Archiv

Medizin
Ein Enzym als möglicher Auslöser von Diabetes

Übergewichtige Menschen leiden häufiger an Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes - aber nicht alle Fettleibigen werden krank. Warum manche gesund bleiben, haben österreichische, deutsche und US-Wissenschaftler untersucht. Sie richteten ihr Augenmerk dabei auf das Enzym Hämoxygenase-1.

Von Ursula Biermann |
    Ein Molekül namens Hämoxygenase-1 lässt Forscher hoffen, nach jahrelanger Suche endlich jenen Stoff gefunden zu haben, der stark übergewichtige Menschen krank macht. Harald Esterbauer von der Medizinischen Universität Wien hat die Studie geleitet:
    "Wir haben im Menschen, im Übergewichtigen nachgesehen, ob wir Faktoren identifizieren können, die diejenigen, die gesund sind, von den Kranken, von den Insulinresistenten unterscheiden. Und ein Molekül, dass diese beiden sehr gut unterschieden hat, war eben die Hämoxygenase-1, HO-1. Die Gewebe, die wir uns angesehen haben - das waren Leberbiopsien und Fettgewebsbiopsien vom Bauchfett, zwei wichtige Organe in der Entwicklung von Diabetes. Das Spannende an dieser Beobachtung, das völlig Unerwartete war, dass Hämoxygenase in den Kranken erhöht war. Also in den Insulin-Resistenten und nicht in den Gesunden, wie wir erwartet haben aus der Literatur."
    Ein Enzym als Ursache für Diabetes II?
    Das legte den Verdacht nahe, dass das Molekül HO-1 nicht wie bisher angenommen vor chronischen Entzündungen und damit vor Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes II schützt, sondern dass es genau umgekehrt sein könnte und das Molekül die Ursache einer Zuckerkrankheit ist. Um ihre Hypothese zu überprüfen, machten die Forscher Tierversuche mit Mäusen. Die Ergebnisse deuten in dieselbe Richtung. Andrew Pospisilik vom Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik:
    "Aus den Mausstudien wissen wir, dass bestimmte entzündungsfördernde Fresszellen des Immunsystems eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer Insulinresistenz spielen. Wenn wir HO-1 aus diesen Fresszellen der Mäuse entfernten, wurden sie von nahezu allen krankmachenden Folgen der Fettleibigkeit geheilt."
    Das werten die Forscher als Hinweis, dass das Molekül HO-1 auch bei übergewichtigen Menschen kausal an der Entstehung von Diabetes mellitus beteiligt sein könnte. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, ergäben sich neue Möglichkeiten für Diagnose und Therapie der krankmachenden Folgen von Fettleibigkeit. Harald Esterbauer:
    "Erstens ermöglicht uns das Ergebnis einen neuen Screening-Test, einen neuen Risikofaktor in der klinischen Diagnostik zu etablieren. Mit diesem Test auf HO-1 wäre es dann unter Umständen möglich, Patienten, die ein hohes Risiko haben, Diabetes zu erleiden oder insulinresistent zu werden, schon sehr frühzeitig zu identifizieren."
    Hoffnung auf Tests zur Früherkennung
    Bis zu zehn Jahre früher als etablierte Tests könnte ein HO-1-Test vor dem Ausbruch einer Krankheit warnen, so die Hoffnung der Forscher. Andrew Pospisilik:
    "Das Protein HO-1 ist nur dann in beträchtlichen Mengen vorhanden, wenn der Körper gestresst oder krank ist. Dann führt es zu einem Teufelskreis: Es wird produziert, verschlechtert den Gesundheitszustand, wird dadurch vermehrt produziert und verschlechtert den Gesundheitszustand weiter. Durch regelmäßige Bewegung und richtige Ernährung würde HO-1 aber gar nicht erst in den Mengen entstehen, die dann krank machen."
    Da für die aktuelle Studie nur die Gewebeproben von 50 Probanden untersucht wurden, was für statistisch valide Aussagen nicht viel ist, sind die Praktiker noch zurückhaltend, was ihre Bedeutung angeht. Der Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie der Universitätsklinik Freiburg, Professor Jochen Seufert:
    "Zunächst muss mal die Wertigkeit dieses Markers der Hämoxygenase an größeren Patientenpopulationen validiert und untersucht werden. Die Grundlage dieser Arbeit ist eigentlich eine relativ kleine Population von übergewichtigen Menschen, und wie das mit jedem Marker unter Laborparameter ist, muss dieser natürlich an großen Populationen validiert und untersucht werden und dann muss genau definiert werden, was ist also der Normalbereich und welcher Bereich differenziert dann die Menschen, die von diesem diagnostischen Marker profitieren können. Das heißt, im Moment nach meiner Einschätzung bietet die Studie eine sehr gute Grundlage für die Entwicklung einer neuen Diagnostik aber dieser Marker muss nach meiner Einschätzung noch an größeren Patientenpopulationen untersucht werden."