:
"Absolute Fassungslosigkeit. Es war uns klar, dass so etwas kommt, denn dieser sogenannte 'Harmonisierungsprozess' im kompletten Funke-Reich läuft schon seit mehreren Monaten, hat andere Standorte auch schon betroffen. Aber in der Schärfe, wie uns das am Montag vorgetragen wurde, haben wir das nicht erwartet."
Die Mediengruppe Thüringen produziert drei Zeitungen, die Thüringer Allgemeine, die Thüringer Landeszeitung und die Ostthüringer Zeitung, deren Erscheinungsgebiete sich teilweise erheblich überlappen. Schon länger teilen sie viele Inhalte, um Kosten zu sparen. Nun aber sollen sich die einzelnen Blätter nur noch nach außen profilieren, im Inneren aber soll alles fusionieren:
Die Thüringen-Teile der Blätter sollen in einer neu zu gründenden einheitlichen Redaktionsgesellschaft produziert werden. Nationale und internationale Inhalte sollen aus der Funke-Zentralredaktion in Berlin kommen, der überregionale Sport aus Essen. Die Lokalredaktionen sollen, wo sich die Verbreitungsgebiete überlappen, fusionieren und dennoch mehr individuelles Profil bieten.
Mitarbeiter glauben nicht so recht an Versprechen
Dabei werden etwa 65 Redakteure und alle 30 Sekretärinnen der Lokalredaktionen abgebaut. Das Versprechen der Geschäftsführung ist: Bessere, profiliertere Zeitungen mit deutlich verringerter Belegschaft zu produzieren. Ein Wunder, an dass die Mitarbeiter nicht so recht glauben wollen.
"Also, wenn die Pläne so umgesetzt werden, wie sie uns vorgestellt wurden, gehe ich davon aus, dass die Qualität Einbußen erleidet. Mehr Umfang liefern mit einem Drittel der Belegschaft weniger: Ich weiß nicht, wie sich das qualitätssteigernd auswirken soll. Geht nicht", so Britt Mandler.
Zumal die Personaldecke schon heute sehr dünn ist. Auch der Geschäftsführer des Journalistenverbandes Thüringen, Ralf Leifer, ist skeptisch.
"Ich spreche den Verantwortlichen in den Verlagen die Sensibilität ab, die erforderlich ist, um Zeitungen zu machen. Es ist ja beabsichtigt, dass im Wesentlichen der überregionale Teil künftig aus Berlin kommt. Das heißt natürlich, dass ich hier nur ein Meinungsangebot habe in dieser Region. Aber für den Leser ist das natürlich - ich will nicht sagen verheerend -, aber da wir gerade eine Diskussion haben über gleichgeschaltete Presse und sowas, muss man natürlich auch sehr sensibel mit solchen Entscheidungen umgehen."
Die Geschäftsführung sieht ihren Plan mit ganz anderen Augen. Wirtschaftliche Zwänge seien zunächst einmal ausschlaggebend für die massiven Umstrukturierungspläne. Der Mindestlohn für die Zusteller koste den Verlag 15 Millionen Euro jährlich, die Verkaufszahlen der Zeitungen sänken jedes Jahr um 4 Prozent, erklärt Michael Tallai, ab kommender Woche Sprecher der Geschäftsführung der Mediengruppe Thüringen:
"Wir wollen Freiräume haben für neue Investitionen, für neue Produkte, für neue Projekte im Digitalen. Es geht darum, diesen Verlag und die drei Tageszeitungen fit für die Zukunft zu machen. Wenn wir das jetzt nicht täten, wären die Einschnitte in den nächsten Jahren noch deutlich größer gewesen."
Ein Ziel: Höhere Online-Werbeerlöse
So werden nicht nur 57-Jährige in den Vorruhestand geschickt, sondern auch junge Leute eingestellt, die ab Sommer ein neues, peppiges Onlineportal gestalten sollen, um jüngere Leser zu gewinnen und höhere Online-Werbeerlöse zu erzielen. Dem Verdacht, dass Gemeinschaftsredaktionen einen Einheitsbrei ergeben, dass die Chefredakteure zu Frühstücksdirektoren degradiert werden könnten, widerspricht der Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung, Jörg Riebartsch:
"Die Rolle ist herausragend, weil wir ja exakt bestimmen, was in unsere Blätter kommt. Wenn ich z. B. auf dem Standpunkt stehe, dass es kein Beinbruch ist, wenn Großbritannien aus der EU ausschert, und Berlin ist anderer Meinung, dann wird der Kommentar, den ich für richtig halte, veröffentlicht."
Die Skepsis bleibt beim Journalistenverband, wie mit deutlich weniger Personal und gemeinsamen Strukturen profiliertere, bessere Zeitungen mit mehr lokalen Inhalten hergestellt werden sollen.
"Wir haben natürlich einen hochkonzentrierten Zeitungsmarkt hier in Thüringen. Und ich habe da große Zweifel, ob dieses redaktionelle Konzept so aufgeht, wie man das derzeit der Öffentlichkeit weißmachen will. Und das könnte auch bedeuten, dass man zu noch ganz drastischeren Maßnahmen greift. Und ich möchte nicht daran glauben, dass in 2020 etwa nur noch eine Tageszeitung in Thüringen am Markt sein wird", sagt Ralf Leifer.
Bis zum Sommer soll die neue Struktur der Mediengruppe Thüringen stehen.