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Mediensucht
Exzessives Eintauchen ins Netz macht süchtig

Der Einstieg in die virtuelle Wunderwelt der digitalen Medien geht für viele einher mit dem Ausstieg aus der realen Welt. Das Eintauchen ins Netz kann abhängig machen, zur krankhaften Sucht werden. Nach aktuellen Untersuchungen gelten in Deutschland mehr als 600.000 User als mediensüchtig. Tendenz: rapide steigend.

Von Klaus Deuse |
    "Die Menschen, die sich bei uns vorstellen, sind meist schon ziemlich blass, weil sie meist in abgedunkelten Räumen leben, um den Bildschirm noch besser sehen zu können. Sie sind häufig auf irgendeine Art und Weise fehlernährt. Also manchmal überernährt, manchmal unterernährt… .weil sie nur Junkfood vor dem Bildschirm zu sich nehmen. Manche putschen sich mit zu viel Koffein auf…"
    …oder greifen zur Steigerung der Konzentration zu Drogen, beschreibt Psychologe Dr. Bert te Wildt das Erscheinungsbild und Verhalten seiner Patienten.
    "Aber mehr noch als die körperlichen Folgen sind natürlich schon die psychischen Folgen das Problem, dass Menschen psychosozial verarmen. Und manchmal auch regelrecht verwahrlosen zu Hause."
    Gefährdet: Bis zu 16 Stunden im Internet
    Bert te Wildt ist Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum und leitet die Medienambulanz. Als gefährdet gelten nach Einschätzung des Psychologen Männer und Frauen, die sich bis zu 16 Stunden im Internet bewegen. Doch nicht jeder sucht aus eigenem Antrieb Hilfe in der Medienambulanz. Oft komme der Anstoß von außen.
    "Manchmal sagt eine Ehefrau: Wenn Du dich nicht behandeln lässt, dann verlasse ich dich. Oder ein Arbeitsamt: Wir kürzen Ihre Gelder, wenn Sie sich nicht behandeln lassen."
    Mit den Möglichkeiten, die digitale Medien bieten, habe ein Quantensprung in der Medialität stattgefunden, stellte Wildt nüchtern fest. Zur Teilnahme am realen Leben seien Internetsüchtige kaum mehr in der Lage. Längst beobachten Experten beim exzessiven Surfen, Chatten oder bei Online-Spielen pathologische Ausformungen. Unabhängig vom Alter, Geschlecht, sozialen Status und vom Bildungsniveau. Als besonders suchtgefährdet haben sich bei den Untersuchungen zwei Gruppen herausgestellt.
    Besonders junge Männer sind abhängig von Online-Spielen
    "Die häufigsten Ausformungen von Medienabhängigkeit beziehen sich eigentlich auf junge Männer, die vor allen Dingen abhängig sind von Online-Spielen. Besonders Online-Rollenspielen wie "World of Warcraft" oder "Guilt Wars" oder "Methin". Es gibt ganz viele verschiedene Spiele mittlerweile, die so abhängig machen können."
    Männer mittleren Alters suchen Cyber-Sex
    Zur zweithäufigsten Gruppe gehören Männer mittleren Alters, die im Netz Cyber-Sex suchen.
    "Die Cybersex-Süchtigen sind schon meistens abhängig vom Sammeln von Bildern und Videos. Also die sind immer auf der Suche nach dem schärfsten Bild, der schärfsten Filmszene."
    Mediensucht kann tödlich enden
    Etwa zehn Patienten nehmen in der Bochumer Medienambulanz regelmäßig an einer Gruppentherapie teil. Einige Patienten werden auch stationär behandelt. Jede Woche, sagt Bert te Wildt, bekennen sich bei ihm inzwischen bis zu fünf neue Patienten zu ihrer Sucht. Denn: Medienabhängigkeit kann im Endeffekt dramatische Formen annehmen.
    "Es gibt so etwas wie eine Medienvergiftung… .oder Überdosis. Allein in Südkorea zum Beispiel gab es mehr als 20 Todesfälle von Menschen, die rund um die Uhr in Internetcafes vor allen Dingen gespielt haben, sich aufgeputscht haben mit Koffein, nicht mehr gegessen haben… .und dann tot zusammengebrochen sind."
    Aber auch der für die Suchtbehandlung notwendige Entzug ist nicht problematisch.
    "Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Patienten im akuten Entzug von ihrer Medienabhängigkeit lebensmüde geworden sind. Versucht haben, sich umzubringen. Oder sogar einem… Vater an die Gurgel gegangen sind und dann in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert werden mussten, weil sie gefährlich waren. Und das zeigt schon, dass wir es hier mit einer Sucht zu tun haben."
    Eine Sucht, die, rechtzeitig erkannt, auch behandelt werden kann, um nach der Therapie wieder ins reale Leben zurückkehren zu können. In ein Leben, in dem die Nutzung von Medien dazugehört. Aber nicht selbstzerstörerisch.