Christoph Sterz: Facebook, Google, Netflix usw. Das sind die Namen, die Medienmanagern in Deutschland Sorgen bereiten. Weil die großen Mediengiganten immer gigantischer werden und auf Dauer die klassischen Medienhäuser bedrohen könnten. Auch in Österreich sieht man diese Gefahr – aber es gibt da auch eine andere Bedrohung. Das ist nachzulesen in "12 Thesen für den Medienstandort Österreich". Geschrieben vom Chef des öffentlich-rechtlichen ORF, Generaldirektor Alexander Wrabetz. Und zwar schreibt er von einer zunehmenden Dominanz deutscher kommerzieller Medienkonzerne.
Wo genau liegt da Ihrer Ansicht nach das Problem?
Alexander Wrabetz: Na ja, wir haben das vor allem im Fernsehbereich, wo die deutschen Sender natürlich in 99% der Haushalte empfangbar sind. Das wäre Konkurrenz beim Publikum. Wir haben aber auch das Phänomen, dass die Kommerziellen, also RTL Group und die ProSieben.Sat1 Gruppe, Werbefenster in Österreich anbieten, wo sie eben dort, wo in Deutschland deutsche Werbung ist, österreichische Werbung verkaufen und das zu sehr, sehr niedrigen Preisen. Und damit sehr erfolgreich Gelder aus dem österreichischen Werbemarkt abziehen. Und das ist schon ein Problem. Vor allem ist es hier ein Problem, die ProSiebenSat.1 Gruppe, die sich damit brüstet, dass sie schon 60% des österreichischen Publikums und werberelevanten Marktes innehat.
Österreichische Werbeeinnahmen kommen internationalen Medien zugute
Sterz: Sie fordern den Schulterschluss heimischer Medien und Politik. Wie soll das denn konkret aussehen? Also, soll dann zum Beispiel ProSiebenSat1-Werbung verboten werden?
Wrabetz: Nein, das wollen wir erstens nicht. Wir bekennen uns ja zum Wettbewerb, erstens. Zweitens geht das auch europarechtlich gar nicht so leicht. Aber worum es geht, ich sage - wenn man will - ein duales System, wo eben im kommerziellen Bereich natürlich auch internationale, deutsche Anbieter ein Teil desselben sind. Dann kann man das nicht stärken, indem man einen Teil, nämlich den öffentlich-rechtlichen, schwächt. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder mal Werbebeschränkungen zusätzlich für den ORF bekommen. Und das hat nie dazu geführt, dass österreichische Medienunternehmen davon profitiert haben, sondern es hat immer nur den Abfluss von Geldern nach Deutschland in dem Fall erhöht.
Sterz: Nun ist es ja so, zur Erkärung, dass sich der ORF im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland ja deutlich mehr über Werbung finanziert. Nochmal dazu nachgefragt: Wollen Sie denn mehr Werbung im ORF haben?
Wrabetz: Nein, darum geht es nicht. Ich glaube, wir haben ein vernünftiges Regulativ, das was weitergefasst ist als das, das die öffentlich-rechtlichen Kollegen in Deutschland haben. Wir haben ungefähr 30 Prozent unserer Einnahmen aus Werbung und kommerziellen Einnahmen, also das ist höher als z.B. in Deutschland. Aber das ist vernünftig so. Ich will nur nicht ungerechtfertigte weitere Einschränkungen, weil eben diese Einschränkungen - und das haben wir an x Beispielen schon erlebt - eben dann nicht österreichischen Medien zugute kommt, sondern internationalen - im Fernsehbereich sind es Deutschsprachige. Es geht mir aber viel mehr um den digitalen Bereich, den Onlinebereich. Dort wären die Profiteure von Beschränkungen des ORF nicht deutsche Konzerne, sondern eben die großen amerikanischen Konzerne. Und auch das ist nicht im Sinn einer florierenden österreichischen Medienlandschaft.
Sterz: Nun gibt es in Österreich etwas, was es in Deutschland nicht gibt: eine staatliche Presse, bzw. Medienförderung, und die soll sogar mehr als verdoppelt werden von acht auf 17 Millionen Euro pro Jahr. Und auch Sie sprechen sich für eine substantielle Erhöhung aus. Aber macht das wiederum nicht Medien noch ein wenig abhängiger von der Politik?
Wrabetz: Na ja, aber da haben wir eben die Besonderheit. Wir haben in Österreich eine sehr, sehr starke - im internationalen Vergleich - Zeitungs- und Magazinlandschaft. Und das ist auch gut so. Und bei uns haben ja Medien - gerade wenn ich mit den deutschen Nachbarn spreche - ja nicht nur die Funktion, die Medien in jedem Land haben, sondern auch in ganz besonderem Maße in einem großen Sprachraum, die österreichische Identität auch aufrecht zu erhalten und zu befördern. Und daher muss man sagen: Wenn die Zeitungen z.B. jetzt in großen Schwierigkeiten sind, weil sie haben die Digitalisierung noch zu bewältigen. Aber die Zeitungen sind ja genauso davon betroffen, dass massiv Werbegelder einerseits - Entschuldigung, ich habe keine antideutschen Ressentiments, weil ich das wiederhole, sondern, das ist eine sachliche Feststellung - zu deutschen Konzernen gehen über die Fernsehwerbefenster, die sehr billig Werbung anbieten. Und dadurch auch aus dem Printbereich in den Fernsehbereich ziehen. Und auf der anderen Seite im Digitalbereich - im Onlinebereich - schon 50% des Marktes für Onlinewerbung, der für die Zeitung wichtig wäre, von Google und Facebook kontrolliert wird. Und da ja in dieser Doppelmühle die Zeitungen sind, jetzt zumindest temporären Mittel für die Transformation in den digitalen Bereich zur Verfügung zu stellen, die ausgleichen sollen, die Kleinheit des österreichischen Marktes - das halte ich auch für ordnungspolitisch für gerechtfertigt. Und ich bin aber auch dagegen, wo es Vorstellungen gibt, das soll jetzt ein überwiegender Teil der Einnahmen von Zeitungen oder gar Fernsehprivatsendern aus öffentlichen Mitteln oder Gebühren kommen. Weil das hieße ja eine Verdoppelung des öffentlich-rechtlichen Systems.
Nächste Generation hat Chance, europäischer Player zu werden
Sterz: Aber ist da der Zug nicht schon längst abgefahren, wenn wir uns Google und Facebook angucken? Also müsste man da nicht zig Millionen reinstecken und man würde immer noch nicht an die Macht herankommen, die diese beiden Konzerne zum Beispiel schon längst haben?
Wrabetz: Ja, natürlich. Da muss man Realitäten anerkennen und sich jetzt auf die Zukunft auch konzentrieren. Klar ist, es ist ja nicht nur Österreich, sondern auch Europa hat den Bereich der Suchmaschinen versagt - wenn man so will - hat im Bereich Social Media versagt. Und wir sind alle Zwergerl - wie man so sagt - mit unseren Bemühungen im Vergleich zu fünf, sechs großen amerikanischen Konzernen. Aber es kommt jetzt schon wieder die nächste Welle der Digitalisierung. Wenn man sich z.B. anschaut im Bereich "Internet of things" oder "Smartspeaker" etc., also brandneue Plattformen, die man heute noch gar nicht kennt. Da hätten europäische Player, wenn man geschickt zusammenarbeitet und das Richtige fördert, schon eine Chance, vielleicht bei der nächsten Generation schon wieder weiter vorne mit dabei zu sein. Das ist schwer, aber das sollte das Ziel europäischer Politik sein.
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