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Medien in Afghanistan
Journalismus kaum noch möglich

Innerhalb weniger Monate ist in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban fast jedes zweite Medienangebot verschwunden. Das liegt vor allem an der Machtübernahme der Taliban - und den Regeln, die diese aufgestellt haben. Besonders betroffen sind weibliche Medienschaffende.

Text: Christoph Sterz; Silke Diettrich im Gespräch mit Mirjam Kid |
Ein Mitglied der Taliban hält vor Journalisten eine improvisierte Pressekonferenz ab, nachdem die Taliban eine Demonstration mehrerer Frauen in Kabul aufgelöst haben.
Die Taliban halten zwar selbst immer wieder Pressekonferenzen ab, gehen aber auch rigide gegen Journalisten vor. (Bulent Kilic \ AFP)
Seit Mitte August haben in Afghanistan 231 von ursprünglich 543 Medienorganisationen ihre Arbeit eingestellt. Das geht aus Zahlen hervor, die die Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ und die „Organisation unabhängiger Journalisten in Afghanistan“ erhoben haben.
Außerdem habe die große Mehrheit der weiblichen Medienschaffenden ihre Jobs verloren. Seit der Machtübernahme im August seien 84 Prozent von ihnen arbeitslos geworden. In 15 der 34 Provinzen des Landes arbeiten dem Bericht zufolge keine Frauen mehr im Journalismus.
Eine afghanische Journalistin interviewt den ehemaligen Innen- und Außenminister Abdullah Abdullah am 4. Mai 2002 in Kabul.
Bis zum Siegeszug der Taliban arbeiteten in Afghanistan auch Frauen in wichtigen journalistischen Positionen. (dpa / picture-alliance / Indranil Mukherjee)
Laut ARD-Korrespondentin Silke Diettrich kommen Frauen auch in Fernsehserien kaum noch vor. „Das steht eigentlich alles unter diesem großen Leitfaden der Taliban, dass Frauen in Sicherheit gebracht und in der Öffentlichkeit nicht gesehen werden sollen“, sagte Diettrich im Deutschlandfunk.

Probleme besonders in den Provinzen

Afghanische Medien müssen seit Mitte September elf von den Taliban aufgestellte Regeln befolgen. Unter anderem ist es verboten, in der Berichterstattung gegen den Islam zu verstoßen oder „führende Persönlichkeiten des Landes“ zu beleidigen.
„Unsere große Sorge ist, dass gerade diese vagen Formulierungen eine willkürliche Auslegung dieser Regeln begünstigt und befördert“, sagte Christopher Resch von „Reporter ohne Grenzen“ kurz nach Inkrafttreten der Regeln im Deutschlandfunk . Resch zeigte sich außerdem vor allem mit Blick auf die Situation außerhalb der Hauptstadt Kabul besorgt. Besonders in den Provinzen gebe es „ganz viele Übergriffe, ganz viel Einschüchterung, ganz viele Drohungen“.

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ARD-Korrespondentin Diettrich zufolge sind inzwischen zum Beispiel etliche Journalisten „von den Taliban sehr blutig verprügelt“ worden, weil sie nicht-genehmigte Demonstrationen gefilmt hatten. Ein nach Deutschland geflohener Journalist sagte im Deutschlandfunk , dass für seine verbliebenen Kolleginnen und Kollegen „selbst ein einigermaßen freies Arbeiten überhaupt nicht mehr möglich“ sei.

"Katastrophe für die Pressefreiheit"

Auch deshalb haben inzwischen viele afghanische Journalistinnen und Journalisten ihre Heimat verlassen. Neben Zensur und Einschränkungen kämpfen die Medienhäuser auch mit schweren finanziellen Problemen. Etliche Firmen erhielten vor der Machtübernahme der Taliban Unterstützung aus dem Ausland.
Ein bewaffneter Talibankämper auf Patrouille in Kabul.
Die Taliban patroullieren auf den Straßen von Kabul und durchforsten auch die sozialen Medien nach Afghanen, die mit westlichen Kräften kooperiert haben. (picture alliance / newscom | Bashir Darwish)
Einige Regionen stünden inzwischen „praktisch ohne Lokalmedien da“, hieß es von Reporter ohne Grenzen. Hojatollah Mujadadi, Geschäftsführer der „Organisation unabhängiger Journalisten in Afghanistan“, sprach von einer „Katastrophe für die Pressefreiheit“.
Wenn die internationale Gemeinschaft nun nicht helfe und die afghanische Regierung nicht eingreife, würden die noch verbliebenen Medien und Journalisten „dasselbe Schicksal nehmen“.