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Medienkunstfestival "wird widerspenstiger, knorriger"

Der neue Leiter der "Transmediale", Kristoffer Gansing, betreibt laut Carsten Probst eine "Rückbesinnung auf die Ursprünge des Festivals". Einerseits sei die Veranstaltung eine Hochglanzplattform geworden, andererseits zeige sie Künstler, die genau das Gegenteil wollten.

Carsten Probst im Gespräch mit Mascha Drost | 30.01.2012
    Mascha Drost: Seit 25 Jahren gibt es die Transmediale in Berlin, das Festival für Medienkunst und digitale Kultur. Was am Anfang als eine Art subversives Zusammentreffen eingeweihter Zukunftsjünger begann, das ist mittlerweile aufgestiegen zu einer der wichtigsten Veranstaltungen für digitale Kunst. Die letzten Jahre musste sich die Veranstaltung immer wieder mit Fragen nach ihrer Daseinsberechtigung befassen – auch aufgrund der wenig glücklichen Hand des Leiters Stephan Kovats, der die Transmediale immer mehr in die digitale Unübersichtlichkeit geführt hat. Jetzt, zum vierteljahrhundertlichen Jubiläum, steht ein neuer Mann an der Spitze, der Kulturproduzent und Medienexperte Kristoffer Gansing. - Frage an Carsten Probst in Berlin: Hat sich denn seine neue Handschrift schon bemerkbar gemacht?

    Carsten Probst: Optisch eigentlich nicht. Das ist auch ziemlich festgelegt, weil ja die Bundeskulturstiftung doch einen relativ großen Geldbatzen in diese Veranstaltung mittlerweile pumpt – als eine Art kulturellen Leuchtturm in Berlin. Also man ist auf gewisse Erscheinungsweisen festgelegt, wie beispielsweise diese große Ausstellung, aber auch eigentlich den Veranstaltungsort, das Haus der Kulturen der Welt mit diesen riesigen Sälen und Foren. Aber letztlich sind es die Details, die aufmerken lassen. Kristoffer Gansing betreibt nämlich jetzt, so wie ich ihn im Gespräch zum ersten Mal erlebt habe, eine Art inhaltliche Rückbesinnung auf die Ursprünge dieses Festivals, das ja vor 25 Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Wie kann man sich das vorstellen? – 25 Jahre dieses Festival, das ist natürlich gerade in Mediendingen eine Ewigkeit. Aber ich würde es so zusammenfassen: Er erklärt, dass eigentlich dieses Festival durch seine Mischung lebt. Es ist einerseits eine Hochglanzplattform zwar geworden durch den großen Etat, aber andererseits gibt es immer noch Künstler oder Medienaktivisten, Netzaktivisten, die eigentlich genau das Gegenteil wollen – also ein Widerspruch in sich, der gerade den Reiz des Festivals ausmachen soll, nicht im Sinn einer klassischen konventionellen Ausstellung mit Künstlern, die sich einen Markt suchen, sondern gerade Künstlern, die sich diese Art von Öffentlichkeit, dieses kommerzialisierte Künstler- und Eventtum nicht wünschen. Und genau diese Programmatik drückt sich auch darin aus, dass beispielsweise bestimmte Event-Elemente wie die Verleihung des Vilém Flusser Awards zurückgefahren werden, das Ganze verwissenschaftlicht sich ein bisschen, es wird widerspenstiger, knorriger. Stattdessen werden Researchprogramme aufgelegt, es werden sozusagen Forschungsstipendien vergeben statt großer glänzender Preise, und das tut, finde ich, diesem Festival zumindest in der inhaltlichen Anlage gut.

    Drost: Die diesjährige Transmediale, die steht ja unter dem Motto "in/compatible", also inkompatibel – ein Wort, dessen Bedeutung jedem schon einmal schmerzlich klar geworden ist, der versucht, Apple mit Windows, ältere Geräte an neue Anschlüsse oder Ähnlichem zu verbinden. Wie wird denn dieses "in/compatible" aufgegriffen?

    Probst: Die Transmediale – das lässt sich eigentlich ganz kurz zusammenfassen – versteht sich natürlich als ein medienpolitisches Festival und war auch immer politisch, und insofern lässt sich Inkompatibilität auch als eine Art kreatives Vorgehen mit Inkompatibilitäten übersetzen, als eine Art Metapher für einen Bedarf an kreativen Hacks beispielsweise, wie Kristoffer Gansing das ausdrückt. Die Arabellion beispielsweise ist über bestimmte Netzwerke im Internet gesteuert worden, man denkt an Bewegungen wie Occupy oder Anonymous, besonders die, die jetzt sehr bekannt geworden sind, die eigentlich über bestimmte Netzstrategien vorgehen und immer wieder Sand ins Getriebe gewisser wirtschaftlicher Prozesse, oder auch politischer Systeme streuen. Und genau das ist gemeint, Inkompatibilitäten als kreative Aktionen zu stiften und damit sozusagen die eingefahrene Ordnung zum Wanken zu bringen.

    Drost: Ganz kurz ein paar Worte noch zum Schluss zur aktuellen Ausstellung, die da heißt "Unruhige Energien in technologischen Zeiten". Um was geht es dort und wie sind diese Energien ausgestellt?

    Probst: Ja das ist eine gute Frage, wie Energien ausgestellt werden. Letztlich ist diese Ausstellung immer eine Art Versuch, etwas haptisch greifbar zu machen. Sie haben zum Beispiel hier auch keine klassischen Künstler, sondern irgendwie so Netzaktivitäten. Zum Beispiel "Art 404" – ich nenne ein Beispiel – stellt einfach nur eine große Festplatte aus, eine Ein-Terrabyte-Festplatte, auf der aber nach einer Schrifttafel lauter illegal heruntergeladene Software enthalten ist im Umfang, im Gegenwert von ungefähr fünf Millionen Dollar, wie es heißt – das als eine Art fast Ausblick auf die künftige Netzkultur? Oder ist das einfach nur ein krimineller Akt? – Also solche kleinen Provokationen finden in dieser Ausstellung statt. Andere dokumentieren beispielsweise riesige Elektroschrott-Müllhalden in der Dritten Welt, die die Rückseite unseres Elektronikkonsums im Westen darstellen sollen. Oft ist es aber immer wieder so, dass gerade diese Art von Kunst, diese Art von Bildern nicht von Einzelkünstlern, sondern von Netzkollektiven gemacht werden, die sich als Forschungsprogramme verstehen.

    Drost: Das alles auf der diesjährigen Transmediale in Berlin. Vielen Dank an Carsten Probst.

    Informationen:
    transmediale