Vier Mal am Tag macht der Erfurter Lokalsender Salve TV seine Tore weit auf und lässt das russische Staatsfernsehen für sich sprechen. "Russia Today" ist Kreml-Fernsehen für die Welt. Seine Aufgabe: Russland und vor allem dessen Präsidenten Putin gut aussehen zu lassen oder, wie es Putin erklärte:
"Einen, der objektiv über Russland berichtet und versucht - das betone ich -, versucht, das Monopol der angelsächsischen Medien zu brechen."
Zwischenruf aus Moskau
"Russia Today" sendet auf Englisch, Spanisch, Arabisch – und seit einem halben Jahr auch auf Deutsch. Das Programm ist über Satellit zu empfangen, in einigen Kabelnetzen und im Thüringer Lokalfernsehen, bei Salve TV. Dessen Gesellschafter Klaus-Dieter Böhm:
"Nachdem in der deutschen Presse- und Medienlandschaft im Grunde genommen 'Böser Putin! Böses Russland!' so der Grundtenor ist, haben wir dann hier in der Redaktion gedacht: Warum sollen wir nicht einfach mal einen anderen Zwischenruf machen – so wie ein Leserbrief zum Beispiel nicht unbedingt immer die Meinung der Redaktion widerspiegeln muss, aber dass es auf jeden Fall ein ernst zu nehmender Zwischenruf ist."
Vier Mal täglich hat Salve TV "Russia Today" im Programm, die Sendung "Der fehlende Part". Da wird berichtet, was in den westlichen Medien angeblich zu kurz kommt: Nachrichten über den Ukraine-Konflikt, über die Besetzung der Krim; dazu Verschwörungstheorien, etwa über die westlichen Medien. Ein Beispiel:
"Ich seh' die Medien natürlich als Handlanger eines Systems. Und dieses System, das finden wir in der Hoch-Finanzwelt wieder."
Kritik an Putins Sprachrohr
Kritiker sehen in "Russia Today" einen Propagandasender, der – neben korrekten Nachrichten – verzerrt, täuscht, verschweigt; im Zweifel pro Putin und gegen die USA. Salve TV-Gesellschafter Klaus-Dieter Böhm hat damit kein Problem.
"Was ist Propaganda? Wenn jemand seine Meinung hat und sagt: 'Ich stelle euch jetzt mal die Situation zum Beispiel in der Ukraine aus der Position der Russen dar!', dann kann man das Propaganda nennen, aber wenn ich jetzt die gleiche Situation in der "BILD"-Zeitung anschaue, dann könnte man das auch Propaganda nennen."
Seine Zuschauer, so Böhm, danken ihm das Angebot durch massenhafte Dankesmails. Andere aber sehen das Angebot kritisch. Zum Beispiel Madeleine Henfling; sie ist Landtagsabgeordnete der Grünen und sitzt in einem beratenden Ausschuss der Landesmedienanstalt, die für die Zulassung und Überwachung privater Rundfunkanbieter in Thüringen zuständig ist.
"Für mich ist das schon eher ein Staatsfernsehen, was da läuft. Jetzt ist es natürlich legitim, dass ein Land – wie wir das ja auch machen zum Beispiel mit der Deutschen Welle – im Ausland auch Themen setzt, Sachen erklärt aus deutscher Sicht, das ist völlig in Ordnung, denke ich.
Nur würde ich halt "Russia Today" ein bisschen anders bewerten, weil es für mich schon eine starke propagandistische Komponente hat. Die sind sehr undifferenziert antiamerikanisch und zeigen meines Erachtens nach eben auch nur eine Perspektive."
Forderungen an die Landesmedienanstalt
Auch ihre Kollegen aller Landtagsfraktionen haben ein Problem mit der unkommentierten Ausstrahlung eines ausländischen Staatssenders im Lokalfernsehen mit einem anderen Sendeauftrag. Andre Blechschmidt von den Linken.
"Ich bin ja auch dazu da, die Meinungsvielfalt in Thüringen aufrecht zu erhalten. Und jetzt konstruieren wir mal den Extremfall, dass jeder Sender, der durch die Landesmedienanstalt lizenziert wird, zu 90, 95, zu 99 Prozent andere Programme übernimmt und ausstrahlt: Das ist meiner Meinung nach so nicht gewollt; und demzufolge muss man darüber diskutieren. Es geht nicht um die Inhalte, sondern es geht hier ganz konkret um Programmaufträge, um journalistische Grundsätze, die zu beachten sind."
Sie alle verlangen, dass die Landesmedienanstalt den Vorgang prüft. Deren Direktor, Jochen Fasco, bremst erst mal die Kritik. Dass Lokalsender andere Inhalte einspeisen, sei normal, Bahn-TV etwa oder Erotikprogramme. Das müsse ihm als Aufsicht auch nicht gefallen. Aber:
"Ich denke, dass "Russia Today" Inhalte hat, die man auch hinterfragen kann. Wenn jemand Programm übernimmt, übernimmt er ja auch die Verantwortung dafür. Also schauen wir uns das Programm an und überprüfen das auch und werden im Zweifel dann auch aktiv werden."
Fehlende journalistische Einordnung
Probleme sieht Fasco vor allem darin, dass das russische Programm für den Zuschauer nicht eingeordnet wird. Für die CDU-Landtagsabgeordnete Marion Walsmann, die im Rechtsausschuss der Landesmedienanstalt sitzt, stellen sich viele Fragen:
"Warum wird's nicht kommentiert; warum ist nicht ersichtlich, in welcher Weise Salve TV als Sender da beteiligt ist? Was ist die Zielrichtung? Und da ist die Frage: Für welche Gegenleistung wird Sendeplatz zur Verfügung gestellt?"
Salve-TV-Gesellschafter Klaus-Dieter Böhm versichert, dass kein Geld fließt – in keine Richtung. Aber:
"Mir macht es Spaß, Dinge aufzugreifen, Lücken zu finden, Nischen zu sehen, wo sich möglicherweise alle aufregen, das gefällt mir! Wenn wir als kleines Fernsehen Reaktionen von über 40, 50 Millionen veröffentlichter und ausgestrahlter Medien haben, dann sage ich 'Prima, das ist eine gute Geschichte!' Und natürlich ist Aufmerksamkeit kein Nachteil - mindestens mittelfristig."
Über Konsequenzen möchte der Chef der Landesmedienanstalt vor der genaueren Prüfung nicht spekulieren. Aus seinem Umfeld hört man jedoch deutlichere Worte. Mittelfristig könnten Aktionen wie das Einspeisen von "Russia Today" und auch das Ausstrahlen einer anderen, völlig journalismusfreien, unkritischen Eigenproduktion Salve TV die Sendelizenz kosten.