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Medizin
Darmflora als Pille

Gesunde Darmbakterien schlucken: Was Hersteller probiotischer Joghurts schon lange versprechen, machen Forscher der Uni Köln jetzt mithilfe von Pillen möglich. Zum Einsatz kommen die Kapseln aber bisher nur zur Heilung einer schweren Durchfallerkrankung, denn ihr Inhalt ist ungewöhnlich.

Von Veronika Köberlein |
    "Die Übertragung der Darmflora, ich bin ja eigentlich eher für den Begriff Darmfloraübertragung, das klingt etwas angenehmer, die ist mittlerweile über verschiedene Wege möglich."
    Das Verfahren, das Maria Vehreschild von der Uniklinik Köln beschreibt, ist das Einsetzen von fremdem Kot in den Darm eines kranken Patienten. Diese Methode wird in Deutschland bisher vor allem bei schweren Fällen von Clostridium-difficle-Infektionen eingesetzt.
    Die Clostridien-Bakterien befallen rund 30 Prozent aller Krankenhauspatienten. Da eine Therapie mit Antibiotika meist wirkungslos bleibt, ist die Transplantation von gesunder Darmflora für die Betroffenen oft die letzte Hoffnung.
    Eingeführt wurde der fremde Stuhl bisher über ein endoskopisches Verfahren ins Rektum. Maria Vehreschild:
    "Was wir jetzt unseren Patienten an der Uniklinik ganz neu anbieten können, sind eben die Kapseln. Und gerade bei Patienten, die nicht so krank sind und die gut größere Kapseln schlucken können, kommt das sehr gut an, weil sie eben keine Narkose für die Endoskopie brauchen."
    Maria Vehreschild hält die zwei Zentimeter großen, durchsichtigen Kapseln in der Hand. Das Material aus dem sie bestehen ist magensäure-resistent, sodass sie erst im Darm ihren Inhalt preisgeben. In diese Hüllen wird später der Stuhl eines Spenders gefüllt.
    "Man kann die Spende entweder frisch verarbeiten oder man kann sie eben verarbeiten und dann einfrieren. Und dann ist es etwas praktischer, weil der Patient dann nicht unbedingt am Tag der Spende kommen muss. Man kann sich ja auch vorstellen, dass die Spende nicht immer dann klappt, wenn der Patient die Kapsel einnehmen möchte."
    Genau wie bei der endoskopischen Variante wird der Stuhl des Spenders zunächst gereinigt und zentrifugiert, um das Volumen zu verringern. Diese Lösung wird anschließend in 20 bis 30 Kapseln gefüllt, die über einen Zeitraum von zwei Tagen eingenommen werden. Auch in Pillenform muss der Betroffene für eine erfolgreiche Transplantation mindestens 50 Gramm des fremden Stuhls in den Darm aufnehmen. Das Ärzte-Team arbeitet jedoch bereits daran, die Bakterien-Konzentration in den Kapseln zu erhöhen, um die Menge, die der Patient schlucken muss zu verringern.
    Für die ungewöhnliche Behandlungsmethode interessiert sich Maria Vehreschild schon seit Beginn ihrer Arztlaufbahn:
    "Ungefähr vor sieben oder acht Jahren habe ich angefangen, an der Uniklinik in Köln zu arbeiten, und da sollte ich einen kleinen Vortrag über die Clostridium-difficile-Infektion halten und da bin ich auch auf diese Behandlungsmethode gestoßen und fand die von Anfang an äußerst interessant und überzeugend vom Konzept her. Aber damals war es noch sehr schwer, andere Menschen von dieser Methode zu überzeugen."
    Die Stimmung hat sich geändert. Inzwischen legen vor allem Ärzte aus den USA und den Niederlanden immer mehr Forschungsergebnisse zur Stuhl-Transplantation und ihren Anwendungsmöglichkeiten vor. Im Massachusetts General Hospital in Boston gibt es die Behandlung mit den Kotkapseln bereits seit dem Vorjahr. Maria Vehreschild hofft, dass die Pillen in Deutschland bald als Medikament zugelassen werden. Denn ohne eine Zulassung ist es hierzulande legal nicht möglich zu testen, ob die Methode neben der Behandlung von Clostridien auch bei der Therapie anderer Darm-Krankheiten wirksam ist. Vehreschild:
    "Denn wenn etwas als Arzneimittel eingestuft wird, dann kann ich damit eine klinische Studie durchführen. Allerdings muss ich dann genau vorgegeben bekommen, wie mein Arzneimittel standardisiert sein muss, damit ich diese Studie eben durchführen kann. Im Moment haben wir diese Vorgaben nicht und deshalb ist es uns in Deutschland auch nicht möglich klinische Studien durchzuführen zur Stuhltransplantation."