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Medizin
Durch Organspende zum Mutterglück

Eine Frau spendet ihre Gebärmutter an ihre Tochter, damit diese wiederum ihr eigenes Kind darin austragen kann. Was klingt wie Science-Fiction, könnte in Schweden bald Wirklichkeit werden: Ein Ärzteteam hat neun Frauen Gebärmuttern transplantiert, die meistens von engen Verwandten stammten.

Von Marieke Degen |
    Fortpflanzungsorgane: Gebärmuttermyom
    Für die Patientinnen, die zum Großteil ohne eigenen Uterus auf die Welt gekommen sind, wäre eine Gebärmutter-Spende die einzige Möglichkeit, ein eigenes Kind zu bekommen. (picture alliance / dpa / Wissen Media Verlag)
    Eine junge Schwedin hat Gebärmutterhalskrebs. Sie wird in der Sahlgrenska Uniklinik in Göteborg operiert, die Ärzte müssen ihr die gesamte Gebärmutter entfernen. Sieben Jahre später liegt die Frau wieder in der Sahlgrenska-Klinik: Es ist derselbe Operationssaal, dasselbe Ärzteteam. Nur dass sie diesmal eine Gebärmutter eingepflanzt bekommt.
    "Die Gebärmutter stammte von ihrer eigenen Mutter. Die Patientin war selbst darin herangewachsen."
    Der Gynäkologe Mats Brännström hat ihr die Gebärmutter transplantiert, vor etwa anderthalb Jahren, im September 2012. Jetzt, sagt er, ist es Zeit für den nächsten Schritt: die künstliche Befruchtung. Schon vor der Transplantation haben sie im Labor Embryos gezeugt – aus den Eizellen der Patientin und den Spermien ihres Partners – und tiefgefroren. Jetzt wird einer nach dem anderen in die neue Gebärmutter gesetzt.
    "Wir mussten damit ein bis anderthalb Jahre warten. Im ersten Jahr reduzieren wir die Immunsuppressiva, und wenn man eine Abstoßungsreaktion bekommt, dann in den ersten sechs bis acht Monaten. Da sollte man eine Schwangerschaft natürlich nicht riskieren."
    Insgesamt neun Frauen haben in Göteborg eine neue Gebärmutter transplantiert bekommen – die meisten von ihnen waren schon ohne Uterus geboren worden. Die Spenderorgane stammten von der Mutter, der Schwester oder der Tante. Alle haben den komplizierten Eingriff gut überstanden, die ersten Empfängerinnen versuchen jetzt, schwanger zu werden.
    "Ob sich der ganze Aufwand lohnt – das wissen wir noch nicht. Wir werten die Transplantation erst dann als Erfolg, wenn die Frauen tatsächlich ein gesundes Baby zur Welt bringen. Wir haben jahrelang entsprechende Tierversuche gemacht und gehen davon aus, dass es klappt. Aber garantieren können wir es nicht."
    Die Schwedinnen sind nicht die ersten: Vor 14 Jahren bekam eine Frau in Saudi-Arabien einen Uterus transplantiert – doch sie stieß ihn ab, nach ein paar Monaten musste er wieder herausoperiert werden. Im Jahr 2011 bekam eine Frau in der Türkei einen Uterus eingesetzt. Sie hatte bislang aber nur Fehlgeburten. Auch in Göteborg lief es nicht ganz reibungslos:
    "Es gab Komplikationen, doch darüber kann ich erst sprechen, wenn wir unsere Ergebnisse offiziell veröffentlicht haben. Es war aber nichts gravierendes. Jetzt geht es allen wieder gut. Allerdings: Nicht alle transplantierten Gebärmütter funktionieren im Moment. Sie müssten dafür regelmäßig menstruieren – und das tun einige nicht."
    Trotz aller Ungewissheit: Ein spannender Ansatz, findet Luca Gianaroli, wissenschaftlicher Direktor von Sismer, einem Netzwerk von Kinderwunschzentren in Italien. Er sagt aber auch:
    "Wenn die Methode tatsächlich funktioniert, wird es große Debatten geben. Zum einen über die Kosten. Eine Transplantation mit der entsprechenden Nachsorge ist extrem teuer und aufwendig, und die Frage ist, ob die Allgemeinheit in so einem Fall dafür aufkommen würde. Dann gibt es ethische Fragen: Sicherlich wird es manchen Menschen nicht gefallen, dass ein Uterus zwei Generationen hervorbringt, also Mutter und Kind."
    Solche Diskussionen hat es in Schweden schon gegeben. Mats Brännström hat eine klare Meinung dazu.
    "Unfruchtbarkeit ist – per Definition der Weltgesundheitsorganisation - eine Krankheit. Wir behandeln schon diverse Formen, etwa mit Operationen oder einer künstlichen Befruchtung. Und wenn wir Frauen helfen könnten, die ihren Uterus verloren haben oder ohne Uterus auf die Welt gekommen sind, dann denke ich, sollten wir das auch machen."
    Wenn alles optimal läuft, wenn Brännströms Probandinnen in den nächsten Wochen schwanger werden, dann könnte noch in diesem Jahr das erste Kind aus einer transplantierten Gebärmutter geboren werden.