Archiv


Medienmonopol

Wer sich in Haiti der Bevölkerung mitteilen will, der muss sich in Créole äußern, nur das spricht der Bauer im hintersten Winkel des Landes. Und er muss sich übers Radio verbreiten. Denn im Armenhaus der beiden Amerikas ist Fernsehen ein Luxus, von dem drei Viertel der Menschen ausgeschlossen sind. Auch wenn sie ihn sich leisten könnten, hilft es nichts, weil weite Regionen keine Stromversorgung kennen, und selbst in der Hauptstadt Port-au-Prince das Netz oft stunden- und manchmal tageweise zusammenbricht. Also bleibt den Meisten nur das Batterie-betriebene Radio als Verbindung zur Welt.

Von Peter B. Schumann |
    Radio Métropole sendet zwei Drittel seines Programms auf Französisch, denn es richtet sich bevorzugt an die Elite in der Hauptstadt. Die Brüder Widmaier betreiben es seit 1970. Ihr deutscher Großvater gründete in den 30er-Jahren den 2. kommerziellen Sender in Haiti. Und auch Radio Métropole lebt von der Werbung.

    "In Haiti gibt es einerseits unabhängige kommerzielle Sender" - erklärt Richard Widmaier, der Intendant, die Radiostruktur. "Wir sind auf die Reklame der Geschäftsleute angewiesen, aber wir sind unabhängig vom Zentrum der politischen Macht. Auf der anderen Seite gibt es nämlich die staatlichen Sender ..., die bis vor kurzem nur Regierungspropaganda verbreiteten. Wir dagegen haben stets für eine gewisse Meinungsfreiheit gekämpft und dem haitianischen Volk andere Werte vermittelt."

    Es waren in den letzten Jahren sehr viele kritische Informationen über die Diktatur Aristides, die diese Radiostationen verbreiteten. Sie bildeten die einzige Stimme der Opposition, die sich Gehör verschaffen konnte. Eine der wenigen Zeitungen kann sich der einfache Haitianer nicht leisten, denn er hat meist nicht mehr als ein Euro pro Tag zum Leben. Die Zeitungen spielen auch sonst eine so geringe Rolle, dass das Wort 'Presse' sich im Sprachgebrauch fast ausschließlich auf den Rundfunk bezieht. Kein Wunder, dass die Radiostationen zu einer der beliebtesten Zielscheiben der 'Schimären' wurden, der Rollkommandos von Aristide. So zum Beispiel Radio Caraïbe, einer der populärsten Sender in Créole.

    "Sie haben die Journalisten und unsere Einrichtungen angegriffen" - berichtet Gerin Alexandre, der Nachrichten-Chef. "Sie haben auch oft unsere Übertragungswagen attackiert, wenn wir live von einer Demonstration gegen das Regime berichteten. Selbst nach dem Sturz Aristides haben die Schimären Journalisten von uns zusammengeschlagen. Es gehört aber zu unseren Prioritäten, Informationen direkt zu verbreiten. "
    Dazu gehört auch, Menschen ganz einfach über ihre Probleme reden zu lassen, Menschen, die über kein anderes Medium verfügen und Radio Caraïbe persönlich aufsuchen, weil für viele von ihnen selbst das Telefon ein Luxus ist. Der unabhängige kommerzielle Rundfunk musste sich organisieren, um sich der verbalen, aber auch physischen Attacken des Aristide-Regimes besser erwehren zu können. Am Anfang dieses Jahres, kurz vor seinem Sturz, entschlossen sich viele Sender zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, den Staatspräsidenten zu boykottieren.
    "Am Tag der Befreiung Haitis" - so erzählt Richard Widmaier - "hielt Aristide alljährlich eine Rede. Diesmal wollte er auch die neue Straße zum Flughafen einweihen. Viele unserer Reporter waren vor Ort und berichteten von den Fanatikern des Präsidenten. Als der aber das Wort ergriff, entschuldigten sie sich bei den Hörern: Wir können Sie leider nicht an dieser Rede teilnehmen lassen, weil wir die Entscheidung der 'Nationalen Medien-Vereinigung' respektieren und die hat zum Boykott des Präsidenten aufgerufen."
    Inzwischen herrscht die Meinungsfreiheit, für die diese Sender und ihre Journalisten lange gekämpft und nicht selten mit dem Leben bezahlt haben. Jetzt geht es darum, den Wiederaufbau Haitis zu vermitteln und dabei auch die Qualität des Rundfunks zu verbessern.