Der Investor KKR sei eine "Heuschrecke", die im Moment auf "Einkaufstour" im deutschen Medienmarkt sei, sagte Gäbler. KKR habe beispielsweise den Sender Tele 5, eine Entertainmentfirma und ein Filmarchiv gekauft. Seine Strategie: Er investiere und verkaufe wieder - so wie vor einigen Jahren schon beim deutschen Medienkonzern ProSiebenSat.1. Hier habe der Investor am Ende eine halbe Milliarde Gewinn erwirtschaften können, so Gäbler.
KKR werde die profitablen Geschäftsbereiche Springers ausbauen wollen: Springer werde auch weiterhin auf "Bild" und das digitale Rubrikgeschäft setzen, schätzt der Medienwissenschaftler. Das ehemalige Prestigeprojekt "Die Welt" sehe er hingegen in Gefahr.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Christine Heuer: "Bild", "BamS", "WamS" und "Die Welt", das sind den Zeitungslesern des Springer-Konzerns bekanntesten Zeitungen. Wie alle anderen Printproduzenten kämpft allerdings auch Springer gegen sinkende Auflagen, das wirtschaftliche Überleben ist schwierig geworden. Heute wird es offiziell: Bei Springer wird der US-Investor KKR einsteigen. Warum? Und was ändert sich dadurch bei Springer, vor allem natürlich in den Zeitungen des Verlags?
- Darüber spreche ich jetzt mit dem Medienwissenschaftler Bernd Gäbler. Guten Morgen erst einmal!
Bernd Gäbler: Guten Morgen, Frau Heuer!
Heuer: Herr Gäbler, wieso braucht Springer überhaupt einen Investor, ist es schon so ernst?
Gäbler: Ja. KKR ist ja klassisch das, was Franz Müntefering früher mal eine Heuschrecke nannte, also eine Private-Equity-Firma, die im Moment auf Einkaufstour im deutschen Medienmarkt ist, eine Art neuen Medienkonzern selber zusammenstellt und bei Springer einsteigt mit doch enormer Größe – also 20 Prozent der Aktionäre haben zugestimmt. Das bedeutet, dass Sie die Analyse haben, dass Springer umbaufähig ist. Vielleicht mit drei Schlagworten gesagt: Wachstum – Springer soll also größer werden –, Digitalisierung und Profitabilität sollen steigen, insbesondere durch Zukäufe.
Heuer: Das heißt, KKR verspricht sich vor allen Dingen Gewinn.
Gäbler: Ja. KKR investiert in Firmen und verkauft die in der Regel nach einigen Jahren – fünf bis sieben Jahre. KKR kennen wir in Deutschland schon, von 2007 bis 2014 war KKR bei ProSiebenSat.1 an Bord und hat auch diesen Fernsehsender sehr stark auf Profitabilität hin getrimmt. Und dann nach den Jahren eine halbe Milliarde Euro dran verdient, was für KKR nicht so viel ist.
Heuer: Ist das ProSiebenSat.1 gut bekommen?
Gäbler: Nein, im Großen und Ganzen nicht, vor allen Dingen, weil manche Inhalte eben abgespeckt wurden, die nicht profitabel waren. Unter anderem hat man damals den Nachrichtensender N24 abgestoßen – und wohin? Hahaha, nach Springer, die es in die "Welt"-Gruppe versucht haben, zu integrieren, was aber auch nicht besonders gut funktioniert.
Heuer: Also da haben wir schon den ersten Kandidaten zur Streichung wahrscheinlich. KKR sagt ja nun, man werde keinen inhaltlichen Einfluss nehmen. Kann das sein, wenn man ein Fünftel der Anteile hält, dass man sich aus dem Geschäft da in der Sache wirklich raushält?
KKR "definiert Ergebniserwartungen"
Gäbler: Na ja, inhaltlicher Einfluss im Sinne, dieser Journalist muss so und so schreiben, so schnell wird das nicht so gehen. KKR mischt sich in der Regel nicht sofort ins operative Management ein, sondern besetzt die Aufsichtsräte und definiert dann Ergebniserwartungen. So ist das hier auch bei Springer. Man kann davon ausgehen, dass Springer auf zwei Säulen ruht, die es auch weiterhin geben wird. Das erste ist natürlich die starke Marke "Bild", trotz aller gigantischen Auflagenverluste auch der Zeitungen entsteht rund um "Bild" so eine Art Boulevardjahrmarkt mit ganz viel Onlineprodukten aller Art. Das zweite Standbein ist das sogenannte digitale Rubrikgeschäft. Das sind Jobbörsen, Immobilienvermittler und so weiter, da hat Springer schon einiges: StepStone, Idealo, Autohaus24 und, und, und. Das wird sicher internationalisiert werden, da wird es Zukäufe geben. Und dann gibt es die nicht profitablen Bereiche, die sind in Gefahr. Das ist die sogenannte blaue Gruppe, also "Die Welt" und alles, was inzwischen crossmedial dazugehört. Da ist ein Ergebniskorridor definiert worden, man weiß nicht, wie groß der ist. Die Führung von Springer gibt das aus als Bestandsgarantie, aber das darf bezweifelt werden. Denn Springer hat schon in der Vergangenheit Einschnitte in die eigene Tradition gemacht, viele Printprodukte, unter anderem das "Hamburger Abendblatt", "Hörzu" an die Funke-Mediengruppe verkauft.
Heuer: Herr Gäbler, dann machen wir es jetzt konkret: Werden sich die Zeitungen von Springer verändern
"Journalismus wird zu einer Art Unterabteilung in der Konvergenzökonomie"
Gäbler: Im Sinne, dass man unmittelbar einen journalistischen Einfluss sehen wird, weiß ich nicht, aber klar ist, dass sie auch auf Verkauf und auf eine Fülle von Nebenprodukten, die es online geben wird, hin orientiert werden. Ich glaube nicht, dass Sie morgen etwa die Führung der "Bild"-Zeitung auswechseln werden, weil das, was da Marke ist – einfach starke, kraftvolle Boulevardzeilen –, das wird sicher nicht abnehmen. Es ist eher die Tendenz bemerkbar, die wir generell merken: Der Journalismus wird zu einer Art Unterabteilung in der Konvergenzökonomie, also bei denen, die jetzt Streaming-Dienste und sonst was anbieten.
Heuer: Ich hab gelesen, dass Sie sich bei der "Welt" besonders große Sorgen machen, weil "Die Welt" eben die größten Verluste einfährt, aha, zu Recht. Steht "Die Welt" möglicherweise vor dem Aus?
Gäbler: Sicher. Man kann sagen, das sieht man auf dem US-Markt, große Zeitungen sind im Moment fast nur noch existent als Prestigeobjekt einzelner reicher Leute: Also die "Washington Post" von Amazon-Chef Jeff Bezos oder der "Boston Globe" gehört John Henry und so weiter. Das ist bei uns noch etwas anders, die "FAZ" hat eine FAZIT-Stiftung, wo die Deutsche Bank stark engagiert ist. Aber dass insgesamt diese Zeitungen eine schwere Zukunft haben, ist klar. "Die Welt" war ein Prestigeobjekt von Springer, einst den Engländern abgekauft, darum hält man das noch ein bisschen. Aber wie gesagt, es gibt schon Abschiede von Springer-Traditionen, erst recht von der gedruckten "Welt". Darum ist "Die Welt" als Zeitung, also die blaue Gruppe insgesamt, in Gefahr. Man wird sehen, wie sich das mit der Zeit entwickelt. Es wird Abspeckungen geben in nicht profitablen Bereichen, vielleicht werden die Mitarbeiter in anderen Bereichen dann beteiligt, wenn diese Bereiche profitabler werden.
Heuer: Viele haben gerade in jüngerer Zeit beobachtet, dass die "Bild" auf ihrem Boulevardniveau wieder ganz besonders heftig hinlangt. Verdient Springer mehr Geld, Herr Gäbler, wenn der zum Beispiel der Macheten-Mörder von Stuttgart beim Morden abgebildet wird?
"Es ist eine ökonomische Orientierung des Springer-Verlags"
Gäbler: Das ist immer ein Aushandeln mit dem Publikum. Springer hat ja eine Zeit lang – wissen wir aus der Vergangenheit, als es dann diese Anti-Springer-Kampagnen gab – sehr stark ideologisch gearbeitet, etwa gegen die Studentenbewegung oder sonst was. Springer hat das bezahlt mit Auflagenverlusten. Jetzt ist es so, dass unter Julian Reichelt sicher die "Bild"-Zeitung wieder stärker zu einem Kampfblatt geworden ist, nicht so ironiefähig, wie es mal unter Diekmann war. Dieses Kampfblattprofil kann eine Zeit lang tragen, aber sichert nicht ab gegen Auflagenverluste. Also es wird um "Bild" herum sehr viel anderes geben, vielleicht auch direkte Abkäufe von Produkten und Ähnliches, und die Profitabilität erhöht. Aber dieser Deal ist für den deutschen Medienmarkt ein Megadeal. Der deutsche Medienmarkt spielt weltweit eine bedeutend geringere Rolle als früher. Und Springer soll so, sagen wir mal, Nummer eins unter den Kleinen – also Funke, Holtzbrinck, Burda – werden. Dieses Potenzial hat dieser Deal, es ist eine ökonomische Orientierung des Springer-Verlags und eine Umorientierung.
Heuer: Würde Deutschland etwas fehlen ohne "Bild", "BamS" und "Welt"?
Gäbler: Na ja, sicher. Es gibt Länder, die noch stärker von einzelnen Boulevardzeitungen geprägt sind – wie Österreich durch die "Krone" –, und es gibt Länder, wo es noch eine stärkere Konkurrenz zwischen vier, fünf Boulevardzeitungen dieser Art gibt, etwa in England. Das führt nicht dazu, dass die sanfter werden. Wenn die Konkurrenz da ist, versuchen sie noch stärker, sich zu überbieten. Das ist hier nicht der Fall. Was noch interessant ist, ist, dass KKR – das ist weitgehend unbeachtet – auf Einkaufstour durch Deutschland ist. Sie haben einen Sender gekauft, Tele5, sie haben eine Entertainmentfirma gekauft, i&u von Günther Jauch, die ihm nicht mehr gehört, aber noch da drin bleibt. Sie haben ein Filmarchiv gekauft, Universum Film, und eine Filmproduktion, Wiedemann & Berg, das sind die, die unter anderem den Oscar-Preis-Gewinner "Das Leben der Anderen" produziert haben. Hier entsteht rund um KKR ein neuer deutscher Medienplayer, das ist zu beachten.
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